Valerie von der Tann ist General Manager ViaVan in Berlin, der Plattform hinter dem Shuttle-Dienst BerlKönig.
Valerie von der Tann ist General Manager von Viavan in Berlin, der Plattform hinter dem Shuttledienst Berlkönig.

In der Berliner Partyzone füllt sich ein Shuttlebus fast von alleine. Doch wie sieht es am Stadtrand aus, wo das digital-affine Publikum fehlt, Pendler täglich zwischen dem Haus im Grünen und der Arbeitsstelle in der Stadt hin- und her fahren und am Abend nur noch wenige unterwegs sind? Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen das genauer wissen und testen deshalb mit Viavan als Technologiepartner einen digitalen Rufbus-Service: den Berlkönig BC. Die Buchstaben stehen für die beiden äußeren Tarifzonen der BVG.

Der Rufbus soll vom 5. August an zu pendlerfreundlichen Zeiten, wie es in einer Mitteilung heißt, die Endstation der U-Bahnline 7 in Rudow mit dem Rathaus Schulzendorf im Landkreis Teltow-Fläming verbinden. Das Bundesverkehrsministerium fördert das Experiment.

Pendler sparen mit der neuen Verbindung viel Zeit: 17 Minuten braucht ein Auto gewöhnlich für die zwölf Kilometer lange Strecke. Mit Linienbussen und S-Bahn sind für die gleiche Strecke mindestens 40 Minuten und zweimaliges Umsteigen erforderlich.

Erfahrung im Ausland gesammelt

Der Berlkönig, mit dem nach Unternehmensangaben 140.000 Nutzer in Berlin schon mehr als 750.000 Fahrten unternommen haben, kann seine Technologie damit auf einem neuen Terrain erproben. „Es geht darum, dass sich nicht Menschen nach dem Fahrplan des Busses richten, sondern der Fahrplan des Busses nach den Menschen“, sagt Valerie von der Tann, Managing Director von Viavan.

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Das Unternehmen kennt Szenarien, wie sie jetzt im Süden von Berlin erprobt werden sollen. Gemeinsam mit Arriva, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, testet Viavan seit 2018 in Großbritannien in Randbereichen den Zubringerdienst Arrivaclick. Busse werden dort per App gerufen, die Fahrten sind wie beim innerstädtischen Ergänzungsverkehr von Berlkönig gebündelt, indem sich mehrere Fahrgäste mit einem ähnlichen Ziel einen Bus teilen.

Tests in England und Finnland

Erste Zahlen sprechen dort für den Erfolg des Konzepts: Während eines Pilotprojekts in Kent, Sittingbourne und Liverpool wechselten nach Unternehmensangaben mehr als 50 Prozent der befragten Kunden vom Privatwagen zu Arrivaclick, wobei 61 Prozent von ihnen den Dienst mehrmals pro Woche oder öfter in Anspruch nahmen. 43 Prozent nutzten den Service für ihren täglichen Pendelverkehr.

Noch in diesem Jahr wird Viavan auch in Finnland zusammen mit dem Verkehrsverbund der Region Helsinki einen On-Demand-Dienst in Espoo, einem Teil der Hauptstadtregion, starten.

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„On-Demand-Dienste sind wichtig für das Verkehrssystem der Zukunft, weil sie den ÖPNV attraktiver machen und dadurch eine gute Alternative zum privaten Auto bieten“, sagt von der Tann. „Wir wollen einerseits in Städten den Verkehr entlasten, die Emissionen reduzieren und andererseits im ländlichen Raum zusätzliche Mobilität für Menschen ermöglichen, die kein Privatauto haben.“ Studien hätten gezeigt, dass Menschen ohne Pkw auf dem Land täglich 26 Kilometer weniger mobil seien als Menschen mit einem eigenen Auto.

Eingeschränktes Testgebiet

Dass Poolingdienste für Verkehrsunternehmen ein Zuschussgeschäft bleiben, ficht von der Tann nicht an: „Im ÖPNV ist Profitabilität nicht das erste Ziel. Im Rahmen der Daseinsvorsorge geht es darum, alle Menschen mit guter Mobilität zu versorgen.“ Trotzdem wolle man solche Dienste möglichst effizient betreiben.

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Das Startup hat für den Shuttledienst vom Senat bislang nur eine Genehmigung erhalten, die das Experiment auf das vereinbarte Gebiet und die Zahl der Fahrzeuge auf 300 beschränkt.

In Zukunft autonome und elektrische Shuttles?

Der langfristige Erfolg solcher Projekte – sei es auf dem Land oder in der Stadt – wird von einem Prozess des Umlernens abhängen. „Wir wollen Menschen Stück für Stück überzeugen, dass sie in Städten wie Berlin keinen privaten Pkw mehr brauchen“, sagt von der Tann.

Laut ihr ist das alles nur ein erster Schritt: „Wir werden unsere Technologfieplattform so ausbauen, dass sie auch mit autonomen und elektrischen Shuttles funktioniert.“ Ein Pilotprojekt dafür sei jetzt in New South Wales in Australien gestartet worden: „Dort werden Senioren, die keinen Zugang zur Mobilität hatten, gebündelt in ihrem Dorf abgeholt und zur nächstgelegenen Buslinie in Richtung Stadt gebracht.“ Doch wann genau soll es in Deutschland autonom fahrende Shuttles geben? Darauf will sich die Unternehmerin nicht festlegen. Es werden also wohl noch länger Menschen an den Lenkrädern der Berlkönige sitzen.

Bild: Viavan / S. Wieland