Das Chaos mit den Ladesäulen ist so groß, dass selbst das Vergleichsportal Verivox keine Antwort kennt.
Das Chaos mit den Ladesäulen ist so groß, dass selbst das Vergleichsportal Verivox keine klare Antwort weiß.

Stell dir vor, du kaufst ein Auto. Als Erstes willst du den Wagen volltanken, also steuerst du eine Tankstelle an. Doch bevor du auch nur einen Liter Sprit bekommst, musst du eine App herunterladen. Du musst dich erst registrieren, eine Adresse und eine Kreditkarte hinterlegen. Bei der nächsten Tankstellen kannst du mit der App nichts anfangen und musst eine zusätzliche Ladekarte kaufen. Beim dritten Mal kommst du an eine Tankstelle und kannst gar nicht tanken, weil du vorher einen Vertrag abgeschlossen haben müsstest. Das klingt absurd und extrem umständlich? Genau das ist die Realität an den Ladesäulen für Elektroautos in Deutschland. Dass viele Autofahrer weiterhin den komfortablen Weg mit Verbrennungsmotoren bevorzugen und frei zugängliche Tanksäulen haben wollen, ist darum wenig verwunderlich.

194 Anbieter mit 288 Tarife für Ladesäulen

Schuld an dem Chaos sind die Stromanbieter und Kommunen. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens EuPD Research kommt zu dem verheerenden Ergebnis: Für die 12.000 Ladesäulen in Deutschland gibt es 288 Tarife von 194 Anbietern. Anderen Befragungen zufolge besitzt jeder E-Autobesitzer fünf Ladekarten und sechs Apps, um das Auto an den Säulen aufladen zu können. Hinzu kommen dann noch die Kreditkarte, Paypal- oder andere Bezahlmöglichkeiten, die die Betreiber anbieten.

Natürlich gibt es auch Anbieter wie Ionity. Das Konsortium, betrieben von den deutschen und einigen ausländischen Herstellern, verspricht, dass man EU-weit Zugang zu tausenden von Ladesäulen mit nur einer Karte hat. Aber Ionity streitet sich gerade mit Ladesäulen-Anbietern um die Preise. Das hat schon dazu geführt, dass man mit dem Energieversorger EnBW einen wichtigen Partner verloren hat. Besitzerinnen und Besitzer von Elektroautos stehen also selbst mit einem großen Partner wie Ionity vor Säulen, die sie nicht nutzen können. Außer sie schließen einen weiteren Vertrag ab.

Die Verträge wiederum sind nötig, um günstig Strom tanken zu können. Hat man diesen nicht, werden an den Säulen bis zu 1,25 Euro für die Kilowattstunde fällig. Das wird zu Recht als Abzocke empfunden, ist rechtlich derzeit aber nicht zu ändern. Die Anbieter der Ladesäulen können die Preise so festsetzen, wie sie wollen. Wer Pech hat und in einer Region wohnt, in der ein teurer lokaler Anbieter das Monopol hat, kommt um einen Vertrag nicht herum.

Verbraucherportal scheitert an Empfehlungen

Das Chaos mit den Ladesäulen ist so groß, dass selbst das Vergleichs- und Vermittlungsportal Verivox keine Antwort kennt. Eine Empfehlung sei schlichtweg nicht möglich, weil die gesamte Situation zu unübersichtlich sei und sich zudem permanent verändere. Der Verbraucher steht also allein und muss schauen, wie er den Durchblick behält. Und das ist nur die Situation in Deutschland. Innerhalb von Europa gibt es auch noch keine einheitliche Lösung und die meisten regionalen Anbieter hierzulande bieten keine EU-weite Abdeckung an.

Immerhin ist der Bundesnetzagentur die Problematik bewusst. Zwar kann man keine Preise vorschreiben, aber ab April 2021 sollen Kunden an allen Ladesäulen frei zwischen den Tarifen verschiedener Anbieter wählen können. Das bedeutet, sofern man einen Vertrag hat, lässt sich theoretisch an jeder Säule mit seiner Ladekarte oder App zu seinem gewohnten Preis Strom beziehen. Wer allerdings keinen Vertrag abschließen will, hat weiter ein Problem.

Natürlich ist die gesamte Situation Gift für das Vorankommen der E-Mobilität. Menschen, die gerade ihr Interesse an einem E-Auto entdecken, sind zu Recht abgeschreckt von dem Chaos, ihr neues Auto zu laden. Zu der Reichweitenangst gesellt sich also auch noch die Sorge, an einer Ladesäule abgezockt zu werden.

Wenn das Laden eines E-Autos so kompliziert und in Einzelfällen auch noch teuer ist, wird sich die E-Mobilität nicht durchsetzen. Sie scheitert dann nicht an der Technik oder am Preis der Fahrzeuge, sondern schlichtweg an einem Markt, auf dem einzelne Anbieter ihre Monopole sichern wollen. So wichtig ein offener Markt ist, so wenig sollte es dazu führen, dass Teilinteressen den Umstieg zur E-Mobilität sabotieren.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

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Bild: Getty Images / SOPA IMages