Weil sich die Geschäftsgebiete neuer Mobilitätsanbieter zumeist auf Innenstädte beschränkt, kommt die Verkehrswende bei Bewohnern auf dem Land nicht an.
Weil sich die Geschäftsgebiete neuer Mobilitätsanbieter zumeist auf Innenstädte beschränkt, kommt die Verkehrswende bei Bewohnern auf dem Land nicht an.

 

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Wenn es darum geht, die Nutzung des Autos in den Innenstädten ein wenig einzuschränken, haben viele Unternehmen Ideen. Der Bundesverband Carsharing rechnet gerne vor, wie viele Privat-Pkw theoretisch nicht mehr nötig wären, würde man doch nur verstärkt auf das Carsharing setzen. Auch die Anbieter der E-Scooter glauben, die Zahl der täglichen Fahrten mit dem Auto verringern zu können. Belastbare Daten gibt es dazu kaum. Stattdessen steigt die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge in Berlin pro Jahr weiter an.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber sie haben zu einem großen Teil auch damit zu tun, wo die Angebote der neuen Mobilität verfügbar sind. Die Geschäftsgebiete fast aller Anbieter beschränken sich in den meisten Städten auf einen sehr kleinen Bereich der Innenstadt. Sobald man diesen Bereich verlässt, steht man ohne Angebot da. Dazu kommt, dass sich das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs mit zunehmender Entfernung ebenfalls ausdünnt. U-Bahnen enden, S-Bahnen fahren nur noch im 20-Minuten-Takt, Busse ebenso und die Wege zu den Stationen sind weit.

Die Städteplanung der Nachkriegszeit rächt sich

Dazu kommt auch, dass die Einkaufsmöglichkeiten in den Vorstädten ebenfalls schlechter sind. Wer etwa nur zehn Kilometer außerhalb der Innenstadt wohnt, kommt ohne Auto fast gar nicht mehr weiter. Schuld daran sind die Fehler aus der Vergangenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Städte in Deutschland komplett neu geplant und als Grundlage diente das Buch „Die autogerechte Stadt“ des Architekten Hans Bernhard Reichow. Darin wurde unter anderem propagiert, Innenstädte zu reinen Arbeits- und Einkaufzentren umzuplanen und die Bewohner außerhalb des Zentrums anzusiedeln.

Die Konsequenzen der Fixierung auf das Auto als alleiniges Verkehrsmittel außerhalb der Innenstädte trug zu den aktuellen Problemen bei. Und leicht zu lösen sind sie nicht. Allein der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in die nahe Peripherie der Städte würde Milliarden verschlingen. Geld, das angesichts der derzeit schlechten Wirtschaftslage kaum vorhanden ist.

Dabei hat es durchaus Versuche gegeben, die entfernten Wohngebiete an die City anzuschließen. In Berlin gibt es das Ridesharing-Angebot des Berlkönig seit einigen Monaten in ein paar Randgebieten. Das Ergebnis ist aber ernüchternd. Gerade mal zehn Kunden nutzen den Berlkönig täglich im Vorort Heiligensee, so der Tagesspiegel. Das reicht natürlich bei Weitem nicht, um die Kosten zu decken. Der E-Scooter-Anbieter Voi will sein Angebot in Spandau starten, nachdem es dort wohl eine hohe Nachfrage gegeben haben soll.

Neue Abo-Angebote sind gefragt

Solange das Problem in den Vorstädten nicht gelöst wird, wird es schwer mit der Verkehrswende. Wie sollen die Anwohner in die Stadt und zur Arbeit kommen, wenn sie in der Innenstadt entweder gar nicht mehr oder nur zu sehr erhöhten Preisen parken können. Immerhin: Die Kosten für einen Parkplatz in Deutschland sind im internationalen Vergleich immer noch sehr gering.

Die Städte werden das Problem auf dem Verwaltungsweg nicht lösen können. Man wird sich externe Hilfe holen müssen. Das gilt nicht nur für die alternativen Angebote von Mobilitätsdienstleistern, sondern auch für die gesamte Planung. Solange die Behörden die Planung der Infrastruktur nur am Auto ausrichten, wird sich nichts ändern. Dabei können gerade Startups mit ihren Software- und Datenmodellen viel Hilfe leisten.

Warum schafft man keine Konzepte, bei denen private Anbieter und der ÖPNV zusammenarbeiten? Warum kein Abo-Angebot des städtischen Nahverkehrs, der die Nutzung von Carsharing, E-Scootern und Ridesharing kombiniert? Viele ÖPNV-Anbieter sehen die neuen Mobilitätsunternehmen als Gegner, dabei sind sie eigentlich natürliche Partner. Denn beiden geht es darum, die Städte vom Autoverkehr zu entlasten und mehr Bewegungsfreiheit für die Bürger zu schaffen.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images / AFP / Freier Fotograf