Vielleicht kann sich bald jeder Autobesitzer seine Pakete in seinem Kofferraum liefern lassen
Vielleicht kann sich bald jeder Autobesitzer seine Pakete in den Kofferraum liefern lassen

Der DHL-Lieferant kommt – noch völlig aus der Puste – auf mein Auto zu. Gerade hat er einen Berg von fünf Paketen in das benachbarte Haus gebracht. Mir bringt er nur eines. Und dafür muss er noch nicht einmal klingeln oder Treppen steigen. Er holt nur den kleinen Apparat hervor, auf dem man sonst unterschreiben muss, wenn man ein Paket erhält. Dann öffnet er mit einem Code auf seinem Gerät die Kofferraumklappe meines Autos, legt mein Paket in das Fahrzeug und schließt die Klappe wieder. Das war’s. Das Paket gilt als zugestellt. Ich kann es mir nun jederzeit aus meinem Kofferraum holen.

Eine Alternative, für die ich dankbar bin, wenn ich daran denke, dass ich vergangene Woche noch eine Dreiviertelstunde bei der Post in der Schlange stand, um ein Paket abzuholen, das nicht zugestellt werden konnte. Obwohl ich zuhause war!

Gerade in der Vorweihnachtszeit werden die Probleme deutlich, die der Boom des Online-Shoppings mit sich bringt. Kunden beschweren sich, dass ihre Pakete zu spät ankommen oder gar nicht zugestellt werden. Die Zusteller wiederum klagen über zu viele Pakete in zu wenig Zeit, geringen Lohn und untragbare Arbeitsbedingungen. Zudem verstopfen die zahlreichen Lieferwagen die Innenstädte. Die Kofferraumzustellung könnte sowohl für Kunden als auch für Paketboten eine bequeme Alternative sein. Doch klappt das wirklich?

Wie funktioniert der Service von We Deliver?

Mit dem Projekt We Deliver testet VW diesen Service in Kooperation mit DHL seit September 2017 in Berlin. Auch wir von Gründerszene und NGIN Mobility möchten wissen, ob das funktioniert. Für den Test bekomme ich einen VW Polo gestellt, der technisch so ausgestattet ist, dass die Paketzusteller den Kofferraum von ihren Geräten aus mit einem Code öffnen können. Für jede Zustellung wird ein einmaliger Code generiert, der dann verfällt.

Los geht es also mit dem Online-Shoppen zu Testzwecken. Sechs Geschäfte machen bei dem Projekt mit: Amazon, AllYouNeedFresh, Outfittery, Fashion ID, Music Store und Alternate. Ich wähle ein Buch auf Amazon aus. Ein Prime-Artikel, denn nur bei denen ist der Service verfügbar, wie mir bei der Anmeldung gesagt worden war. Anschließend lege ich eine neue Lieferadresse an. Dafür muss ich eine Anschrift und die ID meines Test-Autos angeben. Am Tag der Bestellung werde ich das Auto im Umkreis von 300 Metern von der angegebenen Adresse parken müssen. Der DHL-Zusteller wird es dann auf seinem Gerät orten können.

Doch zurück zur Bestellung: Nun muss ich bei der Versandart die Kofferraumlieferung wählen. Und hier endet die kurze Karriere meiner ersten Bestellung schon. Denn eine „Wunschtermin-Lieferung“ ist für diesen Artikel nicht möglich. Genauso ergeht es mir bei den nächsten fünf Artikeln, die ich mir in den Kofferraum liefern lassen möchte. Erst beim sechsten Artikel, ein Schuhlöffel, den ich eigentlich gar nicht brauche, klappt es. Dafür kostet der Service 2,99 Euro Aufpreis. Nun kann ich ein Zwei-Stunden-Fenster als Lieferzeitraum auswählen. Ich überlege, wann ich garantieren kann, dass das Auto zwei Stunden lang in der Nähe der Adresse steht, und wähle Montag zwischen 10 und 12 Uhr. 

Am Montag weckt mich eine SMS von DHL um 7:34 Uhr: Ihr Paket wird heute im gewünschten Zeitfenster zugestellt. Um kurz nach zwölf gehe ich also zu dem Testfahrzeug. Ich öffne den Kofferraum und tatsächlich; mein Schuhlöffel ist angekommen. Das flache Paket liegt im Kofferraum, alles andere ist unberührt. 

