Abgestellte E-Tretroller vor dem Brandenburger Tor: erst der Anfang?

Sie flitzen über den Radweg, parken meist im Rudel und sorgen nicht selten für hitzige Diskussionen: Seit mehr als vier Monaten sind E-Scooter auf deutschen Straßen unterwegs. Wer gehofft hat, dass die Elektroflitzer so schnell wieder verschwinden, wie sie die Innenstädte erobert haben, wird aber wahrscheinlich enttäuscht werden.

„E-Scooter sind gekommen, um zu bleiben. Der Markt hat sogar Platz für mehr Elektroroller, als wir heute sehen, denn in vielen Städten ist noch Potenzial“, sagt Kersten Heineke, Leiter des „Center for Future Mobility“ der Unternehmensberatung McKinsey, im Gespräch mit Business Insider. Er rechne damit, dass die Zahl der E-Scooter-Städte noch weiter steigen wird – den winterlichen Witterungsbedingungen zum Trotz.

Nach der offiziellen Zulassung im Juni hatten sich die E-Scooter-Startups zunächst auf die Metropolen Berlin, Hamburg, München und Köln konzentriert, über den Sommer kamen dann nach und nach auch einige Studentenstädte wie Münster und Nürnberg dazu. Inzwischen sind die E-Scooter in insgesamt 29 Städten unterwegs, fast wöchentlich kommen neue hinzu.

Voi: „Wir könnten in mehr als 190 Städten aktiv sein“

Allein der schwedische Anbieter Voi will sein Angebot bis zum Jahresende in 30 bis 35 weiteren Städten einführen. „In Schweden hat sich gezeigt, dass sich Sharing und Mikromobilität auch in kleineren Städten mit 50.000 Einwohnern auszahlen. Wenn man das auf Deutschland überträgt, könnten wir in mehr als 190 Städten aktiv sein“, sagt Voi-Deutschlandchef Claus Unterkircher zu Business Insider.

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Während der Expansionsdrang der Roller-Startups ungebremst ist, trimmen sie ihr Geschäftsmodell weiter auf Effizienz. Noch zum Marktstart im Sommer hatten Kritiker den E-Scootern ein schnelles Ende vorausgesagt – ganz ähnlich wie bei den chinesischen Leihrädern, die über Nacht in Schwärmen auf den Straßen standen und nach einer Saison wieder verschwanden. Zu hoch seien die Betriebskosten für das Verteilen und Aufladen der E-Scooter, zu kurz die Lebensdauer, hörte man etwa in Investorenkreisen.

Wirtschaftlicher Erfolg hängt von Lebensdauer der Roller ab

Einwände, die auch Mckinsey-Berater Heineke in seiner Risikobewertung teilt. Nach seiner Berechnung müssten die E-Scooter mindestens vier Monate lang fünf Fahrten am Tag absolvieren, damit sie in die Gewinnzone kommen. Zum Vergleich: Die ersten Modelle, die auf den Markt kamen, hielten kaum mehr als einen Monat.

Doch die Startups hätten schnell hinzugelernt, sagt Heineke: „Die ersten E-Scooter am Markt waren nicht für den Leihbetrieb gebaut — das ändert sich nun. Es gibt immer mehr Firmen, denen es gelingt, die Haltbarkeit zu verbessern.“

Voi gibt beispielsweise an, dass jeder einzelne Roller, den die Firma in Deutschland auf die Straße gebracht hat, heute noch aktiv sei. Bei den neuen Modellen gehe man von einer Lebenszeit von 18 bis 24 Monaten aus.

Ähnliche äußert sich auch der deutsche Anbieter Tier. Man gehe bei der zweiten Generation von E-Scootern von einer Lebenserwartung von „deutlich mehr als zwölf Monaten“ aus. Glaubt man den Daten von Voi und Tier, wäre das ein erheblicher Effizienzgewinn.

Startups trimmen Ladeinfrastruktur auf Effizienz

Neben der Lebensdauer ist vor allem die Ladeinfrastruktur kritisch für das Geschäftsmodell. Sie gilt als größter Kostentreiber, denn die Logistik dahinter ist personal- und energieintensiv. Bisher sammeln die Anbieter die Roller per Transporter ein, laden sie in einem Lager über Nacht wieder auf und verteilen sie morgens wieder in der Stadt — und das jeden Tag.

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Auch das soll sich bald ändern, um Kosten zu sparen. Bis 2020 will Voi Fahrzeuge mit austauschbaren Akkus auf die Straße bringen, die ersten Tests würden gerade in Skandinavien laufen und sollen noch in diesem Jahr in Deutschland folgen. Auch andere Anbieter arbeiten an einer neuen, mobilen Akku-Generation.

Die Fahrzeuge müssten dann nicht mehr mit dem Transporter eingesammelt und zur Ladestation gefahren werden, sondern könnten einfach mit Cargobikes abgefahren werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Business Insider Deutschland.
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Bild: Getty Images / TOBIAS SCHWARZ