Lieferwagen verursachen oft Staus aud städtischen Straßen. Dass muss sich ändern. Aber wie?

Die Schuld für die Misere des Lieferverkehrs kann man nicht ganz zu unrecht beim Verbraucher suchen. Immerhin bestellt der weltweit seine Waren und die Logistikfirmen sind nur Erfüllungsgehilfen. Auf der anderen Seite hat die Branche das Ansteigen der Paketlieferungen seit Jahrzehnten prognostiziert, aber keine neuen Konzepte entwickelt. Die weltbewegendste Idee stammt noch von UPS, das seine Routen mittlerweile so auslegt, dass die Fahrer nicht mehr links abbiegen müssen – weil das erfahrungsgemäß länger dauert. Doch den Lieferwagenverkehr mit neuen Lösungen radikal zu reduzieren, darauf sind die Unternehmen anscheinend noch nicht gekommen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) äußerte vergangene Woche die Idee, Pakete in Großstädten nachts per U-Bahn auszuliefern. Eigens dafür umgebaute Züge sollen in der Nacht ihre Routen abfahren und an den Haltestellen die Sendungen entweder in Packstationen oder Microhubs zwischenlagern, von wo sie dann am nächsten Morgen mittels E-Lastenrädern zum Kunden transportiert werden. Ein kurioser Einfall.

Denn zum einen gibt es in Deutschland nur vier Städte mit U-Bahnen. Zum anderen wäre der operative Aufwand für die Betreiber sehr hoch. Und so haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auch gleich schon abgewunken. Allein der Umbau der Züge würde Millionen verschlingen.

CO2-neutrale Lieferwagen ändern nichts am zentralen Problem

Die Idee des Ministers ist ebenso wenig brauchbar wie die, alte Diesel-Lieferwagen durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Hier gäbe es zwar diverse Möglichkeiten, etwa den Streetscooter oder die E-Transporter von Daimler, VW, Renault oder Nissan. Doch die alten Wagen einfach gegen CO2-neutrale Modelle zu tauschen ändert nichts an einem zentralen Problem der urbanen Logistik: Dass die vielen Lieferfahrzeuge den Stadtverkehr mittlerweile schwer beeinträchtigen.

Die Beratungsfirma PWC stellte schon 2017 in einer Studie fest: „Der Güterverkehr macht 20 bis 30 Prozent des Stadtverkehrs aus, verursacht aber etwa 80 Prozent der innerstädtischen Staus in Stoßzeiten. Außerdem sind viele Transporter, die in die Innenstadt fahren, nicht voll beladen, was die ohnehin schon kritische Situation an den Laderampen verschärft und zu zusätzlichen Staus führt.“ Das Fazit der Berater damals: „Das heutige System der städtischen Logistik ist alles, nur nicht effizient.“ Und an dieser Situation würden noch so viele neue E-Lieferwagen nichts ändern.

Eine andere Lösung, auf die einige Städte setzen, sind festgelegte Ladezonen. Diese werden aber häufig von den Lieferanten nicht genutzt, weil es meist pro Straße nur eine gibt und die Wege zu den Häusern von dort oft lang sind. Die Folge: Auslieferer fahren lieber 20 Meter und laden dann erneut aus.

Unternehmen scheuen den nötigen Umbau

Wirklich etwas ändern würde sich nur, wenn die Logistikunternehmen die Auslieferung komplett neu gestalten: In jedem Stadtbezirk müsste es Microhubs geben, die nachts mittels E-Lkw (nicht per U-Bahn, Herr Scheuer) befüllt werden. Am folgenden Morgen werden die Pakete dann mit E-Lastenrädern ausgeliefert. Bis auf wenige Testgebiete scheut die Industrie diesen Umbau aber, weil er die Kosten nach oben treiben würde.

Gefragt sind an dieser Stelle mal wieder die Städte. Sie hätten durchaus die Möglichkeit, regulierend einzugreifen. Ein Verbot von Diesel-Lieferwagen für Lieferdienste wäre ein sehr weitreichender Einschnitt, ebenso eine Begrenzung der Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge, selbst dann, wenn sie über einen Elektroantrieb verfügen würden. Bessere wäre es, wenn man mit den Unternehmen gemeinsame Konzepte für eine neue Logistik auf der letzten Meilen entwickelt. Also der Schritt zu Microhubs und Lastenräder. Leicht wird das nicht. 

Aber klar ist auch: Wenn sich nichts ändert, werden die Folgekosten der Logistik (durch Staus, Emissionen etc.) explosionsartig ansteigen. Diese Kosten werden die Städte irgendwann nicht mehr zu tragen bereit sein. Es wird also Zeit, dass sich die Logistikunternehmen endlich bewegen und ihre Auslieferungsstrategie dramatisch verändern.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

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