Insiderwissen vorhanden?

Überdurchschnittlich erfolgreiche Aktieninvestments gelingen systematisch nur dann, wenn man bessere Informationen als die anderen Marktteilnehmer hat oder zumindest die vorhandenen Informationen intelligenter verwertet.

Als Internet-Brancheninsider hat man eine gute Chance, in den Bereichen Marktwissen, Trends und Produkt tatsächlich einen legalen Wissensvorsprung zu haben – Bänker- und professionelle Händler orientieren sich bei Ihren Bewertungen größtenteils an Finanzinformationen wie der GuV und der Bilanz und ignorieren dadurch teilweise wichtige Zusatzinformationen. Diesen Wissensvorsprung kann man für erfolgreiche Investments nutzen – oder sich Verlust bringende Investments ersparen.

Grund genug, sich mal anzuschauen, ob es Chancen gibt, mithilfe der Internet-IPOs und der bereits notierten Internet-Aktien Geld zu verdienen.

Bewertungen von Unternehmen am Aktienmarkt

Kurzfristig werden die Kurse wie an jedem Markt durch Angebot und Nachfrage festgelegt. Langfristig orientieren sich die Börsenkurse beziehungsweise Marktwerte von Unternehmen an den erwarteten Gewinnen in der Zukunft. Nicht-wachsende Unternehmen werden in normalen Börsenzeiten daher typischerweise mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) von zwölf bis 14 an der Börse gehandelt. (Dies entspricht rechnerisch in etwa einer Verzinsung von sieben bis acht Prozent). Wachsenden Unternehmen wird in Erwartung steigender Gewinne ein höheres KGV zugestanden.

Wie viel ist Facebook wert?

Facebook wird basierend auf den aktuellen Secondary-Market-Transaktionen mit derzeit 80 Milliarden US-Dollar bewertet. Facebook soll in 2011 rund vier Milliarden US-Dollar Umsatz machen. Basierend auf der Vorjahresrendite von 25 Prozent wird von etwa einer Milliarde Gewinn ausgegangen. Es ergibt sich ein rechnerisches KGV von 80. Anleger beziehungsweise Journalisten, die sich bei der Unternehmensbewertung einseitig am KGV orientieren, rufen bei derartig hohen KGVs in der Regel reflexartig „Blas“ und erinnern ans Jahr 2000. Ich halte dies für zu undifferenziert und denke, die aktuelle Facebook-Bewertung lässt sich anhand folgender Überschlagsrechnungen gut rechtfertigen:

  • Facebook hat derzeit 800 Millionen Nutzer und wird in einigen Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit 1,5 Milliarden Nutzer haben.
  • Facebook wird seine Nutzerbeziehungen und Daten nutzen, um in weitere Geschäftsfelder wie zum Beispiel auch Search vorzudringen, und hierdurch zusätzliche Umsatzquellen erschließen.
  • Google macht derzeit pro Nutzer und Jahr etwa 20 US-Dollar Umsatz.
  • Legt man denselben Wert mittelfristig für Facebook zugrunde, dann kommt man bei 1,5 Milliarden Nutzern und 20 US-Dollar Umsatz/Nutzer auf einen mittelfristigen Umsatz von 30 Milliarden US-Dollar.
  • Aufgrund der hohen Skalierbarkeit des Geschäftsmodells und starker Eintrittsbarrieren sind Margen von 40 Prozent oder mehr sehr realistisch für Facebook. Hiermit käme Facebook dann auf zwölf Milliarden Dollar Gewinn. Legt man nun ein Wachstums-KGV von 25 an, erhält man eine Bewertung von 300 Milliarden US-Dollar.
  • Das Ende der Fahnenstange muss damit jedoch noch nicht erreicht sein. Wenn Facebook langfristig das dominante Social Network bleibt, wovon aktuell trotz Google+ (noch) auszugehen ist, kann es noch durchaus noch deutlich weiter hinaus gehen.

Diskontiert man diese Zukunftsbetrachtungen nun und vergleicht sie mit der derzeitigen Marktbewertung von 80 Milliarden US-Dollar beziehungsweise der kolportierten IPO-Bewertung von 100 Milliarden im nächsten Frühjahr, ist es ungerechtfertigt, von einer Blasenbewertung sprechen.

Voraussetzung für weitere Kursgewinne, vom derzeitigen 80 Milliarden US-Dollar Level, ist, dass man davon ausgeht, dass Facebook seinen Wachstumspfad halten kann. Das Schöne aus Sicht des Internet-Insiders ist nun: Wir bekommen früher mit als die rein finanzorientierten Wall-Street-Bänker, wenn sich die Marktstellung von Facebook beispielsweise zugunsten von Google+ dramatisch verändert. Nimmt man diese Frühindikatoren zur Hilfe, kann man als legaler Insider noch rechtzeitig verkaufen, bevor die Produkt- und Nutzerentwicklungen sich in den für die Börse maßgeblichen Finanzkennzahlen widerspiegeln.

Erfolgsaussichten von Zyngas Aktie

Die mittelfristigen Erfolgsaussichten von Zyngas Aktie lassen sich weniger zuverlässig prognostizieren. Zyngas Erfolg der vergangenen Jahre ist bereits in die aktuelle Bewertung eingepreist. Marktexperten halten Zynga bereits auf dem aktuellen Level teilweise für überbewertet. Anders als Facebook verfügt Zynga gegenüber Wettbewerbern nur über deutlich weniger nachhaltige USPs. Zudem ist der Spielemarkt ein Markt, der ähnlich wie das Filmgeschäft von nur begrenzt kalkulierbaren „Blockbustern“ lebt.

Weiteres Wachstum ist zwar auch für Zynga möglich – aber keinesfalls so klar vorgezeichnet wie für Facebook.

