Um zu verstehen, dass China in Sachen Automarkt schon jetzt eine Supermacht ist, reicht ein Blick auf die nackten Zahlen. Im letzten Jahr wurden in China 25 Millionen Neuwagen unters Volk gebracht. Zum Vergleich: In der gesamten EU waren es 15 Millionen PKW, in den USA 17 Millionen neue Autos. Die kräftigen Gewinne von BMW, Daimler und VW in den letzten Jahren gingen vor allem auf das Konto der Chinesen. Beide Marken erwirtschaften rund 25 Prozent ihres gesamten Umsatzes in Fernost. Und die Zahl der verkauften Autos soll sich bis 2025 noch mal verdoppeln. 2030 könnte weltweit jedes zweite verkaufte Auto einen Käufer in China finden.

Mit den einheimischen Marken haben sich die chinesischen Autokäufer bisher schwergetan. In den letzten Jahren führte VW die Liste der Hersteller mit den meisten Verkäufen an. 2017 brachte man in China 3.3 Millionen Fahrzeuge unter das Volk. Dahinter lag Honda (1.4 Million) vor dem ersten Hersteller aus China. Die Marke Geely verkaufte 2017 rund 1.2 Millionen Autos. Beliebt sind in China vor allem viertürige Mittelklasse Fahrzeuge und SUV.

Die Zeit der schlecht verleimten Kopien ist vorbei

Die chinesischen Autohersteller sind längst erwachsen geworden und haben in den letzten Jahren sehr viel dazu gelernt. Ein Gang über die Peking Motor Show und ein paar ausführliche Sitzproben in den Fahrzeugen chinesischer Hersteller zeigte schnell, wie gut die Autos mittlerweile sind. Hersteller wie BAIC, Geely oder Changan sind in Sachen Verarbeitung und Materialanmutung auf dem Niveau der Konkurrenz aus Europa. Die Zeiten der schlecht verleimten Kopien aus China ist komplett vorbei. Auch bei der technischen Ausstattung holt man auf. Der Mischkonzern Baidu nimmt zum Beispiel in Sachen autonomes Fahren eine Spitzenrolle in der Welt ein.

Die Sorgenfalten vor allem deutscher Massenhersteller vertieften sich nach der Messe noch weiter und der Blick richtet sich auf die Elektromobilität. Während jeder chinesische Hersteller mittlerweile mehrere E-Autos zu attraktiven Preisen anbieten, konnten die Europäer in Peking nur Studien zeigen. „Da gibt es eine große Chance, dass uns das um die Ohren fliegt“, meinte der Manager eines deutschen Konzerns.

Droht auf dem EU-Markt ein Schlachtfest?

Es ist ein perfekter Sturm. Einerseits sind einige Hersteller aus China in Sachen Qualität auf einer Stufe mit den Europäern. Andererseits sammeln die Chinesen seit zwei Jahren jede Menge Erfahrungen mit E-Autos. Wenn die Hersteller in Europa ihre erste Generation an E-Wagen auf dem Markt haben, bastelt man ihn China schon an der dritten Generation. Die wird kurz nach 2020 auf den Markt kommen, also genau dann, wenn die E-Mobilität in Deutschland in Gang kommen soll. Wenn gleichzeitig die Einfuhrzölle auf die Autos aus chinesischer Produktion fallen, könnte es ein Schlachtfest auf dem EU-Markt geben.

Billige, ausgereifte E-Autos aus China könnten für die Hersteller des Landes das Einfallstor in die EU werden und für eine Zeitenwende sorgen. Analog zu der Importwagenwelle der 80er Jahre, als die Japaner mit günstigen, gut ausgestatteten und zuverlässigen Fahrzeugen der verblüfften deutschen Autoindustrie massenhaft Käufer abjagte. Ein Szenario, auf das die chinesische Autoindustrie ab dem Jahr 2020 hinarbeitet. Und bisher fällt dien Gegenwehr der europäischen Hersteller nur schwach aus.

Bild: Don Dahlmann