Anna und Ran Yona
Anna und Ran Yona Anna Yona und Ran Yona verkaufen Bio-Kinderschuhe übers Netz

Nur jeder fünfte Erwachsene hat gesunde Füße, sagt Anna Yona. Schuld daran seien die falschen Schuhe im Kindesalter. Die Mutter von drei Kindern stellt deshalb ihre eigenen Bio-Kinderschuhe her – und vertreibt sie heute erfolgreich unter dem Namen „Wildling-Schuhe“ im Netz.

Yona wollte eigentlich Journalistin werden und studierte englische Literatur und Nahost-Geschichte in Israel. Zurück in Deutschland entstand die Idee zu dem Unternehmen Wildling Shoes, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Ran Yona startete. Seit Februar 2016 sind die Schuhe über ihren Onlineshop Wildling.shoes erhältlich.

Um das Projekt zu finanzieren, sammelte das Ehepaar 2015 über Kickstarter 75.000 Euro von 500 Unterstützern ein. Gerade gab es in einer Finanzierungsrunde nochmal 200.000 Euro. Die Gründerin im Gespräch.

Anna, du leitest ein Team von zehn Leuten, arbeitest aber fast immer von zu Hause. Ist das nicht etwas einsam?

Überhaupt nicht, ich habe ja drei Kinder und zwei Hunde (lacht). Es ist natürlich schwierig, den Überblick zu bekommen, wer wann arbeitet, da die Arbeitszeiten extrem unterschiedlich sind. Viele Mitarbeiter sind Mütter und arbeiten eher am Abend oder am Wochenende.

Und wie kommuniziert ihr miteinander?

Das optimale Tool dafür habe ich noch nicht gefunden. Viel läuft über E-Mail, Whatsapp und Asana. Eine Zeit lang haben wir Video-Konferenzen versucht. Aber das war eine totale Katastrophe (lacht).

Warum?

Entweder stand ein Kind im Hintergrund, ein Hund hat gebellt oder das Bild war schlecht. Das war einfach super anstrengend.

Das klingt, als wenn sich das Unternehmen noch strukturieren muss.

Bis Mai haben nur mein Mann und ich daran gearbeitet. Erst danach haben wir ein Team aufgebaut. Wir sind also noch in der Findungsphase. Aber wir sind jetzt das erste Mal so aufgestellt, dass wir meistern können, was auf uns zurollt. Bisher haben wir immer nur reagiert.

Habt ihr vorher falsch geplant?

Wir haben zu pessimistisch geplant, sind von der Nachfrage überrannt worden und hatten immer zu wenig Bestand. Einige Monate hatten wir deshalb gar keine Produkte im Angebot.

Wie kam das bei den Kunden an?

Eine Nachfrage nicht bedienen zu können macht das Produkt natürlich spannend. Andererseits kann man Kunden nur dreimal in einen leeren Shop laufen lassen, bevor sie nicht wieder kommen. Das war ein Balance-Akt, den wir nicht immer hinbekommen haben.

Im ersten Jahr habt ihr dennoch einen Umsatz von einer halben Million Euro erwirtschaftet. Wie habt ihr das geschafft?

Wir hatten zwar viel zu wenige Schuhe vorproduziert, aber unser Hersteller in Portugal ist sehr flexibel und wir konnten schnell auf die Nachfrage reagieren. Nach dem Kauf wird viel über unser Produkt gesprochen, zum Beispiel von der Mutter im Kindergarten, die dadurch drei weitere Mütter überzeugt. Wir haben unheimlich viele Kunden über Empfehlungen bekommen.

Für Marketing habt ihr kein Geld ausgegeben?

Wir hatten noch nicht die Gelegenheit, das Lager voll zu machen und auf allen Kanälen zu pushen. Wir sind keine Vertriebsbude und hatten vor der Gründung keine Ahnung vom Schuh-Business.

Habt ihr euch vor der Gründung zu wenig Gedanken gemacht?

Wir haben das Geschäftsmodell sehr genau geplant. Aber mein Mann und ich sind beide sehr spontane Menschen. Naivität war sicherlich auch dabei. Man muss Dinge auch einfach mal probieren und Probleme dann lösen, wenn sie auftreten.

Nicht jede Familie mit drei kleinen Kindern würde sich das trauen. Ihr hättet jetzt pleite sein können.

Wir hatten vorher schon ein Unternehmen und sind nicht komplett blauäugig an das Thema gegangen. Wir haben aber ein privates Darlehen aufgenommen und daher muss es jetzt einfach klappen.

Ihr hattet zuvor ein Unternehmen in Israel. Erzähl mal davon.

