Der Onlinedienst Wenigermiete.de ist eine Marke seines Startups Lexfox: CEO Daniel Halmer

Schon vor Wochen war Daniel Halmer zuversichtlich. Nach der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im Oktober sagte der Lexfox-CEO und Rechtsanwalt in einer Videobotschaft, dass es „ein guter Tag nicht nur für uns, sondern für alle Mieterinnen und Mieter und für alle Verbraucher in Deutschland“ sei. Man warte „freudig gespannt“ auf das Urteil. Jetzt ist es da: Der BGH hat in letzter Instanz zugunsten des Startups entschieden (AZ: VIII ZR 285/18).

Das Unternehmen leiste keine unzulässige Rechtsberatung, sondern sei im Schwerpunkt als Inkassounternehmen tätig, so die Richter. In der Entscheidung heißt es, dass die „für den Mieter erbrachten Tätigkeiten der Klägerin […] von der erteilten Erlaubnis gedeckt sind.“ Dies gelte sowohl für den Mietpreisrechner als auch für die Erhebung der Rüge. Das Inkassobefugnis werde nicht überschritten. Das Urteil ist rechtskräftig.

In dem Fall ging es um die Frage, ob das Geschäftsmodell, das die Lexfox-Marke Wenigermiete.de verfolgt, durch die Inkassolizenz abgedeckt ist. Wenigermiete.de verdient Geld, indem es Mietern hilft, Rechtsansprüche durchzusetzen, etwa bei der Mietpreisbremse. Über ein Online-Tool auf der Webseite des Anbieters können Verbraucher prüfen, ob sie zu viel Miete zahlen. Ist das der Fall, können sie ihre Forderungen an das Unternehmen abtreten. Dabei ist das Startup als Inkassounternehmen tätig, über eine Rechtsanwaltslizenz verfügt es nicht. Der Kunde zahlt nur im Erfolgsfall.

Durch die technologische Unterstützung kann Wenigermiete.de die Forderungen günstiger durchsetzen als ein Anwalt. Außerdem darf das Startup als Inkassounternehmen seine Honorare freier bestimmen. Das bringt es aus Sicht einiger Juristen in eine starke Konkurrenzsituation zu klassischen Kanzleien. Rechtsanwaltskammern sehen in dem Angebot eine unerlaubte Rechtsdienstleistung, zu der eine Inkassolizenz allein nicht befuge. Diese Bedenken hat der BGH in seinem Urteil nun aus dem Weg geräumt.

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Noch vor dessen Verkündung hieß es in Medienberichten, dass die Entscheidung Folgen für die gesamte Legaltech-Branche haben könnte. Dazu gehören beispielsweise auch Flugrechte-Startups wie Flightright oder Jungunternehmen, die Geschädigten im Abgasskandal helfen wollen. Wir haben den Anwalt Philipp Caba von der Berliner Kanzlei Gansel Rechtsanwälte um eine Einschätzung gebeten.

Herr Caba, was bedeutet das Urteil für die Legaltech-Branche?

Für die Branche ist es ein spektakuläres Urteil, für Lexfox ein Sieg auf ganzer Linie. Die Anwälte, die sich lange gegen diese liberale Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes gewehrt haben, wollten den Lauf des Wassers aufhalten – und das geht nicht. Wasser sucht sich immer seinen Weg.

Welches Signal sendet das an Verbraucher in Deutschland?

Verbraucher können sich darüber freuen, weil ihnen der Zugang zum Recht erheblich erleichtert wird. Jedenfalls bei Themen, bei denen es um geringwertige Streitwerte geht.

Kommen sich Anwälte und Legaltechs jetzt stärker in die Quere?

Den Anwälten wird das Geschäft nicht weggenommen. Leute, die sich sonst nie einen Anwalt genommen hätten, können mithilfe von Legaltechs ihr Recht durchsetzen. Bei Wenigermiete.de werden Streuschäden geltend gemacht. Also Fälle, die sich mit der klassischen juristischen Herangehensweise nicht lukrativ bearbeiten lassen würden. Es ist gut, dass jetzt mal ein bisschen Druck auf die Juristenbranche ausgeübt wird.

Glauben Sie, dass durch das Urteil künftig mehr Gründerinnen und Gründer mit Geschäftsmodellen wie dem von Wenigermiete.de an den Start gehen werden?

Ich denke, dass sich das Abtretungsmodell [Inkasso, Anm. d. Red.] weiter verbreiten wird. Gleichzeitig glaube ich, dass weiter gekämpft wird. Es wird weiterhin Fälle geben, über die der BGH entscheidet. Bei der Miete ist es jetzt geklärt, ich würde auch sagen, das man das Fluggastrecht darunter fassen kann. Zum Dieselskandal, um den sich ja zum Beispiel Myright kümmert, wird sich der BGH beispielsweise sicher noch äußern.

Muss sich an der Gesetzgebung für Rechtsdienstleistungen in Deutschland nun etwas ändern?

Ich gehe davon aus, dass der Gesetzgeber es der Rechtssprechung überlassen wird, das weiter auszulegen. Er sieht sich nicht zum Handeln gezwungen, weil das Urteil zeigt: Unsere Statuten sind einer liberalen Auslegung zugänglich. Ich sehe das Urteil aber als Signal an den Gesetzgeber, dass seine Musterfeststellungsklage nicht ausreicht, um effektiven Rechtsschutz zu bieten. Die Idee der Musterfeststellungsklage ist genau das, worauf sich Legaltechs spezialisieren: gebündelt gegen eine Schieflage vorgehen. Wenn man jetzt guten Gewissens das Abtretungsmodell empfehlen kann, braucht es keine Musterfeststellungsklage mehr.

Mit Material von Reuters.

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Bild: Lexfox