Die Gründer von Chatchamp Felix Belau, Dominik Grusemann und Felix Schröder.

Von seinem Ex-Job träumen viele. Felix Schröder hat für Audi die neusten Modelle getestet. Nach zwei Jahren begann sich der heute 34-Jährige jedoch in seinem Job zu langweilen. Er wechselte in die Innovationsabteilung der Ingolstädter und scoutete Startups für den Autobauer. Der Blick auf neue Geschäftsmodelle und Innovationen ließ seinen Kindheitswunsch wieder wach werden: Schon als kleiner Junge habe er Erfinder werden wollen, sagt Schröder.

Er legte seinem Chef die Kündigung auf den Tisch und startete Anfang 2017 sein eigenes Startup: Chatchamp, ein Marketing-Messenger für Unternehmen. Mit seinem damaligen Job in der Automobilbranche hat das nichts mehr zu tun, eine bewusste Entscheidung, wie der heutige CEO sagt: „Ich interessiere mich für viele andere Dinge außerhalb der Automobilwelt.“ Jetzt könne er sein Wissen dort anwenden. Auch sein Mitgründer und der heutige Chatchamp-CTO Dominik Grusemann, der zuvor sechs Jahre für BMW gearbeitet hat, war die Branche irgendwann nicht mehr spannend genug: „Meine persönliche Leidenschaft für das Auto als individuelles Verkehrsmittel war nicht mehr besonders groß, weil ich viel lieber mit dem Fahrrad unterwegs bin.“

Nur noch halb so viel Gehalt

Am meisten genießen es die beiden Gründer, nun ihr eigener Chef zu sein: „Wir können extrem schnell Entscheidungen treffen, sind dabei nicht auf andere angewiesen“, sagt Schröder. Genau das habe seinem Mitgründer damals im Konzern gefehlt. „Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen, sie umzusetzen und deren Ergebnisse zu sehen ist nicht unbedingt eine Stärke von vielen größeren Unternehmen – und oftmals auch gar nicht deren Anspruch.“

Dass heute am Monatsende nur knapp die Hälfte auf dem Gehaltszettel steht, macht den beiden nach eigenen Angaben nichts aus. „Jetzt sind Restaurantbesuche seltener, ich koche wieder mehr“, so Ex-Audi-Manager Schröder. Auch lange Urlaube seien nicht mehr so häufig drin. „Dafür bleibt aktuell ohnehin keine Zeit“, sagt er und lacht. Sein Kollege Grusemann pflichtet ihm bei: „Es ist wichtig, als Unternehmer sparsam zu sein und da passt es ganz gut, wenn man auch privat weniger Geld zur Verfügung hat.“

Wickeltisch statt E-Autos

Felix Schröder ist nicht der einzige Gründer, der seinen sicheren und gut bezahlten Job in der Autobranche aufgegeben hat. Einen ungewöhnlichen Wechsel hat auch Mark Schleicher gewagt. Früher hat der Familienvater BMW bei der Entwicklung der Elektroauto-Modelle BMW i3 und i8 beraten. Obwohl der E-Antrieb als Zukunftstechnologie gilt, hat Schleicher gekündigt. Die Prozesse im Beratungsunternehmen waren ihm zu schwerfällig.

„Die Branche hat es an vielen Stellen schwer, weil die eigenen Strukturen die großen Konzerne daran hindern, wirklich innovativ zu werden“, sagt er rückblickend. Heute entwickelt der Ex-Berater mit seinem Startup Miniwim Wickelkommoden, die für Babys besonders sicher sein sollen. Bisher hat er die Entscheidung nicht bereut: „Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man für die Vision eines Anderen arbeitet oder für die eigene.“

Auch wenn er heute mehr Energie in seinen Job steckt als früher, bereut er den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Schließlich wisse er jetzt genau, wofür er das alles mache: „Als Angestellter kann es einem passieren, dass man jahrelang mit Herzblut und vielen Überstunden zur Arbeit geht und irgendwann feststellen muss, dass einem dieser Einsatz nicht so gedankt wird, wie erhofft.“ Schleicher weiß, dass er mit seinen Wickelkommoden auch scheitern kann. „Aber es gibt keine falschen Erwartungen.“

Andere bleiben in der Branche

Nicht alle Ex-Automobiler kehren der Branche vollständig den Rücken. Christian Lang vom E-Mobility-Startup Chargery hat früher für Audi gearbeitet. Heute fährt sein Unternehmen mit mobilen Ladesäulen für E-Autos durch Berlin. Er ist nach wie vor der Meinung, dass Mobilität mit der spannendste Bereich in den nächsten Jahren sein wird. „Hier wird sich sehr viel verändern und deshalb wird es auch Platz geben für neue, innovative Geschäftsmodelle.“

Dass Startups dabei das Tempo vorgeben, glaubt auch Ex-Branchen-Größe Karl-Thomas Neumann. Er denke nicht, dass die traditionellen Autohersteller den Wandel treiben, sagte der Ex-Opel-Vorstand dem Manager Magazin. Es sei schwer, sich selbst zu zerstören. Der 57-Jährige heuerte deshalb beim E-Auto-Startup Evelozcity an, dort teile man seine Vorstellung, wohin die Reise gehen müsse. Hinter dem mit reichlich Kapital ausgestatteten Unternehmen stehen ebenfalls zwei bekannte Ex-Automobiler: Stefan Krause, der früher bei der Deutsche Bank und BMW als Finanzvorstand tätig war, sowie Ulrich Kranz, der als Vater des BMW i gilt. Gemeinsam wollen die Konzern-Aussteiger das E-Auto der Zukunft entwickeln.

Bild: Chatchamp