Die Ingenieure Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés vor dem aCar
Die Ingenieure Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés vor dem aCar

Das aCar ähnelt auf den ersten Blick ein wenig einem Golfcart. Doch hinter dem Gefährt steckt ein anderer Gedanke, als Golfspieler durchs Grün zu kutschieren. Die beiden Ingenieure Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés haben es entwickelt, um damit die Mobilitätsbedürfnisse in Afrika zu befriedigen. Entstanden ist das Fahrzeug in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der TU München. Es soll auch einen Beitrag dazu leisten, die Landflucht zu vermeiden und ländliche Regionen, speziell in der Sub-Sahara, zu stärken.

Herr Koberstaedt, mit maximal 60 km/h, 20 PS und rund 80 Kilometern Reichweite wäre das aCar den meisten deutschen Autofahrer wohl zu langsam. Den Afrikanern nicht?

Manchmal tut ein Perspektivwechsel sehr gut. Als wir mit unserem Forschungsprojekt in Afrika waren, haben wir gemerkt, dass die holprigen Straßen dort ohnehin selten höhere Geschwindigkeiten erlauben. Ein stärkerer Motor ist deshalb dort im Alltag auch nicht möglich. Und da man nicht so schnell vorankommt, ist die Reichweite auch absolut ausreichend.

Deutschland schafft es seit Jahre nicht, die nötige Infrastruktur für E-Mobilität bereitzustellen. Wird das in Afrika klappen?

Das ist definitiv auch dort ein Problem. In Afrika ist es aber auch ein Problem, Benzin zu bekommen. Ein flächendeckendes Tankstellennetz gibt es dort nicht. Es existiert meist gar keine landesweite Infrastruktur. Stattdessen setzt man dort auf eine dezentrale Energieversorgung. Man kann das aCar an jeder Haushaltssteckdose anschließen und es lädt in sieben Stunden.

Sie haben für das aCar eine Firma gegründet. Wie finanzieren Sie sich bisher?

Martin Soltes und ich waren die Projektleiter und wollten nicht, dass unser Projekt nur bei einer Idee bleibt. Deshalb haben wir die Firma EVUM Motors GmbH gegründet, welche uns zu 50:50 gehört. Momentan sind wir noch über das Forschungsprojekt der Bayerischen Forschungsstiftung finanziert. Das ging 2015 los, endete aber quasi als Highlight mit unserem Auftritt bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Offiziell läuft das Projekt noch bis Ende diesen Jahres. Bisher waren über 20 Doktoranden und über 100 Studenten und zahlreiche Firmen daran beteiligt. Zum Ende hin haben wir einen zweiten Prototypen gebaut, den wir auf der IAA ausstellen konnten.

Wie war dort die Resonanz?

Überwältigend. Wir sind aus dem Angebot dort ja etwas herausgestochen, weil es so etwas auf dem Markt noch nicht gibt. Und selbst wenn es für deutsche Privatkunden primär nicht interessant ist, haben wir doch hierzulande eine große Nachfrage registriert. Denn unser Fahrzeug ist optimal für den innerstädtischen Verkehr. Da sind wir schon in konkreten Gesprächen mit städtischen Betreibern, die das aCar etwa als Laub- oder Müllsammelfahrzeuge brauchen. Aber auch Gärtnereien, Bauhöfe oder Winzer haben uns angesprochen.

Und wie hat die deutsche Automobilindustrie auf euch als neue Konkurrenten reagiert?

Wir hatten an unserem Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik dank unserer Professoren sehr gute Kontakte zur Automobilindustrie, welche uns teilweise sogar beratend zur Seite stand. Denn wir sind für die Konzerne keine Konkurrenz. Unser Fahrzeug passt überhaupt nicht in ein Produktportfolio von BMW, VW oder sonst wem. Das ist eine Fahrzeugklasse, die es im Moment noch kaum gibt. Wenn, dann kann man eher von einem Nischenmarkt sprechen.

Brauchen Sie für die nächsten Schritte Investoren?

Bei der IAA haben wir großes Medieninteresse erregt und dadurch auch viele Investoren gefunden, mit denen wir gerade in Gesprächen sind. Ziel ist es, zum Ende dieses Jahres die erste Kapitalrunde aufzubringen.

Wie viel Geld benötigen Sie?

Das E-Auto aCar in Ghana

Wie viel Geld benötigen Sie?

