ShmuelNOAHBErlinCityEvent
Investor Shmuel Chafets

Im vergangenen November saß Investor Shmuel Chafets bereits mit dem Auto1-Gründer auf einer Bühne: In der Öffentlichkeit befragte er Hakan Koç auf der Tech-Konferenz Noah zu dem schweigsamen Auto-Startup aus Berlin. Bereits einige Monate später stellte sich heraus, der Startup-Investor interessierte sich nicht nur für Koç und sein Unternehmen – mit seinem VC Target Global ist er auch bei der Auto1 Group eingestiegen.

Erst vor wenigen Wochen wurde dann bekannt, dass das Autohandels-Startup aus Berlin bei der Runde insgesamt 360 Millionen Euro eingenommen hat. Die Bewertung liegt damit bei 2,5 Milliarden. Das Unternehmen kauft unter Marken wie Wirkaufendeinauto Gebrauchtwagen ein – und verkauft sie Autohändler weiter.

Chafets sitzt nach dem Investment im Aufsichtsrat von Auto1. Der deutsch-israelische VC Target Global ist bei bekannten Unternehmen wie Delivery Hero, McMakler, HeavenHR oder Smartfrog, aber auch bei israelischen Startups wie dem Sicherheits-Unternehmen Cybellum investiert.

Im Interview spricht der General Partner über das neue Portfolio-Unternehmen aus Berlin – und die Unterschiede zwischen Deutschland und Israel:

Shmuel, wenn ich Investoren auf Auto1 anspreche, sagen sie meistens: „Coole Company, aber eine zu hohe Bewertung.“ Warum glaubt Ihr, dass eine Bewertung von 2,5 Milliarden Euro gerechtfertigt ist?

Ich kommentiere nicht, ob das die Bewertung ist oder nicht. Aber wir sehen in Auto1 die Chance, dass ein europäischer Player einen Markt dominiert – und es ist ein sehr großer Markt. Wenn man sich anschaut, wo das Unternehmen jetzt gerade steht, gibt es noch viel Spielraum für Wachstum. Nur wenige Segmente haben diese Größe: Wenn man den Gebrauchtwagen-Markt mit Möbeln oder Kleidung vergleicht, sieht man wie groß er ist. Und darauf basiert am Ende der Wert eines Unternehmens, abgesehen von der Performance und dem Team – das in meinen Augen einzigartig ist.

Der Markt, in dem Auto1 sich bewegt, ist teilweise zwielichtig. Im Internet findet sich viel Kritik – auch an Wirkaufendeinauto, der bekannten Marke von Auto1. Der Vorwurf lautet: Die Anbieter ködern ihre Kunden mit einem zu hohen Preis, den sie am Ende gar nicht bekommen. Ist es nicht schwierig, in so einem Markt langfristig einen großen, glaubwürdigen Player zu etablieren?

Auto1 macht bereits ernsthaftes Geschäft. Es ist schwer für mich, über den Betrieb eines Unternehmens zu sprechen, da müsst Ihr Auto1 fragen…

…würden wir gerne, das Unternehmen gibt sich allerdings sehr verschlossen.

Was ich sagen kann, ist, dass wir den Service mehrfach getestet haben. Beispielsweise haben Freunde ihr Auto über das Unternehmen verkauft und der Service ist gut. Die Marke ist mittlerweile bekannt und die Kunden können der Marke vertrauen – und tun es bereits. Schau auf die Facebook-Seite, dort sind auch viele zufriedene Kunden zu finden.

Du hast bereits über die gute Performance gesprochen. Doch von den 1,5 Milliarden Euro Umsatz, den das Unternehmen macht, bleibt ja am Ende nur ein kleiner Teil hängen…

(Unterbricht) Das ist wieder ein Frage für das Unternehmen selbst und nicht für mich.

Wie beurteilst Du aus der Investor-Perspektive das Gründerteam aus Hakan Koç, Christian Bertermann und Christopher Muhr? Aus der Szene hört man, dass sie extrem fokussiert sind, aber nicht unbedingt eine Wohlfühlatmosphäre verbreiten…

Ein Team wie das von Auto1 sieht man nur selten: Es sind Gründer mit unterschiedlichen Stärken, sehr jung und hungrig, hart arbeitend und trotzdem sehr bescheiden. Was in der Startup-Szene nicht natürlich ist. Wir sind glücklich, dass wir mit ihnen arbeiten dürfen.

