Der chinesische Hersteller Byton setzt auf breite Displays und eine eigene Software.

Es kommt eher selten vor, dass Führungspersonen von Autoherstellern mit markanten Aussagen auffallen. Was BMW-Vorstandsmitglied Klaus Fröhlich kürzlich von sich gab, ist da schon starker Tobak. Dem US-Magazin Forbes sagte er, Elektroautos würden beim Kunden keinerlei Interesse wecken. Er ist für die Entwicklung und damit die gesamte Zukunft der Marke BMW verantwortlich. Zwar ruderte er gegenüber Die Welt wieder zurück und gelobte, dass der Elektromobilität nun doch wieder die Zukunft gehöre. Doch an seiner Aussage zeigt sich ein Grundproblem der alteingesessenen Hersteller: Sie tun sich schwer, Neuerungen zu akzeptieren und zu fördern.

Ein Blick auf die deutschen E-Autos genügt, um festzustellen, dass man es fast ausschließlich mit umgebauten Verbrennern zu tun hat. Der Audi E-tron basiert auf dem Audi Q5 SUV, der Mercedes EQC auf dem GLC SUV. Und der 2020 erscheinende E-Corsa von Opel teilt sich die Plattform mit dem gleichnamigen Verbrenner. Der Nachteil solcher Übergangslösungen ist, dass die Plattformen nie für die E-Mobilität gedacht waren und die Konstrukteure daher Kompromisse eingehen müssen. Und die machen sich bemerkbar, zum Beispiel, wenn die Fahrzeuge immer noch über einen Getriebetunnel verfügen, der den Innenraum zerteilt.

Das Thema Auto muss komplett neu erfunden werden

Wenn man die Elektromobilität und das autonome Fahren konsequent umsetzen will, muss das Thema Auto komplett neu erfunden werden. Tesla hat das getan, und zwar sehr erfolgreich. Die Grundlage des Fahrzeugs ist nicht der Motor oder die Laufruhe, sondern die Software. Denn die ist nicht nur für die Konnektivität oder das teilautonome Fahren zuständig, sie regelt auch zu einem erheblichen Teil den Verbrauch. So gelingt es Elon Musk und seinem Team, dass der Tesla X bei gleicher Batteriegröße erheblich mehr Reichweite hat als die Konkurrenz aus Deutschland.

Auch beim Neueinsteiger Byton, der noch in diesem Jahr sein erstes Auto auf den Markt bringen wird, ging man bei der Konstruktion einen anderen Weg: Man entwickelte die Software parallel mit dem Auto, um dieses auf das vollautonome Fahren vorzubereiten. Der gesamte Innenraum soll beim ersten Modell schon darauf ausgerichtet sein, weswegen man dem Wagen ein riesiges Display spendiert hat. Auch der chinesische Hersteller Nio, der bisher seine Fahrzeuge nur auf dem heimischen Markt verkauft, hat eine ähnliche Strategie eingeschlagen.

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Wie groß der Vorteil sein kann, wenn man erst die Software und dann das Auto entwickelt, zeigt sich bei Tesla. Der US-Hersteller kann seine Software sofort in jedes neue Modell einbauen, ohne jedes Mal große Anpassungen an den Inhalten machen zu müssen. Wie weit Tesla dabei vorne liegt, zeigt sich bei den Updates. Während deutsche Hersteller erst gerade „Over-the-Air“-Updates erproben, kann das Musk-Unternehmen seinen Kunden deutlich mehr bieten. Da gibt es dann auch schon mal eine komplett überarbeitete Software mit kostenlosen neuen Funktionen für das autonome Fahren, die dann über Nacht auf alle Fahrzeuge aufgespielt wird.

Über Jahrzehnte optimierte Produktion ist ein Problem

Das Problem der etablierten Hersteller ist, dass sie die Produktionsmethoden der bisherigen Fahrzeuge über Jahrzehnte optimiert haben. Das schafft zwar viele Gewinne, aber die Methoden lassen sich auch nicht einfach so und nicht ohne Milliardeninvestitionen umstellen. Eine weitere Bremse ist das Denken der Konzernleute. Während die neuen Hersteller das Thema Auto und Autobesitz komplett neu denken, hat man bei den etablierten Herstellern das Gefühl, dass sie bisher weiter die Autos bauen, die man seit Jahrzehnten herstellt. Nur, dass man jetzt einen E-Motor nimmt.

Damit wird man auf Dauer nicht weiterkommen. Die Gewinne und Verkäufe gehen schon jetzt zurück, weil sich die Mobilitätswünsche der Menschen verändern. Die neuen Hersteller haben das erkannt, vor allem jene aus China, weil sie schon jetzt von anderen Mobilitätsanforderungen getrieben werden. Ein „Weiter so“ darf es deshalb bei den alten Herstellern nicht geben. Das Denken muss sich radikal verändern, sonst erlebt die Autobranche in den nächsten zwanzig Jahren sehr viele Nokia-Momente. Der Name des finnischen Mobilkonzerns gilt mittlerweile als Synonym für verpasste Innovationen. 

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Byton