Die Mobilität der Zukunft: Autokonzerne sind gezwungen, immer mehr Services in ihre vernetzten Fahrzeuge einzubauen.
Die Mobilität der Zukunft: Autokonzerne sind gezwungen, immer mehr digitale Services in ihre vernetzten Fahrzeuge einzubauen.

IoT, Kühlschränke, Voice Assistent. Was früher getrennte Produkte waren, verschmilzt immer mehr. Mittlerweile haben selbst simple Fernbedienungen einen Sprachassistenten und mittels Alexa lässt sich das gesamte Leben digitalisieren. Es hört auch nicht auf, wenn man sich in ein Auto setzt. Doch im Vergleich zu einem 400-Euro-Smartphone wirken die Entertainmentsysteme der Fahrzeuge geradezu archaisch.

Noch akzeptieren die Kunden die winzigen Displays mit kruden Betriebssystemen, weil sie sich während der Fahrt sowieso auf etwas anderes konzentrieren müssen. Aber ab 2021 sollen die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen, die die autonome Fahrstufe Level 4 beherrschen. Der dann oft arbeitslose Fahrer hat viel Zeit und erwartet im Auto den Zugriff auf seine gewohnten Services.

Das Auto als Hülle für digitale Dienste

Damit wird das Auto eine Hülle für Dienstleistungen, die andere anbieten. Das Rennen ist da mehr oder weniger verloren, weil Daimler oder VW niemals Amazon oder Apple ersetzen werden können. Die Aussichten für die Hersteller sind damit nicht gut. Weil der Motor kein Alleinstellungsmerkmal eines Herstellers sein wird und weil das autonome Fahren das Auto zu einer bloßen Transporthülle degradieren wird, werden auch die Hersteller an Macht verlieren. Sollte Amazon einem Hersteller, aus welchen Gründen auch immer, seine Dienste entziehen, wird der Hersteller in Probleme kommen. Schon jetzt sind große Teile des Netzes von Amazon und seinen Diensten abhängig. Wie tief Amazon ins alltägliche Leben vorgedrungen ist, hat die Journalistin Kashmir Hill in einem Selbsttest ausprobiert.

Im Umkehrschluss bedeutet dies für die Hersteller, dass sie auf lange Sicht von den Angeboten der US-Konzerne abhängig sein werden. Was wiederum dazu führen wird, dass diese Konzerne die Lizenzgebühren monopolartig bestimmen können. Wie das aussehen kann, hat Google bei seinen Kartenservices vorgemacht. Zunächst bot Google seine Maps für wenig Geld, später wurden die Gebühren kräftig erhöht. Mangels Konkurrenz blieb den Entwicklern nichts anderes übrig, als die neuen Gebühren zu akzeptieren.

Industrie will „Amazon der Mobilität“ werden

Der deutschen Industrie ist das Problem bewusst. Nicht umsonst hat sie mit Here einen eigenen Kartendienst erworben. Daimler und BMW werfen ihre digitalen Dienste zusammen, um Kosten zu sparen. Was die deutschen Hersteller gerade versuchen, ist eine Art „Amazon der Mobilität“ zu werden, um eine Art Parität mit den Software-Giganten zu schaffen. Genauso, wie Audi, Daimler und Co. auf Amazon Alexa, Apple oder Microsoft angewiesen ist, genauso sollen die wiederum von den Transporthüllen und Mobilitätsangeboten der Hersteller abhängig sein.

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Für die Autohersteller bedeutet dies aber auch, dass sie unbedingt die langen Produktzyklen verkürzen müssen. Das gilt insbesondere für die Software der Entertainmentsysteme, die die schnellen Updatezyklen der US-Firmen mitmachen müssen. Das wird nur gehen, wenn die Industrie deren Entwicklung von der Produktions des Autos trennt. Gleichzeitig ist es fraglich, ob den Herstellern dieser Sprung alleine gelingen wird.

Wo Startups profitieren können

Hier bietet sich eine enorme Chance für Startups. Denn viele Services rund um das Autofahren werden bisher weder von den Herstellern noch von den US-Softwareunternehmen angeboten. Wenn man im Auto Alexa nutzt, macht es Sinn, dass Alexa zum Beispiel nach Parkplätzen sucht. Dafür benötigt Alexa aber einen neuen Skill und damit eine komplette Plattform. Parkplätze müssen in einer Datenbank vorhanden sein, ebenso deren Verfügbarkeit und die Parkkosten. Eine solche Plattform können weder die Hersteller noch Amazon allein auf die Beine stellen.

Die Frage in den nächsten drei bis fünf Jahren wird also sein, welche Services das Auto der Zukunft bieten muss und welches Startup diesen Service anbietet. Beziehungsweise, welcher Hersteller es schafft, solche Angebote exklusiv an sich zu binden.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: VW AG