Gibt es Pläne für einen möglichen Börsengang in den kommenden Jahren?

Das ist wieder eine Frage für das Unternehmen. Wir glauben, dass die Gründer für ihr Unternehmen sprechen sollen, es ist schließlich ihr Verdienst. Wir haben nicht viel gemacht, wir haben nur Geld gegeben und geklatscht. (lacht)

Bei vielen Trends entwickelt sich Israel schneller als Deutschland. Was bewegt die Startup-Szene dort gerade?

Im Gegensatz zu Berlin ist Tel Aviv sehr auf Technik fokussiert. Viele Startups beschäftigen sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) oder Machine-Learning. Wobei ich nicht sagen würde, dass es sich dabei um einen eigenen Sektor handelt, sondern KI wird in kurzer Zeit ein Bestandteil sein von allem, was wir tun. Cyber-Security ist außerdem immer ein wichtiges israelisches Thema. Momentan sehen wir, dass es in ganz verschiedenen Bereichen angewendet wird, beispielsweise auf die Sicherheit im Internet der Dinge oder bei Autos. Diese Entwicklung wird auch durch das Militär in Israel gefördert, das oft mit der Entwicklung der Technik am weitesten ist. Zum Beispiel sind Drohnen oder vernetzte Autos bereits seit Jahren bei der Armee im Einsatz – und es gibt Leute aus der Armee, die zehn Jahre an so einem technischen Thema gearbeitet haben. Das gibt es nirgendwo anders auf der Welt.

Eure wichtigsten Büros sind in Tel Aviv und Berlin. Warum gerade hier?

Das ist ein Teil dessen, was wir machen wollen: Tel Aviv und Berlin zu vernetzen. In Deutschland gibt es eine Menge Leute wie die Auto1-Gründer, mit einer großartigen Fähigkeit zur Umsetzung. Sie sind in der Lage, schnell große, skalierbare Geschäftsmodelle aufzubauen und viel Geld einzusammeln. Und das gibt es Tel Aviv eher weniger.

Was macht Ihr ganz konkret?

Wir versuchen den israelischen Unternehmen beizubringen, dass Deutschland ein großer Markt für sie ist – und nicht nur die USA. Normalerweise fliegen die Israelis über Europa in die USA, stoppen höchstens in Frankfurt, weil die Flüge so günstiger sind. Dabei können sie auch mit dem deutschen Mittelstand sprechen. Der versteht es, dass er Innovationen von außen braucht: entweder durch Partnerschaften oder durch Zukäufe. Gerade mal etwa zehn Prozent der Firmen, die in Israel verkauft werden, gehen an europäische Firmen.

Meistens sind es Käufer aus den USA?

Vor allem aus den USA und China. Und das, obwohl wir hier nur vier Flugstunden entfernt leben und auch kulturell sehr nah dran sind. Außerdem leben Zehntausende Israelis in Berlin. Der Austausch sollte eigentlich einfacher sein.

Was ratet Ihr Euren Startups?

Wir ermutigen jede unserer israelischen Portfolio-Companys ein Büro in Berlin zu eröffnen – oder woanders in Deutschland. Sie sollen versuchen diesen großen Markt für sich zu gewinnen. Für die deutschen Unternehmen aus unserem Portfolio versuchen wir bei der Suche nach Mitarbeitern zu helfen. In Israel gibt es ja eine Menge Technik-Talente und Know-how in Bereichen, die in Deutschland teilweise gar nicht existieren. Und insgesamt würden wir uns wünschen, dass mehr deutsche Unternehmen israelisches Startups kaufen.

In der deutschen Szene wird ja immer gesagt, dass es für Unternehmen gerade am Anfang leicht ist, Geld von Investoren zu bekommen. Aber in späteren Phasen fehlt es an Risikokapital. Siehst Du das auch so?

Vielleicht ist es auch zu einfach in der Seed-Phase ein Funding zu bekommen (lacht). Es gibt tatsächlich bei der Serie B oder C eine Lücke. Aber bei guten Unternehmen funktioniert es, wie bei Weltsparen. Dort ist der US-amerikanische VC Thrive Capital eingestiegen. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Investoren aus den USA hier in Deutschland investieren.

Bild: Target Global