Spekulation auf Kursgewinne am ersten Zeichnungstag

Ungeachtet der schwierigen Prognostizierbarkeit des langfristigen Erfolgs von Unternehmen gibt es trotzdem Chancen, kurzfristig von heiß erwarteten (Internet)-IPOs zu profitieren – sofern man Aktien bei der Neuemission zugeteilt bekommt. LinkedIn und Groupon haben beispielsweise am ersten Tag der Börsennotierung bis zu 209 Prozent beziehungsweise 40 Prozent an Wert gewonnen.

Ein wichtiger Grund hierfür liegt auf der Hand: Börsenkurse ergeben sich wie oben geschildert aus Angebot und Nachfrage. Angebot und Nachfrage werden langfristig durch die Ertragsaussichten des Unternehmens am stärksten beeinflusst. Kurzfristig spielen aber auch spekulative Elemente, Unwissenheit beziehungsweise Irrationalität von Marktteilnehmern und der Effekt des IPO-Marketings beziehungsweise Sichtbarkeit des Börsengangs wichtige Rollen.

Gerade bei den großen und populären B2C-Internet-Unternehmen wie beispielsweise Linkedin und Facebook ist davon auszugehen, dass sehr viele zufriedene Kunden/Nutzer des Produkts vom Pressewirbel um den IPO angelockt werden. Diese teils wenig professionellen und informierten Marktteilnehmer kaufen teilweise, ohne über eine faire Unternehmensbewertung im Bild zu sein.

Da bei den zuletzt gesehenen IPOs, sowie auch dem von Facebook erwarteten IPO, aber jeweils nur ein kleiner Teil der Unternehmensanteile an die Börse gebracht wird, kommen nicht alle Kaufwilligen direkt bei der Neuemission zum Zug. Diese Käufer (und zusätzliche Spekulanten) kaufen nun am ersten Tag beziehungsweise in den ersten Tagen nach der Notierung. (Vorübergehend) steigende Kurse sind die logische Marktfolge. Linkedin, Groupon (und auch viele IPOs während der Bubble der Neunziger) haben daher sehr starke Kursanstiege direkt am ersten Börsentag gesehen. Dass diese Kursanstiege nur dann von Dauer sind, wenn die Unternehmenssubstanz die Bewertung langfristig rechtfertigt, erklärt sich von selbst. Gelingt es überzeichnete Aktien schon zur Neuemission zu kaufen – was nicht immer leicht ist -, winken dafür häufig hohe kurzfristige Wertsteigerungen.

Hohen Chancen dieser kurzfristigen Strategie stehen jedoch auch hohe Risiken gegenüber: Wer am falschen Tag kauft beziehungsweise verkauft und/oder kein sinnvolles Limit angibt, kann bei den stark schwankenden Kursen einen Großteil des Investments in kurzer Zeit verlieren. Um Zynga noch während der Neu-Emission zu kaufen, ist es inzwischen ohnehin zu spät. Zudem hat Zynga-Konkurrent Nexon jüngst den ersten Börsentag mit einem Minus abgeschlossen. Dennoch wage ich zu prognostizieren: Beim voraussichtlich sehr stark überzeichneten Facebook-IPO sollte man über diese Strategie noch mal nachdenken.

Der große Amazon-Apple-Facebook-Google-Plattformen-Cocktail

Ein defensiveres und trotzdem aus meiner Sicht langfristig sehr erfolgversprechendes Internet-Aktieninvestment besteht aus einer Mischung der vier großen Internetplattformen im Portfolio. Die Bewertungen sind im Vergleich zu den Unternehmenspotenzialen aktuell noch vergleichsweise moderat. Lediglich Amazon weist ein hohes KGV auf, dies liegt jedoch vor allem daran, dass Amazon traditionell aggressiv in Wachstum investiert anstatt Gewinne abzuwerfen. Wer jetzt gleichzeitig Google, Apple, Amazon und (sofern persönlich möglich) Facebook ins Portfolio legt, der wird meiner Meinung nach mit vergleichsweise hoher Sicherheit vom nachhaltig wachsenden Plattformgeschäft profitieren. (Wie man als akkreditierter Investor schon jetzt mit einem Investment ab 100.000 US-Dollar Facebook-Aktien vorbörslich erwerben kann, hatte ich hier beschrieben.)

Brancheninsider haben bei dieser Plattform-Cocktail-Strategie wiederum den Vorteil, dass sie Veränderungen in der Marktlage oder Produktqualitäten bereits dann erkennen, bevor diese sich deutlich in den Finanzen und damit den Börsenkursen niederschlagen. Welcher Internet-Kenner hätte intuitiv nicht schon seit Jahren auf einen weiteren Verfall von Yahoo gewettet?

Es bleibt jedoch wie bei jeder „Ein-Branchen-Strategie“ ein Diversifikationsrisiko, von dem jedes Börsenlehrbuch abraten würde.

Was wäre, wenn das Internet nur so ein vorübergehender „Trend“ ist…?

Ich denke, dieses (theoretische) Risiko lässt sich eingehen. Den Eintrittsfall würde der typische Gründerszene-Leser ohnehin frühzeitig bemerken und wenn nicht, hätte er ohnehin größere Probleme als sein Aktiendepot.

Disclaimer:

Der Autor hält über sein Investmentvehikel JB-Ventures GmbH derzeit Aktien beziehungsweise vorbörsliche Anteile an mehreren im Artikel genannten Unternehmen: Amazon, Apple, Google und Facebook. Es wird keinerlei Garantie für den zukünftigen Erfolg empfohlener Investmentstrategien oder die Korrektheit aller geschilderten Sachverhalte übernommen.

Bild: Disney