Hauke Windmüller hat 2012 Familonet mitgegründet.
Hauke Windmüller hat 2012 Familonet mitgegründet.

Es war ein bemerkenswerter Exit, den Hauke Windmüller zusammen mit seinen Mitgründern Michael Asshauer und David Nellessen vor zwei Jahren hinlegte. Im August 2017 übernahm die Daimler-Tochter Moovel überraschend sein Startup Familonet, das zuvor mit einer Ortungs-App für Familienmitglieder bekannt geworden war. Zur Kaufsumme äußerten sich beide Parteien damals zwar nicht. Im Interview mit Gründerszene sprach Windmüller allerdings von einem „großartigen Erfolg“ – und teilte mit, unter dem Dach von Daimler neue Mobilitätsdienste entwickeln zu wollen.

Seitdem ist es um die drei Familonet-Gründer still geworden. Doch zumindest bei Mitgründer und Ex-Geschäftsführer Hauke Windmüller gibt es jetzt Neuigkeiten: Wie er auf Anfrage von Gründerszene bestätigte, arbeitet er seit wenigen Monaten an einem neuen Projekt namens Everride. Das Unternehmen ist eine Ausgründung des Berliner Verkehrskonzerns Transdev, das mit Moovel kooperiert.

Everride will es Unternehmen ermöglichen, ihren Mitarbeitern statt eines teuren und umweltbelastenden Dienstwagens ein Mobilitätsguthaben zu gewähren. Laden Arbeitgeber ein spezielles Onlinekonto mit einem Zuschuss von monatlich 100 Euro auf, kann jeder Mitarbeiter das Guthaben etwa für Bahn- und Bustickets, Taxifahrten, Carsharing oder Leihräder ausgeben. „Wir verstehen das quasi als Ergänzung zum Jobticket und kombinieren den ÖPNV erstmals mit anderen nachhaltigen Mobilitätsangeboten“, sagt Windmüller, der bei Everride das operative Geschäft verantwortet. Die einzelnen Services sollen Nutzer bequem per App buchen können.

Direkte Ticketkäufe sind bisher nicht möglich

Ganz neu ist die Idee nicht. Daimlers Mobilitätsableger Moovel bietet bereits seit vergangenem Jahr ein App-basiertes Mobilitätsguthaben für Unternehmen an. Allerdings kämpft Moovel bislang mit dem Problem, dass hauptsächlich private Anbieter wie MyTaxi, Car2Go oder Nextbike an die Plattform angebunden sind. Direkte Ticketkäufe bei einem der vielen öffentlichen Nahverkehrsanbieter, die laut Windmüller am häufigsten von Berufspendlern getätigt werden, sind in vielen Teilen Deutschlands bisher nicht möglich.

Die Kooperation mit dem Verkehrskonzern Transdev soll das jetzt ändern. Transdev betreibt bundesweit mehr als 34 Nahverkehrsnetze und ist nach eigenen Angaben auch der zweitgrößter Dienstleister beim Vertrieb von Bus- und Bahntickets an Automaten. „Das garantiert Nutzern erstmals ein flächendeckendes Ticketangebot und spart uns viel Zeit, weil wir nicht mit jedem Nahverkehrsbetrieb einzeln verhandeln müssen“, sagt Windmüller. Geld verdiene Everride mit einer Servicegebühr in Höhe von sechs bis zehn Euro, die das Startup pro Monat und Mitarbeiter von Kunden einbehält. „Hinzu kommen Provisionen von Mobilitätsanbietern aus den getätigten App-Buchungen“, so der 32-Jährige.

Windmüller hofft dabei, von einer neuen Gesetzesänderung profitieren zu können. Bisher mussten Arbeitgeberleistungen für Fahrten von Mitarbeitern mit öffentlichen Verkehrsmitteln – etwa in Form eines Jobtickets – als zusätzlicher Arbeitslohn versteuert werden. Seit dem 1. Januar 2019 gilt diese Vorschrift nicht mehr. Damit will die Bundesregierung erreichen, dass „die durch den motorisierten Individualverkehr entstehenden Umwelt- und Verkehrsbelastungen sowie der Energieverbrauch“ gesenkt werden, heißt es in der Begründung zur Gesetzesänderung. Zuschüsse sowohl für berufliche als auch private Fahrten mit dem ÖPNV müssen Arbeitgeber künftig nicht mehr ans Finanzamt abführen. „Das macht ein Jobticket für viele Unternehmen wieder attraktiver und könnte ein starker Anreiz auch für Mitarbeiter sein, vom PKW auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen“, sagt Windmüller.

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Glaubt man Statistiken, könnte es dafür durchaus einen Markt geben. Denn die Bereitschaft vieler Berufspendler für einen Umstieg auf Bus und Bahn scheint bisher tatsächlich gering. Als das Jobportal Stepstone im vergangenen Jahr rund 24.000 Fach- und Führungskräfte zu ihren täglichen Arbeitswegen befragte (PDF), gaben nur 18 Prozent von ihnen an, sich einen Wechsel vom Auto auf den ÖPNV vorstellen zu können.

Dabei waren die oft kritisierten Ticketpreise nicht einmal der entscheidende Hinderungsgrund: Laut Stepstone hält Berufspendler vor allem die „schlechte Anbindung“ und „fehlende Flexibilität“ von Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab. Das gelte nicht nur für ländliche Regionen: „Auch in Großstädten bemängeln Arbeitnehmer die gleichen Punkte“, schreiben die Autoren. Windmüller hofft, dieses Problem nun mit Everride lösen zu können. Noch in diesem Jahr, sagt er, werde der Dienst in Deutschland starten. Zunächst in Berlin, Hamburg, München und Köln. Weitere Städte sollen folgen.

Bild: Gründerszene.de