Tesla-Chef Elon Musk wehrt sich auf Twitter gegen Kritik an der Arbeit seines Unternehmens

Am Dienstag platzte Elon Musk endgültig der Kragen. Eine knappe Woche lang hatte er sich schon wegen des ersten tödlichen Unfalls eines Tesla im sogenannten Autopilotmodus rechtfertigen müssen, dann erschien dieser Artikel in der „Times of India“: „Wie Elon Musks Tesla Flamingos mit seinen elektrischen Autos töten könnte“.

Es ging darum, dass durch den Abbau von Lithium, das für Akkus gebraucht wird, Lagunen in Chile austrocknen, in denen die Vögel leben. Musk allein die Schuld dafür zu geben ist ziemlich weit hergeholt. Entsprechend zynisch antwortete er auf Twitter: „Weil ich natürlich Flamingos hasse …“

Tatsächlich sind die pinkfarbenen Vögel gerade Musks kleinstes Problem. Zum ersten Mal bekommt der lange als Superunternehmer, Genie und Weltverbesserer gefeierte Tesla-Chef richtig Gegenwind. Der Grund sind keine Wasservögel, sondern zwei schwere Unfälle, die Tesla-Elektroautos verursacht haben sollen, weil ihre Fahrer den sogenannten Autopiloten aktiviert hatten. Tesla hatte das Assistenzprogramm lange so vermarktet, als könnten die Autos bereits, woran alle anderen Fahrzeughersteller noch arbeiten: selbstständig fahren.

Seit Anfang Juli ist klar: Auch Tesla können nicht ohne die ständige Überwachung des Fahrers durch den Verkehr steuern. Joshua Brown, ein Mann aus Ohio, bezahlte diese Erkenntnis mit seinem Leben, als sein Tesla ungebremst unter einen Lastwagenanhänger raste.

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Musk kondolierte Browns Familie auf Twitter und im Blog seines Unternehmens, doch die Kritik an ihm reißt seitdem nicht ab. Inzwischen wurde noch ein zweiter Unfall bekannt, der allerdings glimpflich ausging. Nicht nur die Verkehrssicherheitsbehörde in den USA untersucht jetzt den Autopiloten, sondern auch das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat eine Überprüfung eingeleitet, bestätigte Tesla.

Die Zulassung des Systems für Europa hatte die niederländische Behörde RDW übernommen, das KBA war daher nicht zuständig. Doch hätte man die deutsche Aufsicht gefragt, sie hätte den Autopiloten nicht genehmigt. Denn Tesla betont stets, dass sich die Technik noch in der sogenannten Beta-Phase befindet, sie ist also noch nicht ausreichend getestet. „Wenn mit der Bezeichnung ,Beta-Version‘ ein ,unfertiger‘ Stand der Software gemeint ist, würde das KBA eine Funktionalität mit einer derartigen Software nicht genehmigen“, teilte die Behörde der „Welt am Sonntag“ mit.

Kapitalerhöhung elf Tage nach dem Unfall

Doch es geht nicht mehr nur um die technische Sicherheit des Autopiloten. In den USA gibt es auch den Vorwurf, dass Tesla seine Investoren falsch informiert hat. Denn obwohl der tödliche Unfall bereits am 7. Mai passiert war, nahm Tesla noch elf Tage später eine Kapitalerhöhung vor – ohne von dem Unglück zu berichten. Tesla verkaufte Aktien im Wert von rund 1,4 Milliarden Dollar, Musk selbst veräußerte Papiere im Wert von rund 600 Millionen.

Das Magazin „Fortune“ hatte als Erstes die Frage aufgeworfen, ob Musk und Tesla nicht von dem Unfall hätten berichten müssen, bevor sie die Aktien verkauften. Schließlich habe man in den Berichten an die US-Börsenaufsicht SEC Unfälle mit dem Autopiloten als eines der Risiken für die Geschäfte des Unternehmens angegeben. Trotzdem argumentieren Musk und Tesla, dass es sich bei dem Unfall nicht um eine entscheidende Information für die Anleger gehandelt habe, schließlich sei der Kurs der Aktie nach Bekanntwerden des Unfalls nicht gefallen, sondern gestiegen.

Musk lassen diese Vorwürfe keineswegs kalt – im Gegenteil. Extrem dünnhäutig reagierte er auf den „Fortune“-Artikel. Auf Twitter bezeichnete er den Text als „BS“ – was im Amerikanischen nur eine Bedeutung haben kann: „Bullshit“. Außerdem habe „Fortune“ damit nur seine „Werbeeinnahmen erhöhen“ wollen. Nicht gerade die Art von Reaktion, die man vom Vorstandschef eines börsennotierten Unternehmens erwarten würde.

 

Doch Musk war noch lange nicht fertig. Der Artikel sei „irreführend“, ließ er den Autor auf Twitter wissen. Und dann überschrieb er einen Tweet, in dem es um den „Fortune“-Text ging, mit „Sponsored articles …“. Das gab scheinbar denjenigen recht, die in negativen Berichten über Tesla ohnehin eine Verschwörung gegen den E-Autobauer wittern.

 

Kein Interesse an Subventionen für Elektroautos

Sofort sprangen diverse Blogs auf Musks Hinweis an, dass „Fortune“ für die negative Berichterstattung bezahlt worden sein könnte. Ganz unschuldig ist das amerikanische Magazin nicht an den Gerüchten. Denn tatsächlich veröffentlichte „Fortune“ vor einigen Monaten einen bezahlten Artikel, in dem der Autor Jim Mahoney gegen Subventionen für E-Autos wetterte. Und Mahoney ist nicht irgendwer, sondern Vorstandsmitglied bei Koch Industries.

Das Unternehmen der amerikanischen Koch-Brüder, die unter anderem durch hohe Wahlkampfspenden für ultrakonservative US-Politiker bekannt geworden sind, hat vor allem in Ölfirmen investiert und ein entsprechend ein großes Interesse daran, dass Elektroautos nicht subventioniert werden. Koch Industries soll eine groß angelegte Anti-E-Auto-Kampagne ins Leben gerufen haben.

Handelt es sich also bei dem Artikel über die fehlende Information der Anleger um den Versuch, weitere bezahlte Artikel anzuwerben, wie die Verschwörungstheoretiker glauben? „Fortune“ bestreitet das, und tatsächlich scheint es zumindest fragwürdig, dass Tesla den Unfall nicht vor der Kapitalerhöhung bekannt gemacht hat. Gut möglich, dass diese Frage auch noch Gerichte beschäftigen wird.

Musk selbst ruderte später übrigens zurück. Man habe seinen Tweet falsch interpretiert, schrieb er. Seine Ironie sei nicht verstanden worden. Bliebe nur die Frage, ob ein Vorstandschef mit Ironie gut beraten ist, wenn es um Wichtigeres geht als um Flamingos.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt Online.

Bild: Getty Images / VCG