Ein digitales Shuttle von Ioki

 

Tesla, Google und Uber. Die Riesen aus dem Silicon Valley gelten als die neuen Wettbewerber der Autoindustrie. Elon Musk hat mit seinen E-Autos gezeigt, was Innovation beim Fahrzeugbau bedeutet. Uber und die Google-Tochter Waymo fahren mit autonomen Fahrzeugen in den USA.

Doch nicht nur aus dem Silicon Valley droht den deutschen Autobauern Konkurrenz. Auch ein deutscher Konzernriese schickt sich an, mit neuen Mobilitätsangeboten Bewegung in den Markt zu bringen. Die Deutsche Bahn will mit ihrer jungen Konzernmarke Ioki autonome Shuttles und On-Demand-Verkehre entwickeln – und damit das private Fahrzeug irgendwann ganz überflüssig machen.

Vor einem halben Jahr hat die Bahn die Marke in Berlin erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Das erste Pilotprojekt: ein autonomer Shuttle, Deutschlands erster im öffentlichen Raum. Im niederbayerischen Bad Birnbach bringt ein Elektrobus kostenlos Kurgäste vom Ortskern zur Therme und zurück. Knapp 10.000 Passagiere sind nach Angaben von Ioki-Chef Michael Barillère-Scholz seit dem Start des Shuttles im Oktober mitgefahren, rund 4.700 Kilometer wurden seitdem autonom zurückgelegt.

Rund 15km/h fährt der autonome E-Shuttle im Schnitt, die Strecke ist insgesamt 1,2 Kilometer lang. Für Barillère-Scholz ist das kein Nachteil: Die geringe Geschwindigkeit und die kurze Strecke hätten dazu beigetragen, dass das Shuttle bei den Fahrgästen, vorwiegend älteren Menschen, schnell akzeptiert worden sei. „Mittlerweile ist das Fahrzeug ein fester Bestandteil des ÖPNV geworden“, berichtet der Ioki-Chef von seinem letzten Besuch in Bad Birnbach vor wenigen Wochen. „Wenn der kleine Bus mal zwei, drei Stunden lang nicht fährt, kommen direkt Nachfragen, wie es ihm geht“.

Neue Tests im dynamischen Verkehr geplant

Auch in Großstädten, u.a. in Berlin, plant die Deutsche Bahn gemeinsam mit Partnern autonomes Fahren im öffentlichen Straßenverkehr. Barillère-Scholz sieht für die Shuttle einen enormen Vorteil gegenüber Zügen und neuen Strecken, vor allem im ländlichen Raum: „Um die Infrastruktur für eine neue Bahnstrecke zu errichten, sind in der Regel vier bis fünf Jahre Planung und anschließend lange Bauzeiten nötig“, sagt er. „Wir sind in wenigen Wochen – bestenfalls irgendwann sogar innerhalb von einer Woche so weit, dass wir losfahren können.“

Das E-Shuttle in Bad Birnbach ist für die Deutsche Bahn ein „Erfolgsprojekt“. Es zeigt allerdings auch: Bis Fahrzeuge tatsächlich autonom fahren und Teil des öffentlichen Verkehrs werden, dauert es noch mehrere Jahre. Der E-Bus lässt sich nicht einfach auf die Straße setzen und kann dann losfahren.

Im bayerischen Kurort wurde vorab die Strecke genau vermessen, der Bus kann lediglich den vorher programmierten Weg abfahren. Waymo, Uber und Tesla sind da in den USA schon weiter: Die Riesen aus dem Valley lassen Roboautos quer durch das ganze Land fahren.

 

 

Auch Ioki will solch ein Szenario testen: „Im nächsten Jahr wollen wir gemeinsam mit internationalen Partnern ein fahrerloses Fahrzeug im dynamischen Verkehr testen“, kündigt der Ioki-Chef an. Das sei zwar kein Szenario, was sich innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre in ganz Deutschland skalieren ließe. Mittelfristig sei diese Art der Fortbewegung jedoch wahrscheinlich. „Ioki versteht sich als Forschungseinheit, die neue Entwicklungen vorantreibt und erprobt.“ Dabei verfolge der Geschäftszweig der Bahn einen ganz anderen Ansatz als die Automobilhersteller. „Die OEMS sagen: Unsere Technologie funktioniert immer und überall“, bei Ioko hingegen solle die Komplexität sukzessive erhöht werden, um maximale Sicherheit garantieren zu können. „Nicht ausgeschlossen, dass sich beide Entwicklungswege irgendwann treffen.“

Hamburg: Schneller am Start als Moia?

