Die Google-Alphabet-Tochter Waymo soll derzeit führend sein in der Entwicklung autonomer Autos.

Es ist ein bisschen zu ruhig geworden um autonome Fahrzeuge. Scheinbar hat sich Ernüchterung in der Industrie breitgemacht. Unterstützt wird dieser Eindruck von der Meldung, dass Audi seine Bemühungen einstellt, ein Fahrzeug auf den Markt zu bringen, das zumindest teilweise autonom unterwegs sein könnte.

Auch bei anderen europäischen Unternehmen kriselt es. So hat der französische Shuttlebus-Hersteller Navya schon Anfang des Jahres angekündigt, dass man die Produktion der Busse einstellen werde. Stattdessen will man die für die Busse entwickelte Software weiter verfeinern und als B2B-Lösung verkaufen.

War es das schon mit dem autonomen Fahren in der EU? Es gibt ja durchaus einige Argumente, die gegen den Einsatz von autonomen Fahrzeugen sprechen. Allerdings kann man die Sache auch von einer anderen Perspektive betrachten: Beim autonomen Fahren kommen so gut wie alle neuen Schlüsseltechnologien zusammen, an denen gerade geforscht wird.

Auf die KI kommt es an – nicht nur für autonomes Fahren

Der wichtigste Faktor ist sicher die Künstliche Intelligenz. Ohne sie, darin sind sich alle einig, werden selbstfahrende Fahrzeuge nie funktionieren. Wer aber in der Lage ist, eine Künstliche Intelligenz zu entwickeln, die so gut ist, dass sie hochkomplexe Entscheidungen im Verkehr treffen kann, wird damit auch einen Vorteil in anderen Wirtschaftsbereichen haben.

Die Entwicklung des autonomen Fahrens lohnt sich also aus Sicht einer Gesamtwirtschaft. Was auch ein Grund dafür ist, warum die Bundesregierung in ihrem gerade beschlossenen Konjunkturpaket noch mal zwei Milliarden für die Forschung in dem Bereich ausgibt. Im weltweiten Vergleich ist das allerdings eine kleinliche Summe.

Schaut man sich die Summe der Investitionen der vergangenen fünf Jahre an, taucht Deutschland nicht auf und die EU ist weit abgeschlagen. Zwischen 2015 und 2019 haben die USA rund 92 Milliarden Euro in die gesamte KI-Industrie gesteckt. China folgt auf dem zweiten Platz mit etwas über 22 Milliarden Euro. Zählt man die EU zusammen, kommt man zwar auf knapp 15 Milliarden Euro, aber damit ist der hiesige Standort kaum wettbewerbsfähig.

Das Bedauerliche an der Situation ist, dass es vor allem an Geld für Startups fehlt, die im Bereich des autonomen Fahrens entwickeln. In Deutschland gibt außer MotorAI und Ree Technology kaum Unternehmen, die die Entwicklung vorantreiben. Doch gerade in den Startups, die in der Software-Entwicklung agiler sind als große Industrien, könnten entscheidende Fortschritte erzielt werden.

Was China besser macht und VW plant

China geht einen entscheidenden Schritt weiter. Dort verteilt man Geld an Universitäten, damit diese ihre KI-Forschungen ausbauen können, an denen dann Startups entstehen. Allein in diesem Jahr hat die chinesische Regierung an über 180 Universitäten Programme ins Leben gerufen, die gezielt auf die Entwicklung Künstlicher Intelligenz ausgerichtet sind. Dabei geht es vor allem um Softwarepatente, die sich weltweit monetisieren lassen.

Während es in den USA und in China einen ganzheitlichen Ansatz für die Entwicklung von KI und des autonomen Fahrens gibt, gleicht die Situation in Europa und Deutschland einem Flickenteppich. Die Autohersteller arbeiten zu wenig zusammen, die Universitäten und Startups werden entweder nicht mit in die Entwicklung eingebunden oder haben nicht genügend Geld.

Eine Ausnahme ist Volkswagen. Der Konzern hat offenbar erkannt, dass es wenig Sinn ergibt, wenn man versucht, alles selber zu entwickeln. Allerdings sucht das Unternehmen nicht die Nähe der inländischen Konkurrenz. Stattdessen ist VW in den USA fündig geworden. Seit mehr als einem Jahr investiert der Konzern große Summen in das Ford-eigene Startup Argo AI. Vergangene Woche beschloss er, noch mal nachzulegen. Im Gegenzug kauft Ford nun bei Volkswagen eine Entwicklungsplattform für E-Autos ein.

So klug es aus Sicht von VW ist, in Argo AI zu investieren, muss doch die Frage erlaubt sein, warum das Geld nicht bei einem deutschen Startup gelandet ist. Und warum es VW in den vergangenen Jahren trotz eigener Inkubatoren nicht gelungen ist, ein Startup in diesem Bereich aufzubauen. Tatsächlich legt die kluge Investition von VW auch die gravierenden Mängel der deutschen und europäischen Investitionsstrategie offen.

Wenn sich an diesem Zustand nichts ändert, dann werden Deutschland und Europa bei der Entwicklung dieser Schlüsseltechnologien erneut das Nachsehen haben. Ähnlich wie bei der Entwicklung des E-Commerce, der Social-Media-Plattformen und der Chipherstellung werden wir in Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes nur Beifahrer sein.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

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