Wir wohnten in Tel Aviv, sind aufs Land gezogen und mussten dann eine neue Existenz aufbauen. Mein Mann ist Sporttherapeut und hat ein marodes, heruntergekommenes Fitness-Studio übernommen und neu aufgebaut.

Warum bist du ursprünglich aus Deutschland ausgewandert und nach Israel gezogen?

Nach dem Abitur bin ich viel gereist und habe dabei viele Israelis kennengelernt. Ich bin später nach Israel gereist, um Freunde zu besuchen und die Sprache zu lernen. Aber ich habe mich so wohl gefühlt, dass ich dort studiert habe und als ich meinen Mann kennen lernte bin ich dageblieben. Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Deutschland zurück komme.

Israel hat eine sehr lebendige Startup-Szene. Hast du davon auf dem Land etwas mitbekommen?

Israel ist für Hightech-Startups spannend, bietet aber ansonsten extrem wenig für Gründer. In Deutschland gibt es deutlich mehr Hilfe, wie Coaching oder Darlehen. Dafür ist die Kultur in Israel eine andere: Dort macht man erstmal und schaut morgen, wie es weitergeht.

Anna und Ran Yona
Anna und Ran Yona Anna Yona und Ran Yona verkaufen Bio-Kinderschuhe übers Netz

2013 bist du zurück nach Deutschland gezogen. Habt ihr dann sofort angefangen, Schuhe herzustellen?

Mein Mann hatte bereits in Israel gesagt, dass die Kinder barfuß groß werden sollen, weil es gesünder ist. Als wir dann nach Deutschland kamen und die Kinder im Winter nicht barfuß laufen konnten, haben wir mit der Produktentwicklung begonnen.

Was waren die größten Herausforderungen für dich als Quereinsteigerin?

Die größte Herausforderung war die Produktentwicklung als ganzes. Wir haben fast alle Materialien zweckentfremdet, sie kommen nicht aus der Schuh- sondern der Bekleidungsindustrie. Das alles zu finden und zu testen war total schwierig. Irgendwann muss man zum Beispiel die Materialien für die Sohle festlegen, was dann wieder andere Entscheidungen beeinflusst.

Euer Produktportfolio ist überschaubar. Arbeitet ihr gerade an neuen Produkten?

Wenn ich ein neues Material kennenlerne, dann will ich es am liebsten sofort verarbeiten. Aber man muss sich fokussieren. Die Grundmodelle sind fertig. Wir können aber bei jeder Kollektion mit Farben oder Materialien spielen. Einmal in der Woche treffen wir uns in Köln, um am Produkt zu arbeiten.

Auch andere Anbieter verkaufen Barfußschuhe. Wie setzt ihr euch von der Konkurrenz ab?

Wir verkaufen keine Barfußschuhe – das Wort ist paradox – sondern Minimalschuhe. Was uns stark trennt, ist, dass wir ein Kinderschuh-Hersteller sind. Die wenigsten sind darauf spezialisiert, fokussieren sich eher auf Sport oder Männer. Wir produzieren zudem fair und bio, die anderen nicht.

Ihr habt gerade ein Investment von 200.000 Euro bekommen. Das ist für das Schuh-Business aber eher wenig, oder?

Wir haben einen Investor gesucht, der uns hilft, das Wachstum zu finanzieren. Aber der Fokus lag weniger auf der Summe, als jemanden an Bord zu holen, der Erfahrung im Direktvertrieb hat und uns auch bei anderen Fragen helfen kann. Wir haben uns deshalb für die beiden Unternehmer und Brüder Mario und Markus Konrad entschieden. Sie bauen gerade ein Unternehmen im Bereich Sportkleidung auf.

Du arbeitest 70 Stunden und mehr in der Woche. Ist es schwierig, dann noch drei Kinder und einen Ehemann unter den Hut zu bekommen?

2015 und 2016 waren extreme Jahre, gerade, weil wir am Anfang nur zu zweit waren. Für wichtige Entscheidungen braucht man einen freien Kopf. Wenn man im Alltagsgeschäft versinkt, dann wird es Zeit, darauf zu achten, dass man Familien-verträgliche Arbeitszeiten hat, aber auch, um für sich selbst zu funktionieren.

Euer Produkt heißt „Wildling“ und ihr werbt mit „Schuhen für Räubertöchter und wilde Kerle“. Ist das eine Hommage an Astrid Lindgren oder Game of Thrones?

Die Figuren von Astrid Lindgren haben viel von dem, was wir vermitteln wollen: das Gefühl von Freiheit, Natur, Selbstbestimmtheit und ein gewisser Trotz. Und mein Mann und ich lieben Game of Thrones, dadurch war der Name „Wildling“ sicherlich im Hinterkopf, er ist aber nicht direkt daran angelehnt.

Bild: Wildling Shoes