Bis Mitte 2019 – in diesem Jahr wollen wir 1000 Fahrzeuge bauen – benötigen wir rund fünf Millionen Euro für die Fertigstellung der Serienentwicklung und den Aufbau der Produktion.

Wo werden Sie produzieren?

Am Anfang werden wir eine Musterfabrik voraussichtlich in Bayern bei einem langjährigen Partner aufziehen. Unser langfristiges Ziel ist es aber, diese Fabrik als Vorbild zu nehmen und in verschiedene Länder zu transferieren. Es gibt dafür bereits zahlreiche Anfragen von Interessenten, die am liebsten direkt morgen 10.000 Fahrzeuge bauen möchten. Ganz viele Nationen hätten gerne eine eigene Automobilindustrie. Wir haben momentan eine Liste von über zehn interessierten Ländern.

Welche Länder sind das?

Schwellenländer hauptsächlich, Staaten wie Mexiko, Iran, Ägypten, Vietnam oder Thailand. Auch Nigeria und Ghana, wo wir zu Forschungszwecken ja unterwegs waren.

Also richtet sich Ihr Augenmerk nicht mehr nur auf Afrika?

Das ursprüngliche Ziel war in der Tat, ein Fahrzeug zu entwickeln, das lokal in Entwicklungs- und Schwellenländern gefertigt und genutzt werden kann. Wir haben uns schon während des Forschungsprojekts auch andere Märkte angeschaut. Wir waren zum Beispiel in Nepal und Bangladesch und haben festgestellt, dass es dort eigentlich identische Anforderungen gibt.

Ab wann wollen Sie außerhalb Deutschlands produzieren?

Ende 2019, Anfang 2020 wollen wir eine Musterfabrik im Ausland aufbauen.

Wird es dann ein afrikanisches Land sein?

Vermutlich ja, aber das ist noch nicht ganz klar. Wir werden das wie ein Franchise-System aufziehen. Die Leute sollen das Fahrzeug vor Ort selbst bauen und Eigentümer der dortigen Firma sein. Auch um den Vertrieb sollen sie sich selbst kümmern. Wir werden also ein Einmal-Investment haben, um die Firma aufzubauen, weil wir das Wissen und Know-How haben.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in Ghana ca. 1500 Euro, das aCar soll rund 10.000 Euro kosten. Wer kann sich das dort leisten?

Das ist ein Fakt, der uns am Anfang auch sehr beschäftigt hat. Man muss aber auch hier die Bedürfnisse vor Ort verstehen. Das Thema Carsharing – bei uns verhältnismäßig neu – ist in Afrika ein alter Hut. Dort hat niemand ein Auto allein. Man teilt sich ein Auto in der Community im Dorf. Meist ist der Käufer nicht der Fahrer des Autos, sondern beispielsweise ein Großgrundbesitzer, der es dann weitervermietet. Außerdem werden Gebrauchtwagen, die hier nur noch ein paar hundert Euro wert sind, in Afrika wegen der Transportkosten und Korruption für mindestens 5000 Euro verkauft. Das ist wirklich die unterste Grenze für Autos dort.

Sie wollen mit Ihrem Auto die Landflucht lindern und Regionen zu mehr wirtschaftlicher Selbstständigkeit verhelfen. Ist ihr Startup mehr Entwicklungshilfe oder Geschäft?

Es ist sicherlich eine Kombination. Der Grundgedanke ist durchaus altruistisch: Wir wollen Mobilität anbieten und Werkstätten vor Ort schaffen, damit dort Arbeitsplätze entstehen. Aber eine Firma muss ebenfalls gewinnbringend sein. Deshalb ist unsere Herangehensweise, dass wir zunächst mit unserem Fahrzeugverkauf in Europa Gewinn erwirtschaften werden. Der Zielpreis für die ersten 1000 Fahrzeuge liegt zwischen 20.000 und 25.000 Euro. Dieser Gewinn soll dann den Transfer in andere Länder ermöglichen.

Und in Afrika sollen die Autos dann auch nur 10.000 Euro kosten?

Genau. Durch die langfristig fallenden Batteriekosten, die entstehenden Größendegressionen und die niedrigeren lokalen Kosten erhoffen wir uns, das Fahrzeug in den entsprechenden Märkten wesentlich günstiger anbieten zu können.

Bild:  Andreas Heddergott / aCar