So einfach das Prinzip Carsharing für den Endkunden ist, so schwer lässt sich als Unternehmen damit Geld verdienen.

Im Februar 2019 feierten Daimler und BMW in Berlin offiziell die Hochzeit ihrer digitalen Dienstleistungsunternehmen. Sie präsentierten ein hoch kompliziertes Firmenkonstrukt, in dem die verschiedenen Angebote der Hersteller in fünf Joint Ventures gebündelt wurden. Die damaligen CEOs Dieter Zetsche und Harald Krüger feierten die Zusammenarbeit als wichtigen Schritt im internationalen Wettbewerb um Marktanteile im Bereich neue Mobilität. Wenige Monate später ist die Euphorie verflogen. Schuld daran sind vor allem die Belastungen durch das Carsharing.

Weder Car2go von Daimler noch die BMW-Tochter Drivenow waren jemals profitabel. Genaue Zahlen zu beiden Töchtern haben die Unternehmen nie vorgelegt. Jedoch haben beide Seiten bestätigt, dass das Carsharing weiterhin ein Investitionsbereich sei. Mit anderen Worten: Obwohl die Nutzerzahlen insgesamt steigen, muss weiterhin viel Geld nachgeschossen werden.

Enormer Konkurrenzkampf: Leihwagen aktuell günstiger als E-Scooter 

Ein Grund dafür ist hierzulande unter anderem der enorme Konkurrenzkampf. Vor allem der Autovermieter Sixt hat für sinkenden Minutenpreise gesorgt. Im vergangenen Sommer bot man die gesamte Flotte für neun Cent die Minute an. Im Moment bekommt man weiterhin den Renault Zoe zu diesem Preis. Für weiteren Druck – zumindest in Berlin – sorgt das Carsharing-Angebot von VW namens Weshare. Das vermietet seine Fahrzeuge für 19 Cent die Minute. Dagegen verlangt Sharenow zwischen 25 und 39 Cent pro Minute. Die Folge: Vor allem in Berlin war das Angebot von Daimler und BMW nicht mehr erste Wahl für die Kunden.

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Es herrscht ein brutaler Verdrängungswettbewerb. Die Minutenpreise von Sixt und VW decken auf gar keinen Fall die Kosten. Zurzeit bekommt man einen Leihwagen günstiger als einen E-Scooter oder ein Leihfahrrad. Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, müssten alle Beteiligten wissen. Da die Autoindustrie sowieso unter Druck steht, suchen die Hersteller nun nach weiteren Investoren, um die laufenden internen Kosten zu senken.

Die Hersteller sehen sich mit einem Dilemma konfrontiert. Will man sich zum Mobilitätsdienstleister wandeln, muss man auch konsequent mit Lobbyarbeit dafür sorgen, dass die Autos aus den Städten zurückgedrängt werden. Damit schneidet man sich aber ins eigene Fleisch des Kerngeschäfts. Zurzeit wird damit immer noch das Geld verdient, während die Mobilitätsangebote nur Verluste einfahren. Wenn die Menschen in Städten aber auf das Auto verzichten sollen und man keine Alternativangebote anbietet, steht man ebenfalls vor einem Problem.

Warum sich Carsharing kaum für die Anbieter lohnt – und trotzdem notwendig ist

Ein großer Kostenpunkt beim Carsharing betrifft die Anschaffung, Wartung und Pflege der Fahrzeuge. Auch wenn man die Geschäftsgebiete schon sehr klein hält, die Fahrzeuge müssen immer noch von einzelnen Fahrern eingesammelt und nach erfolgter Pflege wieder ins Geschäftsgebiet gebracht werden. Vor allem die damit verbundenen Kosten drücken auf das Ergebnis.

Eine Lösung für dieses Problem erhoffen sich alle Anbieter von vollautonomen Fahrzeugen. Doch die werden vor allem hierzulande so schnell nicht auf der Straße zu sehen sein. Auch wenn Waymo in den USA erste vollautonome Taxifahrten ohne Sicherheitsfahrer anbietet, ist der Weg zum vollautonomem Taxi noch weit. Es gibt in der EU bisher nicht mal einen rechtlichen Rahmen für diese Fahrzeuge und die Tests, die die technische Grundlage für kommende Gesetze schaffen sollen, sind gerade erst angelaufen.

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Aufgeben kann und will man das Carsharing-Geschäft aber trotzdem nicht. Immer mehr Metropolen planen ihre Innenstädte autofrei zu machen. Der Absatz von Fahrzeugen ist weltweit rückläufig. Man benötigt Einnahmen aus anderen Quellen – Mobilitätsdienstleistungen wären in Zukunft eine Möglichkeit. Zieht man sich aus dem Carsharing zurück, überlässt man das Feld Uber, Lyft und der Konkurrenz aus China. Gleichzeitig fällt es den Unternehmen immer schwerer, die Investitionen gegenüber den Share- und Stakeholdern zu rechtfertigen, wenn die Gewinne weiter sinken.

Von daher ist es gut möglich, dass wir bereits den Höhepunkt der Carsharing-Welle erlebt haben. Das Free-Floating-Modell könnte sich schnell verabschieden, übrig bleiben könnten dann die stationsbasierten Angebote, deren laufenden Kosten deutlich geringer ausfallen.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Daimler AG