Für Kunden des öffentlichen Nahverkehrs ist es eine große Herausforderung, das richtige Ticket auszuwählen.
Für Kunden des öffentlichen Nahverkehrs ist es eine große Herausforderung, das richtige Ticket auszuwählen.

Wenn man sich einmal richtig hilflos fühlen will, dann begibt man sich in einer fremden Stadt vor einen Ticketautomaten des ÖPNV und versucht, die richtige Fahrkarte zu ziehen. Vielerorts gleicht der Kauf einer Karte für den Nahverkehr einer Bachelor-Arbeit. Es gibt Zonen, die nach Buchstaben, nach Nummern oder scheinbar nach den Regeln der Chaostheorie aufgeteilt sind. Woher soll man wissen, ob das Fahrziel am Rande der Stadt nun noch im Kurzstreckentarif liegt? Manchmal hat man das Gefühl, die Betreiber würden es darauf anlegen, dass man mit dem falschen Ticket unterwegs ist und erwischt wird. Dazu kommt, dass viele Automaten Kleingeld fordern. Kontaktloses Zahlen? Da kann man meist lange suchen.

Kein Außenstehender kann die Einteilung von Tarifzonen verstehen, auch wenn sich da bestimmt mal eine Arbeitsgruppe sehr viele Gedanken gemacht hat. Dabei ginge es einfacher, wie die Stadt Berlin zeigt. Drei Zonen, die nach Entfernung ansteigen, fertig. Allerdings ist auch die Wahl des richtigen Tickets für die Zone C am Automaten auch nicht gerade einfach für Touristen. Die Frage ist, warum das eigentlich alles so kompliziert sein muss.

Das fragen sich auch diejenigen, die seit Mitte der 90er-Jahre an einem einheitlichen E-Ticket für Deutschland arbeiten. Es wäre ein kleiner Traum, wenn man mit einer App in ganz Deutschland in jeder Stadt einfach nach Eingabe der Zieladresse ein Ticket lösen kann. Das Problem ist bisher, dass die über 300 Anbieter, die für den ÖPNV in den jeweiligen Regionen zuständig sind, alle unter einen Hut gebracht werden müssen. Da das eine schwierige Angelegenheit zu sein scheint, arbeitet eine Kommission (was auch sonst) seit 2003 daran, die Tarif- und Abrechnungssysteme zu vereinheitlichen.

Dass man über 300 unterschiedliche und nicht miteinander kompatible IT-Systeme nur schwer in eine App bekommt, ist nachvollziehbar. Nicht verständlich ist allerdings, warum man bundesweit nicht in der Lage ist, Tarifzonen zu harmonisieren. Dabei kann man ja bei der Neuplanung durchaus Rücksicht auf die unterschiedlichen Finanzierungsbedürfnisse nehmen. Aber nicht mal hier gibt es Bewegung.

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Noch einfacher wäre es natürlich, wenn man „Pay as you go“-Systeme einführen würde. Die Bahn hatte das versucht, beendete das Programm allerdings vor einigen Jahren, weil es auf zu vielen Ebenen zu kompliziert war. Da das System darauf beruhte, dass die Kunden sich selber ein- und auscheckten, gab es immer wieder Probleme. Manchmal vergaßen die Reisenden schlichtweg den Check-out, manchmal wurde dieser nicht registriert.

Die komplexen Tarifsysteme und die schlechte technische Infrastruktur des ÖPNV sorgen auch dafür, dass Startups kaum Chancen für Alternativen haben. Das Berliner Startup Door2Door hatte vor Jahren schon versucht, einen Ticketverkauf über die App anzubieten. Das scheiterte, wie bei anderen Startups auch, an der mangelnden Infrastruktur und an der Blockade der ÖPNV-Anbieter, die die Bezahlsysteme nicht für andere Verkehrsunternehmen öffnen wollen. Davon kann auch Siemens Mobility ein Lied singen, die eine fertige App in der Schublade haben, aber keinen Zugang zu den Fahrkartensystemen bekommen.

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Das Chaos um die Tarifzonen muss endlich beseitigt werden. Es bremst nicht nur das längst überfällige bundesweite E-Ticket aus, verhindert werden auch andere Innovationen im Nahverkehr. Wer den ÖPNV attraktiver machen und mehr Menschen vom Auto loseisen will, muss das System generell vereinfachen. Dazu gehören auch faire „Pay as you go“-Tarife und dass man die Tickets verschiedener Anbieter in einer App erwerben kann.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images / Ferdinand Daniel