Mirko Caspar (l.) und Dirk Graber sind die Geschäftsführer des Online-Brillenhändlers Mister Spex.

Es ist ein mühsames Geschäft, Brillen online zu verkaufen. Gerade einmal 4,1 Prozent des Branchenumsatzes in Deutschland entfielen 2016 auf den digitalen Handel – 250 Millionen Euro. Dieser Betrag hat sich gegenüber 2011 zwar verdoppelt, dennoch geht der Durchschnittskunde eher zu einem der 12.000 handwerklichen Betriebe als ins Internet, wenn er schlecht sieht.

Der Berliner Online-Optiker Mister Spex will das ändern. Seit zehn Jahren ist das Startup in der Branche aktiv, hat in dieser Zeit drei Millionen Kunden gewonnen, das Geschäft auf zehn Märkte internationalisiert und versendet an guten Tagen bis zu 15.000 Brillen an Kunden. Die Geschäftsführung beziffert den Jahresumsatz des vergangenen Jahres mit mehr als 100 Millionen Euro. Wie viele Brillen genau verkauft werden, wollen die beiden Geschäftsführer Dirk Graber und Mirko Caspar nicht sagen. Wegen der Konkurrenz.

„Alle Optionen offen“ für den Börsengang

Auch wenn es um die Zukunft geht, sind die Chefs eher verschwiegen. Vor 18 Monaten hatte sich Graber in der Welt am Sonntag noch weit aus dem Fenster gelehnt und angekündigt, entweder binnen 36 Monaten an die Börse gehen oder an einen strategischen Investor verkaufen zu wollen. Von diesem Zeitraum ist die Hälfte verstrichen.

Am Mittwoch hieß es anlässlich des zehnjährigen Firmenjubiläums dazu: „Wir halten uns alle Optionen offen. Nichts ist konkret in der Planung“. Graber kritisierte, an der deutschen Börse herrsche ein „unterentwickeltes Verständnis für junge Wachstumsunternehmen“ vor. „Alle digitalen Börsengänge in Deutschland waren im Milliardenbereich.“ Davon ist Mister Spex noch weit entfernt.

Digitale Transformation beschleunigt

So bleibt dem jungen Unternehmen, seinen durchweg analogen Mitbewerbern – allen voran den Filialisten Fielmann und Apollo – Marktanteile abzujagen. „Wir sehen viel Potenzial. In den letzten zwei bis drei Jahren hat die Geschwindigkeit des Umbruchs zugenommen“, sagte Graber. Eine Triebfeder ist die Unzufriedenheit der Verbraucher beim Brillenkauf. „Für zwei Drittel der Bevölkerung ist der Brillenkauf eher Qual als positives Kauferlebnis“, zitiert Caspar aus einer Verbraucherstudie.

Mister Spex verfolgt ein Omnichannel-Konzept – also ein Mix aus Online- und Offlinehandel in sechs eigenen Geschäften und bei mehr als 500 Partneroptikern. Der stationäre Anker ist noch wichtig, denn einen verlässlichen Online-Sehtest wird es frühestens in einem Jahr geben. Dieser Evolutionsschritt könnte dann die weitere Digitalisierung des Brillengeschäfts beschleunigen. Alle anderen Etappen des Brillenkaufs wurden bereits digitalisiert: von der virtuellen 3D-Anprobe über die Auswahl am Bildschirm bis hin zum Versand eines Pakets mit vier alternativen Modellen mit Rücknahmegarantie und einfachen Gratisgläsern.

Roboter sortiert Kontaktlinsen 

Das Unternehmen setzt auf größtmögliche Automatisierung. Im neuen Berliner Logistikzentrum fräsen zwei Vollautomaten die Gläser zurecht. Eine dritte Maschine soll demnächst angeschafft werden. Pro Brille dauert das eine Minute. An einer anderen Stelle entnimmt ein Roboter einem Hochregallager Kontaktlinsen und bereitet sie für den Versand vor. Geplant ist auch eine Produktionsstrecke für Gläser und Gestelle, was aber eine Investition von fünf Millionen Euro erfordern würde. „3D-Printing bei Glas und Brille wird kommen“, sagt Graber. „3D-Druck gibt uns auch die Möglichkeit, schneller auf Trends reagieren.“ Bislang dauern die Vorlaufzeiten für neue Kollektionen vier bis sechs Monate.

Technische Innovationen werden auch das Berufsbild des Optikers ändern. „Momentan ist der Optikerberuf noch handwerklich geprägt, das wird sich in Richtung Dienstleistung entwickeln“, sagt Graber. „Automatische Maschinen ersetzen das Handwerk.“ Der Großteil der Branche hat diesen Schritt noch nicht vollzogen: die kleinen handwerklichen Betriebe genauso wenig wie die beiden großen Ketten. „Die Digitalisierung ist eine Riesenchance, die sollten wir nutzen“, sagt Caspar. Mister Spex erwartet, dass sich die Zahl der Betriebe in den nächsten zehn Jahren halbieren wird.

In Kernmärkten seit 2016 profitabel

Mister Spex mit mehr als 450 Mitarbeitern und drei Millionen Kunden ist in zehn Ländern aktiv – als nächstes soll Schweden dazu kommen. In seinen Kernmärkten arbeitet das Startup nach Angaben der Geschäftsführung seit 2016 profitabel. Anfang 2015 hat Mister Spex eine Finanzierungsrunde über 32 Millionen Euro mit der Investmentbank Goldman Sachs als Hauptinvestorin abgeschlossen. 

Ungefähr jeder zweite Deutsche trägt eine Brille. 2016 gingen in Deutschland mehr als zwölf Millionen Brillen über den Ladentisch. Deutsche seien da sehr konservativ. „In Deutschland wird eine Brille gekauft, wenn die alte kaputt ist oder die Sehstärke nicht mehr stimmt. Kunden in Südeuropa sind da viel modischer geprägt“, sagt Caspar.

Heureka Conference – The Startup and Technology Conference

Triff Mirko Caspar, Managing Director von MisterSpex, auf der HEUREKA – The Startup & Tech Conference am 12. Juni 2019 in Berlin.

Bild: Mister Spex