DieParodont-Gründer Ismail und Hüsnü Özkanli versprachen etwas zu viel

„Die Höhle der Löwen“, „Das Ding des Jahres“ und bald auch die neue Show von Carsten Maschmeyer: Immer häufiger sind Gründer im Fernsehen zu sehen. Das ist gut. Aufmerksamkeit, neue Kunden, Unternehmergeist als Tugend – wer würde das schon schlechtreden wollen. Problematisch wird es, wenn Gründer im TV zu euphorisch von ihren Produkten schwärmen. Wenn sie etwas behaupten, das nicht mehr ganz stimmt. Wenn sie Studien zitieren, die nur Umfragen waren. Wenn sie für Medikamente werben, die juristisch gesehen nur Kosmetika sein dürfen.

Genau das taten die Macher des Zahnpflegemittels Parodont. In der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) schwärmten sie von ihrem „altägyptisches Heilmittel“, das bei Parodontose Zahnfleischtaschen schließe und das Zahnfleisch wieder anhefte. Ralf Dümmel war begeistert und investierte. Das Problem: Parodont ist nicht als Arznei zugelassen. Dass die Crème etwas heilt, hätten die Gründer laut Medikamentenverordnung nicht behaupten dürfen. Ein Millionenpublikum bekam zur besten Sendezeit also falsche Werbeversprechen zu hören. Ein Apotheker aus Pforzheim ging juristisch gegen die Firma von Ralf Dümmel vor, die die Parodont-Creme derzeit vertreibt.

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Zunächst kassierte das Parodont-Team deswegen eine einstweilige Verfügung, vor wenigen Tagen hob das Hamburger Landgericht diese jedoch wieder auf. Nicht weil die Werbeversprechen erlaubt gewesen wären, sondern weil die Dümmel-Firma nicht verantwortlich sei. Sie habe zwar vor der Ausstrahlung der DHDL-Folge, aber erst nach deren Aufzeichnung investiert, hieß es in der mündlichen Urteilsverkündung. Die schriftliche Begründung steht noch aus. Die Parodont-Gründer sind womöglich noch immer für ihre Aussagen zu belangen.

„Sehr viele Gründer treffen unwissentlich Aussagen, die man nach der deutschen Rechtsprechung so nicht sagen darf“, warnt deswegen Dümmel-Sprecherin Sanja Stankovic. „Es handelt sich ja häufig auch um unerfahrene Gründer.“ Gerade am Anfang ist es Gründern verständlicherweise wichtiger, gute Vertriebszahlen zu erreichen. Juristische Details scheinen da nicht so wichtig.

Doch Unwissen schützt vor Strafe nicht. Falsche Werbeversprechen sind ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dort heißt es:

„Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§ 16 UWG)

Hinzu kommen mögliche Schadensersatzforderungen der Konkurrenz. Unter diesen „größeren Kreis von Personen“ fallen im Übrigen nicht nur TV-Shows. Auch Radio-Auftritte, die eigenen Social-Media-Kanäle und Interviews in Print- oder Online-Medien reichen aus. Je größer das Publikum, desto wahrscheinlicher, dass jemand gegen falsche Aussagen vorgeht. Auch der Vergleich mit Wettbewerbern ist streng reguliert. Laut § 6 UWG ist schon die Herabsetzung und die Verunglimpfung von Konkurrenzwaren verboten. Auch wer sein Produkt vorsätzlich ähnlich wie das der Wettbewerber gestaltet, um von deren Marke zu profitieren, macht sich strafbar.

Profitieren können Gründer dabei von der juristischen Erfahrung vieler Investoren. Nicht selten beschäftigen VCs Rechtsabteilungen und Experten für Qualitätsprüfung, die Produkte, Dienstleistungen und deren Marketing auf Rechtskonformität prüfen. Auch bei der Ralf-Dümmel-Firma DS Produkte sei so etwas üblich, sagt Sprecherin Stankovic: „Wir prüfen das Rechtliche selbstverständlich immer. Wir setzen uns insbesondere mit den Gründern zusammen – auch mit den Parodont-Gründern – und dann wird alles akribisch geprüft und es wird alles gestrichen, was man nicht sagen darf.“ Vor allem bei Nahrungsmittel-, Gesundheits- und Kosmetikprodukten seien die Regeln streng. Hier müssen Gründer mit Wirkversprechen besonders aufpassen, weil sie durch Studien belegt werden müssten.

Nur weil ein Gründer mal eine rechtlich nicht korrekte Aussage getroffen hat, scheitere ein Investment zumindest bei Dümmels Firma DS Produkte jedoch nicht, sagt Stankovic. „Sonst gäbe es ja kaum noch Investments. Entscheidend ist doch, dass man Fehler erkennt und sie behebt.“

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Für die Gründer von Parodont ging die Sache bisher glimpflich aus. Der Vox-Auftritt brachte ein Investment von Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer in Höhe von 100.000 Euro ein. Die Creme ist bei dm und Rossmann gelistet, die einstweilige Verfügung gegen die Vertriebsfirma aufgehoben. Beim Shopping-Sender QVC, der das Produkt nach der Fernsehshow bewarb, wechselten innerhalb von Minuten 30.000 Tuben des Gels den Besitzer. Der „bisher größte Erfolg“ aus der Zusammenarbeit mit DHDL, wie es von QVC heißt.

Trotzdem sollten Gründer nicht zu Falschaussagen versteigen. Was rechtlich erlaubt ist, sei leider nicht immer intuitiv ersichtlich, sagt DS-Produkte-Sprecherin Stankovic: „Startups geben oft für die Produkt-Entwicklung viel Geld aus, für die rechtliche Prüfung hingegen nicht. Viele Gründer merken die Probleme daher erst, wenn es zu spät ist – dann häufen sich die Anwaltskosten. Eine rechtliche Einschätzung und Beratung gehört aber immer dazu – egal bei welcher Art von Produkt.“

Foto: Bernd-Michael Maurer / VOX