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webpgr-german-accelerator-resumee Visitacion Valley, San Francisco

Ein Beitrag von Thomas Handorf, Mitgründer und CEO von Webpgr. Das Berliner Startup, das einen Editor für interaktive Websites entwickelt hat, gehört zu den zwölf Startups, die im Juli mit dem German Accelerator ins Silicon Valley ging. Für Gründerszene berichtet Handorf von seinen Erfahrungen. Im ersten Teil ging es um die Erwartungen, die an die Zeit im Valley geknüpft waren. Im zweiten Teil wurde eine erste Zwischenbilanz gezogen. Im dritten Teil blickt er nun auf die drei Monate zurück.

Social Melting Pot San Francisco

Im vorerst letzten Teil meines Silicon-Valley-Aufenthalts ziehe ich noch einmal um. Ich habe ein relativ günstiges, für deutsche Verhältnisse jedoch immer noch sehr teures, Zimmer im Visitacion Valley gefunden. Von seinen schlimmsten Zeiten Mitte der 90er als drogenverseuchtes Gang-Land hat sich die Gegend inzwischen glücklicherweise erholt. Und die unmittelbare Nähe meiner Bleibe ist – wie ich mir von meinem Airbnb-Host Frank vor Ankunft versichern lassen habe – auch recht wohnlich.

Allerdings sind einige Gegenden auf dem Weg nach Downtown noch recht „sketchy“, sodass die tägliche Fahrt mit dem Muni-Bus meist recht abenteuerlich war. Kaum ein Tag, an dem nicht jemand schrie, grunzte oder sich mit zwei riesigen Mülltüten in den übervollen Bus drängte. Überrascht hat mich dabei jedoch die entspannte Haltung der Leute. In Berlin lösen schon sozial deutlich weniger intensive Situationen offene Aggressionen bei einigen Passanten aus. Hier führten diese absurden Begebenheiten oft zu angeregten Unterhaltungen zwischen Menschen, die sich vorher gar nicht kannten. Respekt!

Zum Schluss greift das Netzwerk

Meine interessante Wohnsituation hat jedoch keinen negativen Einfluss auf unser Silicon-Valley-Acceleration-Programm. Mein Netzwerk hier ist inzwischen gut gewachsen. Darüber komme ich zum Beispiel mit Thomas, ehemaliger Produktmanager von Airbnb und gerade selbst mit seinem Startup beschäftigt, in Kontakt. Er findet unser Produkt super und coacht uns mit seiner Airbnb-Erfahrung gleich gratis ein bisschen im Customer Development. In der Tat ist der Aufbau des persönlichen Netzwerks einer der Kernpunkte des German Accelerators (GA).

Zwar kamen wir durch das Mentorennetzwerk und durch den Runway täglich mit neuen Leuten zusammen, aber bis man die wirklich interessanten Kontakte gefunden und in sein Netzwerk eingebaut hat, braucht es halt seine Zeit. Und drei Monate sind auch recht schnell um, so dass man gar nicht genug in den Aufbau investieren kann. Also sind für uns insbesondere die letzten zwei Wochen prall gefüllt mit Meetings, Pitches und Schmieden von Partnerschaften.

So „grillt“ man im Valley

Wir bewerben uns beim bekannten Startup-Pitch-Event Pitchforce, um zu erfahren, wie im Valley „gegrillt“ wird. Wir dürfen mitmachen und bekommen vom German Accelerator einen sehr guten Pitchtrainer gestellt. Er schleift nochmal an unserer Darstellung zum Kundennutzen und der Gründerstory und gibt uns ein paar Tipps zu Haltung und Stimmlage. Max von Pitchforce nimmt uns am Vortag noch einen Probepitch ab und gibt ein paar letzte Hinweise.

Am Pitchtag selbst müssen wir zunächst die Vorrunde schaffen. Anwesende Gäste spielen dabei Investoren und müssen an unserem Demotisch überzeugt werden, Spielgeld in unser Startup zu investieren. Wir haben Christian vom GA für diesen Abend ins Webpgr-Team aufgenommen und mit vereinter Verkaufskraft schaffen wir es glatt ins Finale.

Sechs Teams pitchen nun vor einem Panel aus sechs Investoren, Gründern und Anwälten. Zunächst sind die Kommentare eher human – unter Grillen verstehe ich etwas anderes. Aber dann, beim dritten Startup, geht’s los. Wie man es wagen könne, sich mit so einem schlechten Pitchdeck auf die Bühne zu wagen. Oder „Würde ich nie nutzen, da gibt’s schon lange viel bessere Lösungen auf dem Markt“. Trotz aller Deutlichkeit muss ich aber auch hier sagen, dass ich das auf deutschen Pitchevents auch schon gehört habe.

Wir sind als letzte dran und erhalten ein sehr gutes Feedback für unser Produkt und ein paar milde Kritiken, wie zum Beispiel, dass wir beim Markteintritt noch ein bisschen deutlicher werden können. Insgesamt reicht’s für Platz drei!

Goodbye, vorerst

Am Vorabend meiner Abreise lädt uns Aldo, einer unserer vielleicht zukünftigen Partner, in sein 8.000-Dollar-Luxus-Apartment im vornehmen Nema – ja Wohnhäuser haben hier sogar Namen – ein. Innenhof mit Pool und Lagerfeuer, Gym und Dachterasse mit exorbitanten Blick über das nächtliche San Francisco. So lässt’s sich leben! Und auch am letzten Tag zeigt San Francisco noch einmal, dass es definitiv anders ist. Die Folsom Street Fair findet in der Nähe des Office statt und man sieht am hellichten Tag halbnackte und ansonsten nur Leder tragende Gestalten durch die Straßen huschen.

Im Starbucks, wo wir unser Abschiedsmeeting abhalten, sitzt uns dann auch eine Geschäftsfrau gegenüber, aus deren Tasche eine Peitsche schaut. Ich muss sagen, ein bisschen freue ich mich schon auf das „normale“ Berlin.

Warum sich die drei Monate im Valley gelohnt haben

Falko ist noch eine Woche länger geblieben und gewinnt am nächsten Tag den German Accelerator Graduation Pitch. Bester Kommentar des Panels: „If the product is only half as good as it looks like it is, this is something you will be very successful with.“. Yeah! Unser Accelerator-Programm ist damit verlängert und wir können weiter die Vorzüge des GA nutzen, inklusive Homebase im Valley und Zugriff auf ein gutes Mentorennetzwerk. Und außerdem bahnt sich auf die letzten Tage noch eine Kooperation mit einem Tech-Unternehmen an, das wir bisher eher als Konkurrenten wahrgenommen haben.

Insgesamt haben sich die drei Monate sowohl persönlich als auch geschäftlich gelohnt. Durch das intensive Mentoring konnten wir deutlich mehr über unsere Zielgruppe lernen, insbesondere über unsere US-Kunden, die sich schon etwas von unseren deutschen Nutzern unterscheiden. Unser Netzwerk ist nicht nur in Amerika stark gewachsen, sondern verbindet uns nun auch mit neuen spannenden Kontakten in Deutschland. Gleich am Tag nach meiner Rückkehr wurde ich auch schon auf die erste Pitchveranstaltung eingeladen – denn so langsam brauchen wir unsere Anschlussfinanzierung in Deutschland.

Bild: NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von roarofthefour