Das Tesla Model 3 macht bislang 80 Prozent der Verkäufe des E-Autobauers aus.
Das Tesla Model 3 macht bislang 80 Prozent der Verkäufe des E-Autobauers aus.

In der vergangenen Woche war es endlich so weit: Die Marktbewertung von Tesla schoss durchs Dach und erreichte schwindelerregende Höhen. Tesla ist an der Börse inzwischen mehr wert als Volkswagen, Daimler und BMW zusammen. Und das, obwohl Tesla nur einen Bruchteil der Menge an Fahrzeugen produziert im Vergleich zu den deutschen Herstellern. Während die jährliche Produktionsleistung der deutschen Autobauer bei über 14 Millionen Autos liegt, verlassen bei Tesla gerade mal 400.000 E-Autos das Werk (Stand 2019). Und auch bei den Erlösen sieht es nicht viel besser aus. Zwar hat Tesla in den letzten Quartalen ordentlich Geld verdient, aber man schiebt immer noch einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Demgegenüber sitzen die anderen Hersteller auf satten Bargeldreserven.

Zweifelsohne ist das Unternehmen von Elon Musk eine Erfolgsgeschichte. Tesla wurde jahrelang von der Konkurrenz ignoriert und nicht ernst genommen. Als Daimler im Jahr 2014 seine fünf Jahre zuvor günstig erworbenen Anteile mit sattem Gewinn verkaufte, bemerkte der Vorstand herablassend, dass man weltweit doch der einzige Konzern sei, der jemals Geld mit der Elektromobilität verdient habe. Die Zeiten haben sich geändert. Tesla sammelt vor allem die sogenannten Premium-Kunden ein. Jene Käufer, die sich sonst für einen Audi, BMW oder Mercedes entschieden hätten, greifen oft und gerne zum Tesla Model S, X oder 3. Das tut deutschen Herstellern weh, denn das waren mal ihre Kunden.

Was für eine hohe Bewertung spricht

Das US-Unternehmen hat den anderen Herstellern gezeigt, wo ihre Schwächen liegen. Anders als bei den Deutschen liegt die Produktion wichtiger Komponenten wie Batteriezellen, Akku und Software komplett in der Hand von einem Unternehmen: Tesla. Die Entscheidung, hierzulande auf Zulieferer zu setzen oder zu versuchen, diese Komponenten mit minimalem Aufwand selber herzustellen, hat sich als Nachteil herausgestellt.

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Bekanntermaßen hängt Tesla die Konkurrenz vor allem bei der Software meilenweit ab, wie neulich auch VW-Chef Herbert Diess zugeben musste. Und während sich in Deutschland die Käufer neuer E-Autos mit einer chaotischen Ladeinfrastruktur herumschlagen, hat Tesla seinen Kunden ein eigenes Netz hingesellt. Hinzu kommt, dass Tesla vor allem in China sehr erfolgreich ist. Das Model 3 verkauft sich fünfmal so gut wie die Konkurrenz und liegt an der Spitze der E-Auto-Verkaufscharts.

Und was gegen eine hohe Bewertung spricht

Doch es gibt durchaus Argumente, warum man skeptisch sein sollte. Mal abgesehen vom launischen Verhalten von Elon Musk, was das Unternehmen schon mehrfach in Schwierigkeiten brachte, lädt vor allem die Modellpalette zum Zweifeln ein.

Der gesamte Erfolg der letzten zwei Jahre von Tesla basiert im Grunde ausschließlich auf dem Model 3. Das macht mittlerweile mehr als 80 Prozent der Verkäufe aus. Die beiden bisherigen Bestseller, das Model S und X schwächeln hingegen beim Vertrieb. Vor allem das Model S könnte dringend eine Neuauflage vertragen, denn er ist doch arg in die Jahre gekommen. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz hier langsam gute Alternativen bietet. Porsche hat den Taycan, auf dem gleichen Niveau wird Audi in einigen Monaten den E-Tron GT vorstellen. Und von Daimler kommt der EQS, der ebenfalls in den Startlöchern steht und laut des Herstellers bis zu 700 Kilometer Reichweite haben soll.

Der gesamte zukünftige Erfolg von Tesla basiert also weiter auf dem Model 3. Und auch hier ist die Konkurrenz nicht untätig: Vor allem im Markt der Fahrzeuge zwischen 25.000 und 35.000 Euro tummeln sich mittlerweile einige Hersteller und es werden jährlich mehr. Was Tesla dringend benötigt, sind mehr Modell-Varianten. Neben der oberen Mittelklasse braucht es vor allem etwas in der Polo- und Golf-Klasse. Doch bisher ist nichts in der Richtung angekündigt. Stattdessen wird nur ein teurer Sportwagen und ein merkwürdiger Tesla-Pickup anvisiert.

Die Ein-Modell-Politik hat ihre Schwachstellen

Und nicht jeder Markt reagiert so enthusiastisch auf das Model 3, wie die USA oder China. So konnte Tesla von seinem Mittelklassemodell in Deutschland im vergangenen Monat gerade mal 703 Stück absetzen. Bei den E-Autos musste man sich damit hinter dem Renault Zoe und dem E-Golf einreihen. Insgesamt waren es gerade mal 841 Fahrzeuge, die hierzulande verkauft wurden. Zum Vergleich: Daimler verkaufte mehr als 21.000 Fahrzeuge.

Kann ein Unternehmen, dessen Erfolg nur auf einem Modell basiert, auf Dauer so hoch bewertet sein? Sicher, man kann auch mit nur einem Angebot sehr erfolgreich sein. Und für Tesla spricht, dass der Vorsprung des Unternehmens bei der Software, beim Infotainment und der Reichweite der Autos bisher uneinholbar scheint. Die große Frage ist allerdings: Wie lange wird das noch der Fall sein und wie lange kann Tesla seine Ein-Modell-Politik überleben?

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images /Sean gallup