Trotz Schranken: Nicht alle Reisenden lösen ein Ticket, bevor sie in die U-Bahn steigen.

Paris, London und New York setzen auf Schranken. Damit wollen die Städte Schwarzfahrer daran hindern, ohne Ticket in die U-Bahn zu steigen. Um auf den Bahnsteig zu gelangen, müssen die Reisenden erst das Ticket scannen, bevor sie die Schranke passieren können. Doch das allein reicht nicht. Die Hindernisse halten illegale Fahrgäste nicht immer auf. Schwarzfahrer sind kreativ, ohne Skrupel: Die einen klettern einfach über die Absperrung, die anderen quetschen sich darunter und wieder andere schlüpfen einfach mit der Person vor ihnen hindurch.

Mit solchen Tricks soll jetzt Schluss sein. Ein 2014 gegründetes spanisches Startup will Abhilfe schaffen. Das von Awaait entwickelte System soll Schwarzfahrer erfassen und überführen – und zwar mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI).

„Detector“ besteht aus einer Kamera und einer Software. Erstere beobachtet die Schranken, das Programm analysiert die Bilder und erkennt innerhalb von Millisekunden, ob sich die Person ungewöhnlich verhält. Ist dies der Fall, schlägt eine auf dem Smartphone eines Kontrolleurs installierte App Alarm. Der Alarm sieht so aus: Die Kamera nimmt sieben Fotos auf und schickt sie an den Wachmann. Anhand dieser Bilder soll er die auffällige Person identifizieren, vor dem Einstieg in den Zug abfangen und kontrollieren.

Das allein ist nicht intelligent. Die KI kommt schon bei der Installation des Systems zum Einsatz. Es wird auf jede Station neu „angelernt“, indem es zunächst mit Bildern und Videos der Station gefüttert wird. In einem zweiten Schritt werden Reisende sowohl beim ordnungsgemäßen Passieren der Schranken als auch beim Überspringen oder Klettern gefilmt. „So bringen wir dem System bei, wie es zwischen einer Person, die bezahlt hat, und einer, die nicht bezahlt hat, unterscheidet“, sagt Awaait-Gründer Xavier Arrufat gegenüber dem Techblog Golem, der das Startup auf der Zugmesse Innotrans in Berlin getroffen hat. Nach dem Training könne das System automatisch Bewegungsmuster erkennen, die darauf hinwiesen, dass die Person nicht bezahlt habe, so Arrufat weiter.

Falscher Alarm? Kann passieren

Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes räumt er auch Nachfrage des Magazins mit folgender Erklärung aus: Die Kamera würde die Bilder nicht dauerhaft aufzeichnen. Tatsächlich gespeichert und an den Kontrolleur geschickt würden lediglich die Bilder der mutmaßlichen Schwarzfahrer. Allerdings nicht dauerhaft. Nach kurzer Zeit würden auch diese wieder gelöscht, auch wenn die Person nicht sofort kontrolliert und überführt werden konnte. 

Doch das System hat Schwächen. Ganz ausschließen könne man eine Falscherkennung nicht, gibt Arrufat zu. Wenn ein Fahrgast beispielsweise sein Fahrrad über dem Kopf über die Sperre hebe, könne das System dies als Betrugsversuch missverstehen und Alarm schlagen. In solch einem Fall würde der Kontrolleur, der das Bild auf seinem Smartphone sieht, aber gar nicht erst aktiv.

Bisher kommt das System an mehreren U-Bahn-Stationen in Barcelona zum Einsatz. Anfragen von anderen europäischen Städten lägen bereits vor, heißt es beim Unternehmen. Für Berlin dürfte Detector aber in der jetzigen Form nicht interessant sein. Schließlich müssen Fahrgäste hier keine Schranke überqueren, bevor sie in die Bahn steigen. Hier können sie einfach ganz ungehindert zur Bahnsteigkante laufen. Auch ohne Ticket.

Bild: Getty Images / Peter Dawson