Der Autobesitz ist ein auslaufendes Geschäftsmodell.

Die Verkaufszahlen für Neuwagen sehen gerade nicht besonders schön aus. In Deutschland ging die Zahl der Zulassungen für Neuwagen im April im Vergleich mit dem Vorjahresmonat um 61,1 Prozent zurück. In Europa waren es sogar 76,3 Prozent. Auch der Blick aufs erste Quartal zeigt nichts Gutes, hier betrug der Rückgang 38,5 Prozent. Das Coronavirus ist der Grund für den massiven Einbruch, immerhin waren alle Autohäuser für Wochen geschlossen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Schon im vergangenen Jahr bewegten sich die Verkaufszahlen nach unten. In der EU schaffte man es nur dank eines starken vierten Quartals und mittels großer Rabatte bei den Firmenwagen die Zahl der Neuwagenverkäufe in den positiven Bereich zu drehen. Die USA und China verzeichneten zwar auch Zuwächse, aber die fielen deutlich geringer aus als erwartet. Anders gesagt: Autos verkaufen sich weniger gut als noch vor ein paar Jahren.

Dafür gibt es drei entscheidende Gründe. Erstens: Der Umstieg auf die E-Mobilität lässt viele Menschen im Moment zögern. Sie warten, bis das Angebot bei den Elektroautos besser ist. Zweitens: In Europa und den USA sind die Märkte gesättigt. In den vergangenen Jahren hat man mit neuen Fahrzeugmodellen, etwa SUVs, eine künstliche Nachfrage erschaffen. In China gehen die Verkäufe aufgrund des verlangsamten Wirtschaftswachstums zurück. Und drittens: Das Geschäftsmodell der Hersteller funktioniert nicht mehr in den Metropolen.

Da helfen auch keine Kaufprämien

Viele Großstädte haben dem überbordenden Autoverkehr den Kampf angesagt. Fahrräder und der öffentliche Nahverkehr werden zunehmend bevorzugt. Auch bei der Bevölkerung hat in den Metropolen ein Umdenken eingesetzt. Die Klimakrise bewirkt, dass der Besitz eines Autos infrage gestellt wird. Warum soll man sich 1,5 Tonnen Blech vor die Haustür stellen, wenn man sie nur alle paar Tage bewegt?

Allerdings decken Car- und Ridesharing, das Fahrrad oder der ÖPNV nicht alle Bewegungsprofile ab. Ab und zu benötigen vor allem Familien ein Auto, am besten kombiniert mit einem flexiblen Mobilitätsangebot. Doch es scheint, als würden die Hersteller diesen Trend komplett verschlafen. Da helfen auch keine Kaufprämien.

Lest auch

 

Die Industrie besteht weiterhin auf dem Geschäftsmodell, Fahrzeuge entweder zu verkaufen oder für einen festen Zeitraum per Leasing oder Kredit loszuwerden. Flexiblere Angebote fehlen. Die Chance, das Carsharing als erweitertes Leasing oder Vermietungsangebot für größere Zeiträume zu verstehen, haben BMW und Daimler verschlafen. Immerhin geht Sixt einen anderen Weg und zeigt, wie man in einer App vom Carsharing bis zum langfristigen Mietangebot alles unter ein Dach bringen kann.

Doch wenn die Hersteller sich den neuen Gegebenheiten nicht anpassen, werden sie Schwierigkeiten bekommen. Die große Verkaufssause in China, mit deren Hilfe man die Stagnation in den anderen Märkten kaschieren konnte, ist auch vorbei. Dass überhaupt noch so viele Fahrzeuge verkauft werden, hat auch mit dem absurd niedrigen Ölpreis zu tun.

Gefährliche Mischung aus Sturheit, falscher Modellpolitik und digitaler Unfähigkeit

Solange der Sprit an der Tankstelle weniger kostet, als eine Flasche Wasser, verkaufen sich auch Autos. Wie schnell sich das ändern kann, haben wir in den 1970er Jahren erlebt. Die Industrie hat aber nun alle ihre Karten auf den niedrigen Ölpreis und den Verkauf von SUVs gesetzt. Doch gerade diese Fahrzeugklasse ist nicht gerade bekannt für ihren niedrigen Kraftstoffverbrauch. Es ist eine gefährliche Mischung aus Sturheit, falscher Modellpolitik und der Unfähigkeit, digitale Lebens- und Geschäftsmodelle zu adaptieren.

Angesichts einer drohenden Rezession und einer sich veränderten Stimmungslage gegenüber Fahrzeugen in der Stadt ist es unverständlich, warum die Branche weiter auf ein veraltetes Geschäftsmodell setzt. Warum bietet sie nicht Autos zu einem festen Monatspreis an, die ein Mieter auch in die Flotte eines Carsharers integrieren kann, wenn er das Auto gerade einmal nicht benötigt? Warum setzt sie weiter auf den Besitz, wenn sie selbst weiß, dass die Metropolen kaum noch Autos aufnehmen können?

Es ist, als laufe die Industrie sehenden Auges in vermeidbare Probleme hinein. Dass am Ende immer wieder der Steuerzahler wieder da ist, um die Konzerne zu retten, darf bezweifelt werden.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images / Sean Gallup / Staff