Kinderzeichnungen als App-Vorlage

Das gute alte Fotoalbum hat ausgedient. Statt Erinnerungen auf Film zu bannen werden sie heute geteilt – und verteilt. Auf Facebook, Twitter, Instagram, Flickr. Alles da, irgendwo, aber oft verschüttet in Datenlawinen und immer nur solange in greifbarer Nähe, bis die nächsten paar Posts und Tweets den Content unter sich vergraben.

Dan Kelly glaubt, zur Lösung dieses Problems eine App für die Massen geschaffen zu haben. Der gebürtige US-Amerikaner ist der Kopf hinter Yarnee, einer Anwendung fürs iPhone, die verwandte Fotos, Videos, Audio-Dateien und Texte in einzelnen Feeds bündelt und in einer Art multimedialem Fotoalbum beisammen hält. Mit Yarnee will der Silicon-Valley-Veteran auch in Deutschland groß raus kommen. Und das von Heidelberg aus.

Yarnee ist nicht Kellys erstes Projekt: Bereits 2006 gründet er Sparter, eine Börse für virtuelle Währungen. 2008 wird er zum CEO des Online-Sport-Magazins Bleacher Report, das wenig später unter das Dach von Time Warner wandert. Beim Karlsruher Online-Games-Entwickler Gameforge heuert er 2010 an, was mehrere Geschäftsreisen nach Deutschland mit sich bringt.

Im darauffolgenden Jahr bietet Gameforge Kelly an, ihn und seine Familie nach Deutschland zu holen. Kelly stimmt der Umsiedlung zu, der europäische Markt interessiert ihn schon länger. Seine Großeltern väterlicherseits stammen aus Irland, Jahre zuvor hatte er die irische Staatsbürgerschaft angenommen, seine Abschlussarbeit in Finance und Marketing über den European Communities Act geschrieben.

Gestern Gaming, heute Social Media

Nach seiner Zeit bei Gameforge will sich Kelly sein eigenes kleines Spiele-Imperium aufbauen und gründet Danke Games. Unter diesem Dach entsteht zuerst das mittelalterliche Facebook-Spiel Knights of the Rose, später die Tablet-App Big Cheer, die papierne Ansporn-Schilder am Spielfeldrand ersetzen soll. Doch Kelly, der sich selbst als großer Games-Liebhaber bezeichnet, wird das Segment zu heiß. „Gerade für ein kleines selbst-finanziertes Unternehmen im Gaming-Bereich wie unseres wurde das typische Risk-Return-Profil unattraktiv. Das war nicht das, was ich auf Dauer machen wollte“, sagt er heute.

Auf eine ganz andere Idee bringen ihn seine drei Töchter. Eines Abends präsentieren sie ihm ein Bündel selbstgemalter Zeichnungen – zusammengehalten durch eine Heftklammer – und erklären, sie hätten ein Buch gezeichnet: „Die einzelnen Bilder hatten rein gar nichts miteinander zu tun, es war zum Schreien. Dann fingen die Mädchen an, mir zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen. Das habe ich mit dem Smartphone aufgenommen. Am Ende stand ich da, mit den Bildern und den Audio-Dateien, und konnte diesen Content nirgendwo zusammenzufügen oder aufzubewahren“. Später erzählt Kelly seinen Kollegen davon, die von ähnlichen Situationen berichteten. Wo ist sie, diese eine Aufnahme, vor Monaten gemacht und vielleicht auf Facebook hochgeladen?

Kelly macht sich an die Arbeit und beginnt vor knapp zwei Jahren gemeinsam mit einem internationalen Team ein Tool zu entwickeln, das Abhilfe versprechen würde. Die Mitarbeiter-Suche in der näheren Umgebung will allerdings nicht so recht anlaufen. Zu wenig Talent gibt es zwischen Main, Rhein und Neckar für einen, der die Konzentrierung eines Silicon Valleys gewohnt ist. Daher schaut sich Kelly in ganz Europa um – und wird unter anderem in Weißrussland, Schottland und Rumänien fündig. In Europa sei es einfacher mit einem spannenden Unternehmenskonzept an Leute vom Fach zu kommen als im Valley. Warum? Weniger Konkurrenz. Dafür, so der Eindruck Kellys, stünde aber auch weniger Startkapital bereit.

Mode-Fotos und Glockengebimmel

Heute gibt es Kellys App in zehn Sprachen. Damit soll gleich die halbe Welt bestehende Inhalte, die bereits auf Instagram und Co. herumschwirren, einsortieren und den Überblick über sie behalten. Yarnee speist sich zwar aus anderen sozialen Netzwerken, die mit der App erstellten Media-Galerien, sogenannte Yarns, lassen sich per Embedded Code aber auch anderswo einbinden. Eine Mode-Bloggerin etwa nutze Yarnee, um Vintage-Kleider-Alben auf ihrem Blog zu präsentieren. Simon Brüchner, IT-Verantwortlicher bei Yarnee, berichtet, er habe Fotos von Kirchen gemacht, das Läuten der Glocken aufgezeichnet und die Dateien in ein Yarn gepackt.

Kellys eigene Fotos, die vom Italien-Urlaub mit seiner Frau zum Beispiel, sind öffentlich. Aber: „Wir wollen unsere Nutzer selbst darüber entscheiden lassen, ob sie Inhalte mit der Welt teilen oder privat halten möchten“, so der Gründer. Etwa zwei Drittel aller Yarns würden freigegeben.

Das klingt zwar alles ganz gut, wie sich die Sache tragen soll wird allerdings nicht direkt deutlich. Die App selbst ist kostenlos – und soll es auch erstmal bleiben, wie Kelly anklingen lässt: „Wir konzentrieren uns zunächst auf die Qualität der App, auf ein Wachstum der Nutzerschaft, erst dann werden wir über kostenpflichtige Features nachdenken. Das ist der Sillicon Valley Way. Man kann eine Sache nicht zu Geld machen, bevor die Kunden nicht absolut zufrieden mit ihr sind. Sonst bekommt man Schwierigkeiten.“ Im vergangenen Jahr gab es eine Family-and-Friends-Runde für Yarnee. Für 2015 ist die erste externe Finanzierung angesetzt.

In Heidelberg lautet das große Ziel also: Die Masse erreichen, digitale Erinnerungen davor bewahren, ins Nirwana befördert zu werden. Was die Zukunft seiner App angeht ist Kelly optimistisch: „Jeder nimmt Fotos und Videos mit seinem Handy auf. Also ist quasi jeder Smartphone-Besitzer auf der Welt ein potenzieller Kunde von uns.“

Bild: Yarnee