Der Kampf um die Daten aus den Entertainmentsystemen ist im vollen Gange.

Die Autobranche hat ein Problem und sie wissen noch nicht, wie sie damit umgehen sollen. Eigentlich sind es sogar zwei Probleme: Das eine sitzt in der Mittelkonsole, das andere links daneben. Das Entertainmentsystem mit dem zentralen Bildschirm bereitet den Herstellern genauso Kopfzerbrechen, wie der Kunde, der das System bedienen soll. Denn während der Kunde sich immerzu neue Funktionen wünscht, kommt der Hersteller kaum hinterher, wie er die ganzen Features in sein existierendes System einbauen soll.

Der einfachste Weg, dem Kunden genau das zu geben, was er will, wäre Apple und Android ins Auto zu lassen. Quasi die vollständige Kapitulation vor den beiden US-Giganten, die den Smartphone-Markt beherrschen. Sie haben den Standard gesetzt, sie bestimmen über ihre App-Stores, was auf dem Telefon läuft, und was nicht. Warum sich die Mühe machen, das Rad noch mal neu zu erfinden?

Mein Schatz, meine Daten

Natürlich geht es um die Daten. Damit verdient man in Zukunft mehr Geld als mit dem Verkauf von Fahrzeugen. Google hat es vorgemacht. Der Monopolist in Sachen Internet-Suche hat ein komplettes Öko-System an Software auf den Markt geworfen, die der User umsonst nutzen kann. Er bezahlt mit seinen Daten, die Google für Werbezwecke nutzt. Die Daten, die in Zukunft aus den Autos fließen, hätten die Hersteller gerne für sich. Um sie dann eventuell an Google weiter verkaufen zu können. Aber auf jeden Fall sind die Daten der Schatz, den man in Zukunft heben will.

Und daher setzen die großen Hersteller auf eigene Lösungen. Mercedes hat die „MercedesMe“-Plattform, BMW „Connected Drive“ und Audi geht sogar so weit, das man ein eignes Tablet samt eigenem Betriebssystem aufgesetzt hat. Oder anders gesagt: man baut seine eigene digitalen Trutzburgen und hofft, dass der Kunde akzeptiert, dass erst eine App gestartet werden muss, wenn er sein Handy mit dem Auto verbinden will.

Hersteller in der App-Falle

Doch der Bau der digitalen Schutzwälle stellt die Hersteller vor ein großes Problem. Die Nutzung derjenigen Apps, die Kunden kennen und lieben, ist so ohne weiteres nicht möglich. All die Dienste, die man auf seinem Smartphone gesammelt hat, finden sich erst einmal nicht im Entertainmentsystem des Autos wieder. Hinzu kommt, dass die wenigsten App-Hersteller sich die Mühe machen werden, ihre App noch mal für die verschiedenen Entertainmentsysteme der Hersteller zu entwickeln.

Die völlige Neuprogrammierung einer App ist dabei nur ein Teil des Problems, der teurere Teil besteht darin, die App immer auf dem neusten Stand zu halten und gleichzeitig auftretende Sicherheitslücken der unterschiedlichen Betriebssysteme zu beseitigen. Wie schwer es ist, Entwickler zu einer solchen Aufgabe zu bewegen, musste Microsoft schon erleben.

Und hier liegt die Chance für Startups. Zum Beispiel CloudCar. Das US-Startup bietet eine Whitelabel-Lösung für Hersteller an, die die Kosten für die Entwicklung eines eigenen Entertainmentsystems scheuen. Die CloudCar-Plattform kann an das Look and Feel eines Herstellers angepasst werden und liefert die nötige Verbindung zum Internet und verschiedenen Apps. Das war dem Jaguar-Land-Rover-Konzern immerhin eine Finanzierung von 15 Millonen Dollar wert. 

Ein anderes Beispiel ist das deutsche Startup re2you. Auch dieses Unternehmen arbeitet an einer cloud-basierten Plattform, die quasi als Backend für die Entertainmentsysteme in Autos funktionieren soll. Der User kann dort einen eigenen Account anlegen, seine Daten, egal auf welchen Betriebssystem er arbeitet, werden dann über re2you ins Auto gespielt.

Auch der indische Ridesharing Gigant Ola ist mittlerweile ins Geschäft mit dem InCar-Entertainment eingestiegen. Er bietet in einigen Fahrzeugen ein Tablet an, das auf einem eigenen Betriebssystem basiert. Kunden können im Internet surfen, Videos schauen etc. Eben weil die Hersteller sich gegen die Öffnung der eigenen Entertainmentsysteme sperren, hat Ola sich zu diesem Schritt entschieden.

Die Beispiele zeigen, dass es für die Hersteller zunehmend schwieriger wird, sich gegen den Eintritt anderer Unternehmen im Bereich der Entertainmentsysteme zu wehren. Eine teilweise Öffnung für andere Anbieter ist nur logisch und bietet Startups ganz neue Möglichkeiten.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobil-Branche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Daimler AG