André Borschberg legte 40.000 Kilometer im Solarflugzeug zurück.

Die Luftfahrt steht vor ihrer dritten Revolution: Nach der Motorisierung (1903) und der Einführung der Düsentriebwerke (um 1960) werden 2020 Hybridflugzeuge auf den Markt kommen, die mit Elektroantrieb starten und landen. Bereits in zehn Jahren könnte das erste elektrisch angetriebene Flugzeuge mit 90 Sitzen abheben. Das erwarten Rolf Henke, Vorstand des German Aerospace Center (DLR), und Frank Anton, der bei Siemens Elektro-Flugzeuge plant.

Solar-Startup setzt Maßstäbe

Wo Henke und Anton hin wollen, ist André Borschberg schon gewesen. Er ist bereits in der Zukunft des Fliegen angekommen und hat bewiesen, dass Elektromobilität in der Luft möglich ist. Der Luftfahrtpionier ist 2015/2016 ohne einen Tropfen Sprit mit seinem Solarflugzeug Solar Impulse einmal um die Erde geflogen und hat dabei eine Strecke von 40.000 Kilometern zurückgelegt. „Als wir das Projekt begonnen haben, wurde uns gesagt, das geht nicht“, erinnert sich der Ingenieur. Es ging doch.

Das Solarflugzeug Solar Impulse mit dem Gewicht eines Pkw (1600 kg) und der Spannweite eines Jumbo-Jet (63 Meter) gewinnt seine Energie aus 200 Quadratmetern Solarzellen, die auf den Tragflächen angebracht sind. Es wird von vier Elektromotoren mit nur 7,35 Kilowatt Leistung angetrieben.

Entscheidend dabei war die Überzeugung. „Man muss die Grenzen im Kopf überwinden“, sagt Borschberg. „Es ging nicht so sehr um die Technologie , es ging um den Mindset.“ Wie schwer das ist, wurde ihm klar, als einige Ingenieure vor der schwierigsten Etappe der Weltumrundung, der Pazifik-Überquerung, aufgeben wollten. Am Mindset wird sich die Zukunft des Fliegens generell entscheiden.

Das Solarflugzeug landet nach der Weltumrundung auf dem Airport in Abu Dhabi.

Borschberg ist sicher, dass die Innovation der Luftfahrt nicht von heute auf morgen funktioniert. „Es brauchte eine Dekade, bis sich Kohlenstoff-Fasern als Baustoff für Flugzeuge durchsetzten“, nennt er zurückblickend ein Beispiel für die Schwerfälligkeit der Branche.

Die ersten Schritte sind gemacht. Noch im Sommer 2018 sollen geräuscharme elektrische Schulungsflugzeuge seines Startups fertig sein. „In etwa zehn Jahren werden Hybridflugzeuge auf dem Markt sein, die elektrisch starten und landen“, blickt er in die Zukunft. Danach kommen mittelgroße Kurzstreckenflugzeuge.

Preis für Konzept-Flugzeug aus der TU München

Wie der Kurzstrecken-Luftverkehr der Zukunft aussehen könnte, haben Christian Decher, Daniel Metzler und Varga Soma von der TU München erforscht. Ihr mit dem Designpreis der US-Raumfahrtbehörde Nasa ausgezeichnetes Konzept „Urban Liner“ ist ein Hybrid mit einem Strahltriebwerk zwischen den Leitwerken und elektrischen Antrieben, die in die Flügel integriert sind.

Das Flugzeug sollte leiser und umweltfreundlicher als herkömmliche Maschinen sein. So wurde auf Landeklappen verzichtet. „Das senkt den Lärm“, sagt Decher. Das Flugzeug für 300 Passagiere erzeugt 80 Prozent weniger Stickoxide und verbraucht 70 Prozent weniger Treibstoff als ein Airbus A 321, sagt Christian Decher. In zehn bis 20 Jahren, glaubt er, könnten Flugzeuge wie der „Urban Liner“ in Serie produziert werden.

Die Angst der Menschen bremst die Innovation

Die Technologie ist für die Luftfahrt die eine Sache, die Einstellung der Passagiere eine andere. Werden sie elektrisch angetriebenen Flugzeugen vertrauen? Doch wie steht es mit anderen Disruptionen – etwa mit künstlicher Intelligenz, die über kurz oder lang die Piloten im Cockpit ersetzen wird.

„Es geht um Vertrauen“, sagt Marc Allen, der Präsident von Boeing. „Die Kunden bestimmen die Dynamik des Marktes.“ Seine Prognose: Die Branche steht an einem Wechsel von der Hardware-Welt in die Software-Welt. Allen sieht in Flugzeugen mit einem Piloten die nächste Disruption der Luftfahrt. Daran führt wohl kein Weg vorbei, wenn sich der Luftverkehr – wie erwartet – in den nächsten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Airbus-Chef Tom Enders nennt eine Zahl: „Dann werden 600.000 Piloten gebraucht. Diese Herausforderung ist zu bewältigen.“

Das wird dazu führen, dass das Flugzeug der Zukunft anders aussieht als das heutige, sagt Patrick Ky, (Executive Director, EASA). „Im Mittelpunkt des herkömmlichen Flugzeugs steht der Mensch im Cockpit, weil man dem Piloten zutraute, Risiken einschätzen zu können. In der Zukunft macht das künstliche Intelligenz.“ Er sieht hier einen Paradigmenwechsel. Auch das Kabinen-Design werde sich ändern, prophezeit der Technik-Chef der Lufthansa, Johannes Bussmann. Die Kunden mögen das heutige Design nicht.

Airbus teilt Flugzeug-Daten

Erst in jüngster Zeit hat die Luftfahrtindustrie die Bedeutung von Daten erkannt. Airbus hat Mitte 2017 die Open Data Plattform Skywise gestartet. „Das Teilen von Daten wird die Industrie umwälzen“, sagt Airbus-Chef Tom Enders. Dabei denkt er an Programme, die Störungen vorhersagen können. Bisher habe man 99 Prozent der Daten, die Flugzeuge produzieren, nicht verwertet.

„Wir leben in einer aufregenden Zeit, wenn wir an all die Revolutionen denken, die in den nächsten beiden Dekaden in der Luftfahrt geschehen werden“, sagt Jaiwon Shin (Associate Administrator Aeronautics, NASA). Damit meint er Flugtaxis, Elektro- und Überschallflugzeuge. Er vergleicht die diese Revolution mit der Einführung des Smartphones. Sie wird unser Leben ebenso dramatisch verändern. 

Bilder: Jürgen Stüber, Gettyimages