Andreas von Lochow
Erfolg mit Scheibenwischern: der Startup-Unternehmer, Investor und Berater Andreas von Lochow.

Andreas von Lochow ist als Gründer, Berater und Investor seit mehr als zehn Jahren in der Autobranche aktiv. 2004 hat er begonnen, Unternehmen zu beraten und Konzepte für große Fuhrparks entwickelt. 2011 gründete er für Rocket Internet und Holtzbrinck Ventures eine E-Commerce-Plattform für gebrauchte Autos. Gemeinsam mit Sebastian Klauke, der heute Chief Digital Officer der Otto Group ist, baute von Lochow den Marktplatz Autoda auf. 2014 wurde das Unternehmen an MeinAuto.de verkauft. Parallel gründete er – mehr aus Spaß – den Onlineshop Scheibenwischer.com. „Weil ich neue Wischer brauchte“, wie der Jurist mit einem Faible für Autos sagt. In den letzten Jahren hat er Unternehmen wie Mobile.de beraten und gehört heute dem Beirat des Car-Sharing Anbieters Azowo sowie der von Volkswagen 2017 gestarteten Autobörse Heycar an. Mit BCG Digital Ventures, dem Venture-Building-Arm der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, arbeitet er an neuen Konzepten im Bereich Digital Automotive.

Gründerszene: Sind es die einfachen Modelle, die auf Digitalisierung warten?

Der Gebrauchtwagenhandel ist ein gutes Beispiel. Hier ist der überwiegende Teil der Wertschöpfungskette analog. Das Thema C2B-Verkauf [Endkunden an Händler] beispielsweise ist noch eine Katastrophe, bei dem die Gebrauchtwagenbörsen bisher als digitale Kleinanzeigenportale fungieren, aber keinen weiteren Teil der Wertschöpfungskette anbieten. Wenn ein privater Autobesitzer ein Auto beim Händler in Zahlung gibt, ist das zwar einfach, der Preis ist aber relativ niedrig. Wenn er es in den Kleinanzeigenportalen inseriert, ist es umgekehrt. Zudem ist er den oft internationalen Autoaufkäufern ausgeliefert. In diese Lücke ist Auto1 gestoßen und bietet dem privaten Autoverkäufer heute eine gute Möglichkeit, sein Auto schnell und in einem seriösen Prozess zu verkaufen. Die Gründer von Auto1 haben außerdem klug erkannt, dass die Aufkäufer ein Riesenproblem haben. Sie erhalten über die Kleinanzeigenportale keinerlei Transparenz jenseits des Preises. So hat Auto1 mit seiner Plattform sowohl Probleme auf der Verkäufer-, als auch auf der Käuferseite gelöst und daher sind sie so erfolgreich.

Welche anderen Bereiche warten da noch auf Disruption?

Viele. Durch Rocket-Internet lernt man, dass man entweder produkt- oder kundenfokussiert handeln kann. Die meisten Firmen sind produktfokussiert: Sie entwickeln Produkte und versuchen dann, einen Markt dafür zu finden. Dagegen kann man mit Onlinemodellen einfach und schnell erproben, ob es Kundenbedürfnisse tatsächlich gibt.

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Hast du dafür ein Beispiel?

Dafür ist Scheibenwischer.com ein schönes Beispiel. Der Markt ist in Deutschland mit 40 Millionen verkauften Scheibenwischern pro Jahr nicht klein. Doch das Offline-Kauferlebnis für den Kunden ist grauenhaft: Er zahlt entweder in der Werkstatt einen hohen, intransparenten Preis, oder er muss sich selbst darum kümmern und im Baumarkt in einer Klappliste und im Regal die richtigen Wischer finden. Das funktioniert überhaupt nicht und ist nicht kundenorientiert.

Welche Konsequenzen habt ihr daraus gezogen?