Was für die Kofferraumlieferung spricht

Das Wichtigste vorweg: Wenn ich erst mal eine Bestellung per „Wunschtermin-Lieferung“ abgegeben hatte, klappte die Kofferraumzustellung immer perfekt. Bei sechs von sechs Malen lagen die Pakete zum gewünschten Zeitraum in meinem Auto. Spuren im Fahrzeug hat der DHL-Bote nie hinterlassen. Auch andere Gegenstände, die sich im Kofferraum befanden, blieben unberührt. Sehr praktisch ist außerdem der Service, dass man auch Retouren über das eigene Auto verschicken kann. Man stellt sie einfach als Rücksendung gekennzeichnet in den Kofferraum und der Bote nimmt sie mit, wenn er das nächste Mal etwas liefert. 

Die Lieferung klappte auch bei anderen Shops als Amazon einwandfrei. Lebensmittel von AllYouNeedFresh kamen ebenfalls unversehrt an. Sollte nach der Lieferung doch etwas im Auto fehlen oder etwas beschädigt sein, „haftet der Logistiker im Rahmen seiner Geschäftsbedingungen“, wie We Deliver auf Nachfrage von Gründerszene mitteilt. Zudem sei es Ziel, „zeitnah die Kofferraumzustellung für eine große Anzahl an Online-Shops anzubieten“.

Was gegen die Kofferraumlieferung spricht

Doch auch wenn jede Bestellung ankam, mangelt es dem Service nicht an Kritikpunkten. Zunächst einmal kann das Online-Shoppen schnell frustrierend werden, wenn man am Ende des Bestellvorgangs zum x-ten Mal merkt, dass die Kofferraumlieferung für diesen Artikel leider nicht verfügbar ist. Auch die Gebühr von knapp drei Euro schreckt ab, wenn man als Prime-Kunde viele Artikel sehr viel schneller und umsonst nach Hause geliefert bekommen kann.

Diesen freundlichen Gruß fand ich an meiner Windschutzscheibe vor, als ich auf mein Paket wartete
Diesen freundlichen Gruß fand ich an meiner Windschutzscheibe vor, als ich auf mein Paket wartete

Problematisch ist außerdem der 300-Meter-Umkreis, innerhalb dessen man sein Auto parken muss. Denn in vielen Innenstädten ist es schlicht unmöglich, tagsüber in einem so eng bemessenen Gebiet einen Parkplatz zu finden. Bringt man nicht zu jeder Parkplatzsuche eine halbe Stunde Zeit mit, zwingt einen dieser Radius förmlich zum Falschparken. Auch bei mir kam die Reaktion der Anwohner prompt (Siehe Foto).

Zudem ist das System der Kofferraumlieferung sehr unflexibel. Muss man mit dem Auto spontan doch aus dem Radius herausfahren oder kann aus einem anderen Grund nicht zur angegebenen Zeit am vor Ort sein, gibt es keine Möglichkeit den Liefertermin zu ändern. Findet der DHL-Bote das Auto nicht an, versucht er die Zustellung zur selben Zeit am selben Ort am nächsten Tag. Ist das Auto dann wieder nicht da, bringt er es zur nächsten Postfiliale. 

Ein Projekt mit Potential

We Deliver ist sich dieser Schwachpunkte bewusst. „300 Meter ist ein Richtwert für die Testphase“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. „Bei einem möglichen Serieneinsatz soll eine technische Lösung geschaffen werden, welche es dem Kunden ermöglicht zu prüfen, ob er oder sie in dem Radius von 300 Metern steht oder nicht.“ Es könnte dann gegebenenfalls zu Anpassungen kommen. Zudem soll der Service flexibler werden. Langfristig wäre es natürlich wünschenswert, die Kofferraumzustellung ganz ohne Bindung an eine Adresse anzubieten. Das sei aber logistisch sehr schwer umzusetzen. Es könnte allerdings sein, „dass sich immer mehr Logistikfirmen dieser Herausforderung und dem Kundenwunsch stellen werden“.

Die Testphase läuft noch bis Ende April 2018. Auch Privatpersonen können sich bewerben. Außerdem wird daran gearbeitet, den Service technisch auch für ältere VW-Modelle anbieten zu können. Nach dem Test soll entschieden werden, ob das Projekt in Serie geht oder nicht. Amazon hatte einen ähnlichen Service schon 2015 mit Audi getestet. 

Sollte der Bestellvorgang einfacher und das Sortiment größer werden, wäre die Kofferraumlieferung für Konsumenten ein Gewinn. Entfiele auch noch die Einschränkung durch den Park-Radius, wäre dieser Gewinn auch noch ausgesprochen bequem. Bis dahin bleibt es allerdings ein Nischenangebot für das Online-Shopping.

Bilder: Outfittery (oben), Gründerszene / Thorsten Mumme (im Text)