Wer fährt noch mit E-Tretrollern, wenn Touristen ausbleiben und Unternehmen auf Homeoffice setzen?

Minus 92 Prozent – das ist die erschreckende Zahl zum Neuwagenverkauf in China für den Monat Februar. Die sowieso schon schwachen Verkaufszahlen (seit 19 Monaten rückläufig) treffen die Autohersteller zu einem denkbar ungünstigen Moment. Die Belastungen durch den Wandel zur Elektromobilität sind schon groß genug. Derart katastrophale Ausfälle kann man sich in einer solchen Situation kaum leisten. Gerade die deutschen Hersteller stehen unter zusätzlichem Druck, da sie bis zu 40 Prozent ihrer Umsätze in China generieren.

Doch China ist bei Weitem nicht mehr das Hauptproblem der Branche. Jetzt, da das Coronavirus in Europa für Wochen alles lahmlegt, werden auch hier die Produktion und der Verkauf im schlimmsten Fall einbrechen. Die Konsequenzen werden für die Hersteller schlimm sein, aber zumindest teilweise durch das Kurzarbeitergeld der Bundesregierung abgefedert. Natürlich wird die Bilanz am Ende des Jahres nicht schön aussehen, aber die Hersteller sollten das verkraften können.

Einige Anbieter wird es hart treffen

Ganz anders wird es Startups in der Mobility-Branche ergehen. Zum einen sind sie nicht so liquide wie ein Autokonzern, zum anderen belasten die mögilicherweise anstehenden Umsatzrückgänge die Unternehmen. Auch wenn man sich noch draußen bewegen darf, die Innenstädte werden leer sein, die E-Scooter und E-Tretroller stehen ungenutzt herum. Vermutlich werden sich einige Anbieter überlegen, ihre Dienstleistung bis zum Ende der Krise ganz einzustellen um die operativen Kosten zu drücken.

Das gilt auch für Ridesharing-Angebote. Die Minibusse und Shuttles haben zudem das Problem, dass die Menschen dort auf engem Raum zusammensitzen. Als erstes Unternehmen hat Clevershuttle Konsequenzen gezogen und bietet nur noch Einzelfahrten an. Das lässt natürlich die Kosten explodieren. Ähnliches gilt für Moia, den Berlkönig und vergleichbare Angebote. Allen Unternehmen, die im Bereich der Mikromobilität unterwegs sind, stehen schwere Wochen bevor und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Krise dazu führt, dass sich der Markt konsolidiert.

Das Problem Anschlussfinanzierung

Die Frage ist auch, wie es um weitere Finanzierungsrunden bestellt ist. Es ist für die Unternehmen im Moment sowieso schwer, an Geld zu kommen, weil die VCs die Mobilitätsbranche skeptisch betrachten. Die momentane Lage dürfte die Bereitschaft, neues Geld hineinzupumpen, weiter verringern. Da die Fonds in den letzten Wochen starke Verluste hinnehmen mussten, kann es passieren, dass das Geld knapp wird. Die Folgen wird man aber erst in ein paar Wochen oder Monaten sehen.

Während Mobility-Startups schon zu kämpfen haben, wird die Luftfahrtbranche geradezu auseinandergenommen. Die Autoindustrie kann Produktionen drosseln und verkaufte Fahrzeuge später ausliefern. E-Scooter können geparkt werden, zumal deren Saison erst mit den wärmeren Temperaturen wieder losgeht. Aber die Airlines leiden doppelt und dreifach.

Einnahmeausfälle aufgrund stornierter und nicht gebuchter Flüge sind die eine Seite. Die andere ist, dass die Kosten für die Flugzeuge (Leasing), die Start- und Landeslots an den Flughäfen und die Gehälter für das Personal weiterlaufen. Das betrifft natürlich alle großen Airlines. Aber besonders betroffen sind die kleinen Charter-Unternehmen, die fast ausschließlich die Tourismusbranche bedienen. Die Menge an ausgefallenen Flügen, gerade zur Urlaubszeit um Ostern herum, wird die Firmen schwer belasten. Pleiten sind nicht auszuschließen.

Es sind herausfordernde Zeiten für die gesamte Mobilitätsbranche, um es vorsichtig zu formulieren. Die Lage sollte sich zum Sommer hin wieder normalisieren, aber bis dahin stehen die privaten Mobilitätsanbieter unter enormem Druck.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

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