Näher an den Kunden heranzugehen, genau zu verstehen, was seine Bedürfnisse sind und daraus Produkte zu entwickeln, die sein Problem möglichst gut lösen.

Werden auch Autohersteller diesen Weg einschlagen müssen?

Aus Kundenperspektive gibt es keine riesigen Unterschiede mehr zwischen den Automarken. Die Qualität der Fahrzeuge ist, anders als noch vor 10-20 Jahren, vergleichbar geworden. Aber die Bedürfnisse der Kunden sind sehr unterschiedlich.

Welche Unternehmen werden da erfolgreich sein?

Firmen, die schnell lernen, wo die Kundenbedürfnisse liegen, und nicht die, die viel Geld in die Produktentwicklung investieren, ohne die Kunden vorher verstanden zu haben. Online- und Digitalmodelle bieten mehr Möglichkeiten, Kunden zu verstehen. Sie interessieren sich womöglich nicht für die Spaltmaße an der Karosserie, sondern haben das Bedürfnis nach einer neuen Form und Art der Mobilität. Tesla hat das beispielsweise hervorragend verstanden.

Sind Plattformen wie Amazon eine Chance oder eine Gefahr für die Branche?

Ich sehe das grundsätzlich als Chance, denn Amazon ist ein guter Vorreiter, der die Bereitschaft des Kunden weckt, online zu kaufen und zu handeln.

Und wenn die Kunden dann dort kaufen? Ist das nicht ein Problem für Scheibenwischer.com ?

Wir haben den Vorteil, dass Amazon nicht tief in die einzelnen Verticals geht. Wir haben von Bosch 890 verschiedene Scheibenwischer-Sets, Amazon hat vielleicht die 50 relevantesten. Wir verdienen unser Geld nicht mit den 50 Bestsellern, sondern durch unser Vollsortiment und unsere Fachexpertise.

Amazon Business pusht in den USA gerade den Bereich Automotive. Welche Folgen hat das für den hiesigen Markt?

Amazon Business ist für den deutschen Großhandel ein gigantisches Risiko. Was da gerade passiert, haben die Hersteller und der Großhandel bei uns noch nicht verstanden.

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Wie muss man sich das vorstellen?

Die Kfz-Werkstatt, die eine Bremsscheibe für den Wagen auf der Hebebühne braucht, soll diese nicht mehr bei ihrem Autoteile-Großhändler bestellen, sondern direkt bei Amazon. Und Amazon bezieht die Bremsscheibe direkt vom Hersteller. Das ist das Ziel.

Mit welchem Resultat?

Das führt dazu, dass nur noch Amazon zwischen dem Hersteller und dem Endabnehmer steht und weitere Teile der Wertschöpfungskette besetzt. Somit kann Amazon die Hersteller bei den Preisen unter Druck setzen. Ferner will Amazon an die lukrativen Werbekostenzuschüsse der Hersteller. 

Muss sich auch die Autoteileindustrie vor Amazon fürchten?

Momentan beruft sich die Autoteileindustrie auf ihre starken Marken. Sie denkt, dass an ihr niemand vorbei kommt, weil die Kunden diese starken Marken wollen. Doch Kunden kaufen bei Amazon und nicht bei der Marke. Sie vertrauen dem System Amazon.

Gilt das auch für kleine Onlineshops?

Im Kleinen ist das bei uns genauso. Kunden gehen zunächst über den Preis und vertrauen dann einer Webseite und folgen deren Empfehlungen. Das hören die Markenhersteller nicht gerne, aber das ist die Realität. Weil unsere Kunden uns dann vertrauen, fragen sie nach weiteren Produktgruppen. Deshalb kommt beispielsweise bei uns jetzt das Thema Fußmatten. Nicht wir sitzen am Tisch und überlegen uns die nächsten Produktgruppen, sondern wir gehen über die Kunden und fragen, was sie haben möchten. Der Fokus auf den Kunden treibt den Wandel voran.

Bild: TheCarConsultants