Finleap-Chef Ramin Niroumand plant den nächsten großen Coup.
Finleap-Chef Ramin Niroumand plant den nächsten großen Coup.

Dass Finleap auch jetzt schon eine vorzeigbare Story ist, wird niemand ernsthaft bestreiten. Seit der Gründung 2014 hat der Berliner Company Builder mehr als ein dutzend Fintechs hervorgebracht, darunter verheißungsvolle Startups wie die Solarisbank, den Versicherer Element oder den Private-Banking-Digitalisierer Elinvar, bei dem kürzlich Goldman Sachs eingestiegen ist.

Vergleichbare Player gibt es in Europa keine. Auch das war ein Grund, warum der chinesische Versicherungskonzern Ping An auf der Suche nach einem europäischen Brückenkopf im vergangenen Jahr auf Finleap stieß – und im Herbst 40 Millionen Euro in den Fintech-Brutkasten investierte.

Indes, so hübsch Finleap auch dastehen mag: Ein Asset sucht man im Portfolio des Berliner Inkubators bislang vergeblich – nämlich einen Herausforderer für die Finanzbranche im Endkundengeschäft.

Nun jedoch will Finleap mithilfe von Ping An einen solchen Herausforderer bauen, wie Gründerszene und Finanz-Szene.de aufgedeckt haben. Insidern zufolge geht es um den Aufbau eines neuen Vergleichsportals und damit eines direkten Konkurrenten zum Münchner Vergleichsriesen Check24.

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Diese Geschichte ist mehr als einfach nur das nächste Finleap-Venture. Es ist: der Clash zwischen alter und neuer Fintech-Welt.

Tatsächlich kommt der Vorstoß aus Berlin weniger überraschend, als es auf den ersten Blick scheint. Check24 – gegründet 1999 als Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen – ist so etwas wie das große deutsche Ur-Fintech. Während Startups wie N26, die Solarisbank oder eben Finleap gewissermaßen die Nachfolger sind. Heute ist das Hauptgeschäft von Check24 die Vermittlung von Finanzprodukten. Eingeweihte berichten, bei der Entwicklung neuer Finleap-Unternehmen sei Check24 von Anfang an ein Fixpunkt gewesen.

  • Mit dem Launch des Online-Versicherungsmaklers Clark beispielsweise kam Finleap dem größten europäischen Vergleichsportal 2015 schon einmal auffällig nahe.
  • Der Einstieg beim Affiliate-Spezialisten Financeads wiederum zeigte: Finleaps Credo besteht nicht nur aus Technologie, sondern auch aus Marketing – der großen Stärke von Check24.
  • Und auch mit dem Aufbau des B2B-Kontowechsel-Spezialisten Finreach bewegte sich Finleap tendenziell in Richtung Check24, das auf Vertragswechsel spezialisiert ist, selbst wenn zwischen den beiden Unternehmen kein unmittelbares Konkurrenzverhältnis besteht.

Und umgekehrt? Scheut sich Check24 im Zweifel auch nicht, von Finleap und Konsorten abzukupfern. So sagte Check24-Geschäftsführer Christoph Röttele vor zwei Jahren in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Capital“: „Wir gehen jetzt genau in die Segmente hinein, die momentan noch von Fintechs besetzt sind.“ Bei einem der Tools, die Check24 damals startete, handelte es sich um einen sogenannten digitalen Versicherungsordner – eine direkte Replik auf die Gründung des Online-Maklers Clark durch Finleap.

Die nötigen Werkzeuge zum Angriff auf Check24 haben die Berliner beisammen. Dank Clark konnten sie Expertise im Maklergeschäft sammeln, mit Financeads spielen sie im europäischen Finance-Marketing vorne mit. Nicht zu vergessen: Seit der Übernahme von Figo befindet sich unter dem Finleap-Dach (neben der Kontowechsel-Expertise, die von Finreach kommt) auch Kompetenz für API-Schnittstellen. Das kann nicht schaden, wenn es gilt, unterschiedlichste Finanzprodukte von unterschiedlichsten Anbietern in eigene Angebote zu integrieren.

Finleap-Topmanagerin Carolin Gabor war zudem Geschäftsführerin von Toptarif, einem frühen Check24-Konkurrenten, der später von Verivox (also der Nummer zwei im deutschen Vergleichsmarkt) geschluckt wurde. Fehlt eigentlich nur noch das nötige Kleingeld, um in die vermutlich unausweichliche Marketingschlacht gegen Check24 einzusteigen. Doch dafür dürfte Ping An sorgen, dessen Jahresumsatz zuletzt bei umgerechnet 135 Milliarden Euro lag.

