Meike Niedbal leitet bei der Deutschen Bahn die Zukunftsforschung und denkt darüber nach, wie Bahnhöfe zu Plattformen für neue Mobilitäts- und Logistiklösungen in Städten werden können. Bahnhof.
Meike Niedbal ist Leiterin Smart Cities der Deutsche Bahn AG und denkt darüber nach, wie Bahnhöfe zu Plattformen für neue Mobilitäts- und Logistiklösungen in Städten werden können.

Bahnhöfe sind magische Orte der Trennung und des Wiedersehens, des Wartens, Kommens und Gehens. Kristallisationspunkte der Mobilität. Und wenn diese sich ändert, übernehmen auch Bahnhöfe neue Funktionen. Welche das sein könnten, erforscht Meike Niedbal. Sie ist Leiterin Smart Cities der Deutsche Bahn AG und entwickelt Ideen für den Bahnhof der Zukunft. Er soll vieles besser können als sein real existierendes Pendant. Er soll eine Schnittstelle für die vernetzte Stadt der Zukunft sein, was Fachleute auch gerne Smart City nennen. Doch bis dorthin ist es noch eine weite Reise. Heute ist der Zeitschriftenladen im Bahnhof häufig der einzige Ort, an dem sich Reisende im Winter aufwärmen können.

Mit 300.000 Passagieren, die hier jeden Tag ein-, aus- oder umsteigen, ist der Berliner Hauptbahnhof ein ideales Experimentierfeld für die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft. Dazu gehört, überall vernetzt arbeiten zu können. Das hat die Bahn im Sommer 2018 zwei Wochen lang gemeinsam mit dem Coworking-Anbieter WeWork getestet. „Wir haben schnell gesehen, dass das Interesse besteht. Das Sofa wurde reingetragen und schon saß jemand drauf und hat sein Laptop ausgepackt“, erinnert sich Meike Niedbal. Viele Besucher des Coworking-Raums fanden, dass ein solches Angebot die Reise erleichtern würde.

„Wir planen langfristig ein Netzwerk von Coworking-Flächen entlang unserer Strecken. Kunden können dann an größeren Stationen darauf vertrauen, dass es eine Coworking-Fläche gibt“, sagt die Zukunftsmanagerin der Bahn. Diese Zentren sollen keine First-Class-Lounges sein. Kunden sollen Arbeitsplätze in den Coworking-Flächen stundenweise oder monatsweise buchen können.

Menschen sollen nicht nur zum Verreisen auf Bahnhöfe kommen. „Man kommt zum Bahnhof und hält sich dort gerne auf, vielleicht sogar ohne einen Mobilitätsanlass“, beschreibt Meike Niedbal eines ihrer Ziele. „Wir wollen Mehrwert für den Reisenden schaffen.“

Ein solcher Mehrwert ist Zeitersparnis, wenn Pendler an einem Bahnhof ihre alltäglichen Besorgungen machen – und beispielsweise Onlinebestellungen entgegen nehmen. Ein Pilotversuch mit Smart Lockern, sogenannten intelligenten Schließfächern, in Stuttgart fand großes Interesse bei den Kunden. Die Fächer wurden mit Lebensmittel-Bestellungen aus dem Bahnhofssupermarkt bestückt. Fahrgäste konnten ihren täglichen Einkauf auf dem Heimweg im Vorbeigehen mit nach Hause nehmen.

Lest auch


Lest auch

Vorstellbar ist, dass in den Schließfächern nicht nur bestellte Lebensmittel abgelegt werden, sondern auch Pakete von Logistikfirmen. „Unser Ziel ist, das anbieterübergreifend hinzubekommen. Nur dann gibt es den Mehrwert für den Kunden“, sagt Meike Niedbal. Das soll in Hamburg erprobt werden.

Neben der Logistik denkt die Bahn über Mobilitätsangebote nach, die den Schienenverkehr ergänzen. Hier gibt es bereits konkrete Ergebnisse. Das Programm, insgesamt 100.000 Fahrrad-Parkplätze an Bahnhöfen einzurichten, ist angelaufen. Ungelöst ist dagegen noch die Frage, wie sich die Verkehrsbelastung durch Parkplatzsuche in Bahnhofsnähe vermeiden und wie sich andere Mobilitätsangebote integrieren lassen – etwa intelligente Sammeltaxis wie der Carpooling-Service Clevershuttle (an dem die Bahn mehrheitlich beteiligt ist) oder der On-demand-Bus Ioki, der in Hamburg bereits fährt.

Viel versprechend verlief ein Pilotversuch In Frankfurt, wo die Bahn im letzten Sommer 50 Elektroscooter auf der Straße hatte, mit denen über 50.000 Kilometer zurückgelegt wurden. Die Zukunft diese Projekts ist offen. „Wie wir weitermachen, müssen wir noch entscheiden“, sagt Niedbal.

Viele Smart-City-Projekte der stecken noch in der Pilotphase. Der unter Kostendruck stehende Staatskonzern tut sich mit der Umsetzung seiner Pläne schwer. Hinzu kommt die Vielseitigkeit der Anforderungen. „Das Kundenerlebnis ist am Berliner Hauptbahnhof ein ganz anderes als an einer S-Bahn-Endhaltestelle in einem Wohngebiet“, sagt Meike Niedbal. Für beide Enden muss die Bahn etwas bieten können.

Doch bei allen wohlklingenden Zukunftsplänen will Meike Niedbal eine zentrale Aufgabe nicht vergessen: Denn Menschen suchen Bahnhöfe in erster Linie auf, weil sie von einem Ort zum anderen kommen wollen – schnell, bequem und pünktlich. „Wir müssen an unserer Basisqualität weiter arbeiten und Bahnhöfe sicherer und sauberer machen. Der Kunde soll sich gerne an den Bahnhof erinnern.“

Bild: Deutsche Bahn / Pablo Castagnola