Julia Emmert auf ihrem Unimoke. Rund 3.000 Euro kostet das E-Fahrrad mit dem extralangen Sattel.
Julia Emmert auf ihrem Unimoke. Rund 3.000 Euro kostet das E-Fahrrad mit dem extralangen Sattel.

„Schönes Motorrad haben Sie da!” ruft ein Kellner Julia Emmert auf Spanisch zu. Gemeint ist das breit bereifte Elektrofahrrad, das sie gerade über den Plaça de la Reina schiebt. „Das ist kein Motorrad“, ruft die Gründerin zurück – und drückt dem Kellner mit ein paar erklärenden spanischen Worten gleich die Visitenkarte ihres Startups Urban Drivestyle in die Hand. „So etwas passiert ständig“, sagt sie.

Das Unimoke, so heißt ihr E-Fahrrad, erregt nunmal Aufsehen mit seiner Retro-Moped-Optik. Vor drei Jahren gründete Emmert das dahinterstehende Startup gemeinsam mit ihrem Partner Ossian Vogel in Palma de Mallorca. Inzwischen ist Emmert Marketingchefin des Startups, Vogel ist fürs Produkt verantwortlich. Die CEO-Rolle hat seit 2018 Andreas Kranki inne. Insgesamt beschäftigen sie 15 Mitarbeiter – fünf in Palma und zehn in Berlin.

Ein Elektro-Fahrrad für die ganze Familie

Nach Mallorca seien sie und ihr Partner vor neun Jahren gezogen, erzählt Emmert bei einem „Café con Leche“ in der Altstadt von Palma. Beide hätten den Wunsch gehabt, im Ausland zu wohnen. Die Entscheidung für Mallorca sei wegen der guten Anbindung gefallen: „Von Palma aus kann man täglich in die ganze Welt fliegen.“

Vor Ort machten sich Emmert und Vogel zunächst mit einer Marketingagentur selbstständig. Auf einer Reise nach China sahen sie erstmals E-Roller und -Räder – die wollten sie nach Mallorca holen. So eröffneten sie einen Verleih für Elektrofahrzeuge. „Das genügte aber alles nicht unseren Ansprüchen“, sagt Emmert. Ihr Wunschgefährt sollte beispielsweise Platz für die gemeinsame Tochter des Paares bieten und das in Palma übliche Kopfsteinpflaster gut abfedern.

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Aus diesen Vorgaben baute Vogel schließlich das Unimoke. Auf den langen Sattel des Fahrrads passen zwei bis drei Personen. Dank eines 250-Watt-Antriebs kann das Rad auf 25 Stundenkilometer beschleunigen, versicherungs- und zulassungspflichtig ist es aber nicht. 120 bis 150 Fahrzeuge verkauft das Startup laut Emmert pro Monat in ganz Europa, damit sei man profitabel. Gerade baut das Team ein zweites Geschäftsfeld auf, die Vermietung seiner E-Bikes über Hotels. Why.taxi heißt das Angebot, 2020 soll es in Berlin starten.

Die Logistik ist von Mallorca aus schwierig

Den Rahmen des Unimoke stellt eine Firma in Taiwan her, in Berlin wird das Fahrrad zusammengebaut. Gegen die Produktion in Palma sprach die Logistik, sagt Emmert: „Hier auf der Insel musst du alles über den Seeweg kommen lassen und verschicken, das ist zu kompliziert.“ In Mallorca sitzen Vertrieb und Marketing des Startups, in Berlin Produktentwicklung, Versand und Einkauf. Dort arbeitet auch CEO Andreas Kranki. Sie selbst schaffe es wegen ihrer neunjährigen Tochter nur selten nach Berlin, sagt Emmert, ihr Partner fliege umso häufiger hin. „Fragen kann man zwar online klären, aber den Bezug zu deinen Mitarbeitern baust du auf die Entfernung nicht auf.“

Dass der Großteil des Teams in Berlin sitzt, liege auch daran, dass die Mitarbeitersuche in Palma schwieriger sei, erzählt die Gründerin. Auf der Insel mangele es an mehrsprachigem, hochqualifiziertem Personal. Dafür seien die Mieten günstiger als in deutschen Großstädten – noch. Auch in Mallorca steigen die Preise.

Ihren Investor traf sie beim Schul-BBQ 

Die mallorquinische Startup-Szene bezeichnet Emmert als „klein, aber rege“. Allerdings stünden internationale und spanische Startups wenig im Austausch. Bei den Branchen erkennt sie eine klare Richtung: „Das Hauptgeschäft Mallorcas ist Tourismus, und das merkt man auch an den Startups.“ Zu den größeren Firmen gehören etwa das Online-Reisebüro Logitravel, die Hotelplattform Hotelbeds und die Appartement-Vermittlung Hundredrooms. Investoren zu finden sei hier verhältnismäßig leicht, sagt die ehemalige Münchnerin: „Viele Business Angels haben hier Ferienhäuser. Da kommt man schnell ungezwungen in Kontakt.“ Ihren Hauptinvestor Udo Schlömer habe sie bei einem Grillfest an der Schule ihrer Tochter kennengelernt.

Der größte Vorteil, sein Startup auf Mallorca zu gründen? „Der hohe Freizeitwert“, findet Emmert. „Es gibt Berge und Meer, außerdem ist das ganze Jahr über tolles Wetter.“ Gerade für E-Mobility-Startups ist das gut, weil Elektrofahrzeuge auch im Winter fahren können und die Batterien keine Kälteschäden nehmen. Auf einer Mittelmeerinsel zu leben und zu arbeiten, rufe allerdings auch Neider auf den Plan. „Ich höre oft: ,Du hast ja eh immer Urlaub’“, so die Gründerin. „Aber arbeiten ist arbeiten, das ist auch auf Mallorca kein Urlaub.“

Gerade für Eltern sei Spanien ein guter Standort zum Gründen, sagt Emmert. Staatliche Betreuungseinrichtungen gibt es dort schon für Babys ab drei Monaten – allerdings vor allem deshalb, weil Mütter in Spanien nur maximal 16 Wochen bezahlte Elternzeit nehmen können. „Danach musst du dein Kind abgeben, kriegst aber auch sofort einen Platz”, sagt Emmert. Inzwischen gehe ihre Tochter jeden Tag bis 17 Uhr zur Schule. Danach hole sie sie mit dem Unimoke ab, nicht selten radelten sie danach noch zum Strand. Aus Mallorca wegziehen? Für die Familie im Moment keine Option.

Gründerszene hat das Unimoke 2018 getestet:

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Bild: Gründerszene