Digitallabore und Inkubatoren haben deutsche Autohersteller zuhauf hochgezogen. Doch erfolgreich waren nur wenige Projekte.
Digitallabore und Inkubatoren haben deutsche Autohersteller zuhauf hochgezogen. Doch erfolgreich waren nur wenige Projekte.

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Es war einmal eine Industrie, die dringend neue Ideen benötigte. Sie hatte versäumt, sich auf neue Technologien einzustellen und die Digitalisierung nicht ganz ernst genommen. Doch mit Blick auf die USA stellte sie plötzlich fest: Wir benötigten dringend neue Ansätze, schnellere Entwicklungen und Input aus neuen Köpfen. Es geht natürlich um die Autoindustrie und hier vor allem um die deutschen Hersteller wie VW oder Daimler. Die Dieselkrise aus dem Jahr 2015 war nur ein kleiner Teil eines Geschäftsmodells, das weiträumig aus dem Ruder gelaufen war. Danach sollte alles anders werden. Inkubatoren schossen aus dem Boden, man versprach, in deutsche Startups zu investieren. Doch die Bilanz sieht nach fünf Jahren eher mau aus.

Zu sagen, die Hersteller würden nichts tun, ist falsch. Mercedes unterstützt weiterhin die Startup-Autobahn in Stuttgart, Porsche hat einen eigenen Digital-Ableger, der vor allem in Berlin aktiv ist. Auch die Daimler Mobility AG ist weiterhin sehr aktiv und beteiligt sich weltweit an Startups oder kauft sie auf. Bei Audi hat man eine Denkwerkstatt eingerichtet, bei der allerdings nur die eigenen Angestellten in Startup-Atmosphären eintauchen. Aber wo sind die großen Übernahmen?

Kaum Geld für junge Autofirmen aus der EU

Auch bei VW hat man viel Geld für Inkubatoren und andere Projekte ausgegeben. Der Ansatz von VW sieht so aus, dass man Startups für 200 Tage an die Hand nimmt und sie in die Unternehmenswelt einführt. Das scheint – zumindest teilweise – gut zu klappen. Einige Unternehmen, wie das Carsharingunternehmen Carl und Carla konnten die Zeit mit VW für sich nutzen und haben sich erfolgreich etabliert. Auch das Startup Smart City System, das eine Sensor gesteuerte Parkplatzlösung entwickelt hat, konnte dank VW weiter wachsen.

Die wenigen guten Beispiele sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alles glänzt. Auch hier ist VW wieder führend: Satte 2,6 Milliarden Dollar investierte man kürzlich in das Startup Argo, das eine Software entwickelt, die zum autonomen Fahren gebraucht wird. Die Geldspritze war Teil eines Deals mit Ford. Das wirft die Frage auf, warum VW solche Summen nicht in Startups aus Deutschland oder der EU investiert.

Es ist ja nicht so, dass es die nicht geben würde. Das Unternehmen Navya aus Frankreich etwa hat nicht nur eigene autonome Shuttle-Busse entwickelt, sondern auch die passende Software dazu. Trotz anfänglicher Erfolge stecken die Franzosen in Schwierigkeiten. Die Corona-Krise hat zu einem finanziellen Engpass geführt, der auch daher rührt, dass das Unternehmen kaum Unterstützung aus der Industrie bekommt.

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Fast alle EU-Länder beklagen die Dominanz der Startups aus den USA oder aus China im Bereich Industrie 4.0. Auf der anderen Seite scheint es an Unterstützung aus der alten Industrie zu mangeln. Die verstehen sich einfach nicht als Helfer für Startups, weil sie in dieser auch eine mögliche Konkurrenz sehen. Anders ist der Mangel an Unterstützung für Unternehmen wie Sono Motors nicht zu verstehen.

Viele Gründer sind mittlerweile skeptisch

Dazu kommt, dass viele Gründer mittlerweile skeptisch geworden sind, was die Unterstützung aus der Autoindustrie angeht. In persönlichen Gesprächen berichten sie, dass sie Angst haben, dass die Industrie sie ein paar Monate unterstützt, aber nur, um die Idee zu kopieren. Oder für ein größeres Investment die Rechte am Produkt übernehmen wollen. Man verlasse sich lieber auf eigene Finanzierungsstrategien. Andere beklagen, dass der Wille der Industrie zwar da sei, es aber mit der Umsetzung in den Unternehmen hapern würde, weil agile Startups zu schnell für die Unternehmen seien.

Der Wille der Industrie, Startups zu unterstützen, ist zwar vorhanden und an Geld mangelt es trotz der Krise ebenfalls nicht. Aber es fehlt oft das Verständnis füreinander und vor allem der Mut der Hersteller. Die auf Quartalsergebnisse getrimmte Industrie tut sich schwer mit langfristigen Investments. Das ist auch einer der Gründe, warum es bisher kein deutsches Unicorn für die Autoindustrie gibt. Was aber nicht heißt, dass sich das nicht ändern kann. Dafür müssten die Unternehmen allerdings ihre Finanzierungsstrategien für Startups deutlich ändern.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

 

Bild: Volkswagen AG