Autonome Shuttle sind nur ein Pilotprojekt der DB-Marke. In Frankfurt am Main hat die Bahn zudem einen On-Demand-Verkehr für ihre Mitarbeiter gestartet. Per App können die Bahner ein Fahrzeug rufen, das sie dann zu einem von insgesamt 32 Zielen bringt. Einen festen Fahrplan gibt es nicht. Fahrgäste mit ähnlichen Routen teilen sich dabei eines der insgesamt 13 Fahrzeuge, darunter sind auch fünf elektrische Dreiräder, sogenannte Tuktuks, und zwei E-Kleinbusse. Seit dem Start seien 10.000 Kilometer mit 15.000 DB-Mitarbeitern zurückgelegt worden, heißt es.

Mit dem Test bereitet die Bahn die ersten Praxiseinsätze ihrer Shuttle auf Abruf vor. In Kürze geht ein digitaler Rufbus in Wittlich in Rheinland-Pfalz an den Start, ein weiteres Testfeld soll Hamburg werden. Dort will auch die VW-Tochter Moia im Januar 2019 einen solchen Dienst starten. Ioki hat sich vorgenommen, schneller zu sein. Die Genehmigung für die Flotte von etwa 25 Fahrzeugen steht allerdings noch aus, soll aber „in absehbarer Zeit“ erteilt werden, glaubt Barillère-Scholz. Wenn es nach ihm geht, soll es noch dieses Jahr losgehen.

Als direkte Konkurrenz zu Moia sieht die Deutsche Bahn ihre On-Demand-Busse nicht: „Die VW-Tochter baut ein separates, zusätzliches Verkehrssystem auf, das weder tariflich noch anders in den ÖPNV eingebunden ist“, sagt er. „Wir arbeiten hingegen eng mit den Verkehrsbetreibern zusammen und streben an, unsere Shuttles tariflich in den Öffentlichen Nahverkehr zu integrieren und vor allem die letzte Meile zu bedienen, also die Strecke von Zuhause bis zur Bushaltestelle oder zum Bahnhof.

Keine Angst vor IT-Startups

Ioki versteht sich dabei als B2B-Dienstleister. „Unser derzeit 50-köpfiges Team hat die Software Whitelabel-Lösung entwickelt.“ Verkehrsbetreiber könnten sie gegen eine Lizenzgebühr nutzen und damit ein solches Angebot auf ihrer Plattform anbieten. Solch ein Geschäftsmodell verfolgen auch andere Startups, beispielsweise das Berliner Unternehmen Clevershuttle in Lübeck, an dem die Deutsche Bahn ebenfalls beteiligt ist. Door2Door stellt die Technologie für den On-Demand-Bus der Duisburger Verkehrsgesellschaft. Und das Hamburger Startup Wunder, das derzeit vor allem in Manila aktiv ist, hat ebenfalls angekündigt, seine Software an Verkehrsbetreiber verkaufen zu wollen.

Der Ioki-Chef ist sich sicher, gegenüber den Wettbewerbern Vorteile zu haben: „Wir sind durch die Deutsche Bahn im Rücken stark in den ÖPNV eingebunden. Das ist unser USP. Dadurch haben wir nicht nur ein großes Netzwerk an möglichen Kunden – sondern auch die Möglichkeit, schnell auf die relevanten IT-Schnittstellen zuzugreifen.“ Die anderen Player hätten relativ wenig Branchen-Erfahrung. Es reiche nicht aus, nur eine Plattform hinzustellen, ist Barillère-Scholz überzeugt. Ob er damit Recht behält, werden die nächsten Jahre zeigen. Der Kampf um dem Ridepooling-Markt hat gerade erst begonnen.

Bilder: DB AG