Das Berliner Startup Auto1 wehrt sich gegen das Bild des gerissenen Gebrauchtwagenhändlers

Auf die Euphorie um das Megainvestment von 460 Millionen Euro folgt der erste Dämpfer für das Berliner Unicorn. Gegen das Gebrauchtwagen-Startup Auto1 soll es derzeit „mindestens 90 laufende oder abgeschlossene Gerichtsverfahren“ geben, berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Auf Nachfrage von NGIN Mobility dementiert das Startup die Größenordnung: „Es gibt keine 90 laufenden Verfahren gegen Auto1“, heißt es von dem Unternehmen. Es seien deutlich weniger. Eine genaue Zahl nennt das Startup jedoch nicht.

Wir arbeiten mit mehr als 35.000 Partnerhändlern, pflegen Kundenbeziehungen in die Tausende und haben mehr als 40.000 Fahrzeuge im Bestand. Das spricht dafür, dass wir im Markt etwas sehr richtig machen und vielen Marktteilnehmern einen Mehrwert bieten können“, rechtfertigt sich das Unternehmen.

Dem Spiegel zufolge haben die Mehrzahl der Kläger eine Entschädigung für Defekte verlangt, über die sie während des Ankaufs nicht In Kenntnis gesetzt worden seien. Vor allem Händler sollen gegen die Berliner vor Gericht gezogen sein.

Das Startup hat seit Anbeginn mit Beschwerden zu kämpfen. So kritisierten bislang vor allem Privatverkäufer, dass die Preiseinschätzung für ihr Fahrzeug zu stark von dem tatsächlichen Ankaufspreis abweiche. Dass sich nun auch Händler übers Ohr gehauen fühlen, bestätigt der Bundesverband der freien Kfz-Händler. Demnach sei das Verhalten von Auto1 bei Reklamationen „unbefriedigend“.

Der Spiegel schildert den Fall eines Händlers, dem im Nachhinein ein Schaden an seinem angekauften Fahrzeug auffiel, welcher Reparaturkosten von 2.600 Euro fällig werden ließ. Das Startup soll bei der Reklamation das Gegenangebot gemacht haben, den Händler mit 200 Euro zu entschädigen. Im Übergabeprotokoll sei der Schaden nicht vermerkt worden und das Gegenangebot unzureichend, so der Vorwurf. Die Kritik richtet sich hier vor allem an die schlechte Gutachtenkompentenz der Auto1-Mitarbeiter. Der Fall sei zugunsten von Auto1 entschieden worden, teilte das Unternehmen mit.

Affentheater bei Auto1?

„Bei uns kann ein Schimpanse Ankäufer werden“, zitiert der Spiegel den Chef der Verkaufsabteilung, der diese Aussage gegenüber Mitarbeitern bezüglich der Einstellungspolitik fallen gelassen haben soll. Auto1 betreibt mehr als hundert Ankaufstellen. Servicemitarbeiter sollen die Fahrzeuge auf Schäden prüfen und ihren Wert einschätzen. Was sonst Prüfer der Dekra oder Kfz-Meister übernehmen, werde laut der Spiegel-Darstellung mitunter von Personal übernommen, das „ohne fachliche Qualifikation“ Einschätzungen vornehme. Das Startup weist die Vorwürfe vehement zurück.

Jedes Fahrzeug werde innerhalb eines umfangreichen und standardisierten Verfahrens von Auto1-Mitarbeitern untersucht, heißt es vom Unternehmen. „Diese bringen ausnahmslos die entsprechenden beruflichen Qualifikationen mit.“ Schäden und Fahrzeugmängel würden im Fahrzeuggutachten dokumentiert. Sie seien transparent im Inserat und würden in Form des Preises an die Händler weitergegeben. „Leider gibt es Einzelfälle, in denen die Meinungen auseinander gehen und der Fall von der einen oder anderen Seite vor Gericht gebracht wird“, rechtfertigt sich das Startup gegenüber der Spiegel-Darstellungen.

Ein Zugeständnis macht Auto1 zumindest. „Den Vorwurf, dass einer unserer Mitarbeiter das gesagt haben soll, nehmen wir sehr ernst. Wir werden dem Fall nachgehen und entsprechend Konsequenzen ziehen.“

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Bild: Getty Images / Bruce Laurance; Der Artikel wurde nachträglich angepasst