In Wien kann man entspannt für einen einen Euro am Tag den ÖPNV nutzen.

Es klingt verlockend, wenn man nur einen Euro bezahlt und dafür den ganzen Tag den öffentlichen Nahverkehr nutzen kann. In Wien ist das schon seit paar Jahren möglich und die Einwohner nehmen es dankend an. Kaum eine Stadt hat prozentual mehr Jahrestickets pro Einwohner, als die österreichische Hauptstadt. Doch kann man den Erfolg aus Wien einfach nach Berlin, Hamburg oder München importieren?

Vor dem Rabatt investiert

Die Sache ist nicht so einfach. In Wien hatte die Stadt lange vor der Einführung des günstigen Jahresticket viel Geld in den Ausbau der Infrastruktur gesteckt. U-Bahn und Tram-Linien wurden verlängert, mehr Personal eingestellt und die Taktung verkürzt. Als dann das 365 Euro teure Ticket eingeführt wurde, war der öffentliche Nahverkehr darauf vorbereitet.

Und damit wären wir beim ersten Problem, das einen in Deutschland erwarten würde: Die deutschen ÖPNVs haben zwar insgesamt eine gute Kostendeckung von rund 70 Prozent, erkaufen sich diese allerdings damit, dass in den Ausbau der Infrastruktur oder bei der Neuanschaffung von Zügen gespart wird. Das sieht man in Berlin ebenso, wie in München oder Köln, wo teilweise U-Bahnen unterwegs sind, die noch aus den 70er-Jahren stammen.

Würde man jetzt ein Billig-Ticket einführen, könnte dies zwar von mehr Menschen genutzt werden, aber die Neukunden würden in teilweise nicht klimatisierten Waggons und auf überfüllten Bahnsteigen vermutlich wenig Freude an ihrer Mobilität haben. Das billige Ticket bringt auch nichts, wenn man in den Randgebieten der Städte weiterhin eine halbe Stunde im Regen steht und auf den Bus warten muss. Und genau da wohnen die Menschen, die ein Auto benötigen. Es muss also erst investiert werden, um dann günstige Tickets einzufügen.

Höhere Preise für Parktickets

Die Frage ist zudem, ob ein günstiges Ticket wirklich mehr Menschen dazu bewegt, ihr Auto stehenzulassen. Zum einen sind die Fahrkarten schon heute nicht so teuer. Eine Tageskarte kostet in Berlin gerade mal sieben Euro. Allerdings kostet das Parken mit dem eigenen Auto auch nicht sehr viel mehr.

Das ist der Gründe, warum man in Wien die Parkraumbewirtschaftung ausgeweitet und massiv verteuert hat. Aus dieser Einnahmequelle finanziert die Stadt zum Teil den weiteren Ausbau des Nahverkehrs. Die Idee der Wiener Stadtverwaltung ist einfach: Wenn das Parken in der Innenstadt teuer genug gemacht wird, steigen die Menschen häufiger auf den ÖPNV um. Die Rechnung ist bisher aufgegangen.

Mit Startups kooperieren

So schön die Idee des 365-Euro-Tickets klingt, sie funktioniert nur, wenn vorher kräftig investiert wird. Da das Geld in den meisten Kommunen knapp ist, empfiehlt es sich, ebenfalls externen Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Dazu gehören unter anderem Startups, die Sharing- und Ridehailing-Angebote bieten, die den ÖPNV ergänzen. Das verteilt die Lasten der Investitionen und bringt gleichzeitig einen verbesserten Service für die Kunden.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images / Sylvain Sonnet