Die Frage ist: Reicht das alles, um 15 bis 20 Jahre Vorsprung auszugleichen? Zumal: Check24 ist beileibe nicht der einzige große Konkurrent. Hinter Verivox steht der Prosieben-sat.1-Konzern – mit entsprechender medialer Reichweite. In Teilbereichen des Vergleichsgeschäfts haben sich zudem ambitionierte Spezial-Player etabliert, etwa Finanzcheck und Smava bei Krediten. Diese Beispiele zeigen auch: Check24 ist nicht unantastbar. Und: Es gibt eine Menge zu verteilen.

Ein paar Zahlen, die das unterstreichen:

  • Die bislang konkretesten Zahlen zu Check24 lieferte vor gut zwei Jahren das „Manager Magazin“. Demnach wurden über die Vergleichsplattform im Geschäftsjahr 2015/16 Waren und Dienstleistungen im Wert von 15 bis 20 Milliarden Euro umgesetzt, bei Check24 blieb echter Umsatz (sprich: Provisionserträge) in Höhe von rund 500 Millionen Euro hängen. Angesichts eines jährlichen Wachstums von – zumindest damals noch – bis zu 50 Prozent wird klar: In diesem Markt geht es, anders als in einigen Fintech-Spezialsegmenten, um richtig viel Geld.
  • Dass der Vergleichsmarkt, wenn man es richtig anstellt, auch schnelle Erfolge hergibt, bewies der Kreditvergleicher Finanzcheck. Gegründet 2012, wuchsen die Hamburger so rasch, dass die Gründer das Fintech im vergangenen Jahr für rund 275 Millionen Euro an die Scout-Gruppe verkauften. Ein Initialinvestment in dreistelliger Millionenhöhe, wie es bei Finleap, Ping An und Co. im Raum steht, kann sich theoretisch also relativ bald amortisieren.
  • Finanzcheck – das wurde im Zuge des Verkaufs bekannt – vermittelte 2017 Konsumentenkredite im Wert von 1,06 Milliarde Euro. In einer Marktanalyse schätzte Finanz-Szene.de, dass Smava damals auf etwa 1,2 Milliarden Euro kam, Check24 auf etwa 2,5 bis 3 Milliarden Euro.  Dazu muss man aber wiederum wissen: Der gesamte Ratenkreditmarkt dürfte rund 90 Milliarden Euro schwer sein. Wenn die drei großen Vergleichsportale hiervon aber nur 6 bis 7 Prozent vermittelten, dann zeigt das vor allem eines:  Das Marktpotenzial ist enorm, wenn man davon ausgeht, dass der Online-Anteil in den kommenden Jahren weiter wächst.
  • Das gilt natürlich genauso für den Versicherungsmarkt, der – schaut man auf den Gesamtvertrieb, nicht nur auf online – immer noch ganz wesentlich von klassischen Playern wie DVAG oder AWD bestimmt wird. Auch das könnte sich im Laufe der nächsten Jahre allmählich ändern. Und auch dieses Potenzial hat Finleap natürlich im Blick.

Das heiß nicht, dass die Pläne zum Selbstläufer werden. Denn der Wettbewerb im Internetvertrieb ist knallhart – und der vielleicht wichtigste Spieler heißt nicht Check24, sondern Google. Die Amerikaner sind in den vergangenen Jahren in einigen Ländern beziehungsweise Segmenten immer tiefer ins Vergleichsgeschäft vorgedrungen. Doch selbst in Märkten, in denen sie das nicht tun, verdienen sie über ihr Werbesystem „Googleads“ kräftig mit. Beispiel: Laut Nielsen-Zahlen hat Check24 im vergangenen Jahr zwar satte rund 170 Millionen Euro für TV-Werbung ausgegeben – die Google-Ausgaben der Münchner allerdings sollen Insidern zufolge sogar noch höher sein.

Schon vor Jahren hieß es, dass im Herbst, wenn die Wechselsaison für Kfz-Policen ansteht, ein entsprechender Klick bei Google (zum Beispiel bei Suchbegriffen wie „Autoversicherung wechseln“) bis zu zehn Euro kosten kann. Einfache Rechnung: Bei einer realistischen Conversion Rate von fünf Prozent zahlten Vergleichsportale damals zu Hochzeiten also rund 200 Euro pro Kunde (20 Klicks à 10 Euro, um einen Kunden zu gewinnen).

Die Portale erhielten ihrerseits aber nur eine Provision von realistischerweise rund 100 Euro vom Versicherer. Und seitdem? „Sind die Akquisekosten über Google bei Finanzprodukten nochmal um sicherlich 50 Prozent gestiegen“, so ein Insider. „Das ist ein brutaler Wettbewerb, der da tobt.“

Kein leichtes Feld, dass sich Finleap ausgesucht hat. Aber im Erfolgsfall ein sehr lukratives.

Bild: Finleap