Sieht schick aus: ein Audi von Drive by. Ein Grund, das eigene Auto abzuschaffen, sind die Angebote des Startups aber nicht.

Die Freude hielt nicht lange. Man könne ab sofort ein Fahrzeug nicht nur für kurze Strecken buchen – sondern auch einen ganzen Monat lang. Einfach so, von der Straße weg. Das schreibt gerade das Berliner Mobility-Startup Drive by. Damit schließe man die Lücke zwischen Autovermietung und Carsharing, Drive-by-CEO Toni Nührich schwärmt: „Ich muss mich vor Fahrantritt gar nicht entscheiden, wie lange ich das Auto nutze.“ Und: Da jeder Nutzungstag gleich berechnet werde, ergebe sich „eine volle Kostentransparenz“. Endlich kommt Bewegung in den Carsharing-Markt! Das möchte man als geneigter Kunde so gerne glauben.

Doch beim genauen Hinsehen wird schnell klar: Ein Grund, das eigene Auto abzuschaffen – wie Drive-by wirbt – ist das neue Modell nicht: Für einen Mittelklassewagen fallen Kosten in Höhe von 69 Euro pro Tag an, inklusive 100 Kilometer täglich und Parkgebühren. Wer tatsächlich vier Wochen über die Drive-by-App ein Auto bucht, bezahlt also mehr als 2.000 Euro. Und damit deutlich mehr Geld als die 500 bis 700 Euro, die ein privater Autobesitzer laut ADAC pro Monat für seinen Mittelklassewagen ausgibt. Will heißen, das Modell lohnt sich nur für Mieter, die allenfalls ein paar Tage am Stück ein Fahrzeug benötigen. Hinzu kommt: Wer mehr als 100 Kilometer fährt, zahlt zusätzlich 0,19 Euro pro Kilometer, sind es mehr als 300, steigt der Kilometerpreis auf 0,39 Euro. Es lohnt sich also, das Kleingedruckte im Vertrag zu lesen, von der beworbenen Transparenz ist nicht viel zu spüren.

Eine echte Flatrate – das wäre mal was

Ein einfaches Preismodell sieht anders aus: Keine versteckten Extrakosten wären ein Anfang, eine echte Flatrate. Alles andere hat sich beim Telefon auch als nicht kundenfreundlich herausgestellt. Bei anderen Anbietern sieht es leider nicht besser aus: Wer beim Wettbewerber DriveNow auf der Website nach einem passenden Angebot für das eigene Mobilitätsbedürfnis sucht, muss sich durch einen Tarifdschungel wühlen: Es gibt Stundenpakete, Tagespakete, Servicepakete, Sparpakete und Prepaidpakete.

Die Beispiele zeigen: Der Carsharing-Markt stellt die Anbieter vor große Herausforderungen, ein wirklich nutzerfreundliches Modell, das über eine Kurzstrecke oder einen Tagesausflug hinausgeht, ist noch nicht in Sicht. Das liegt auch daran, dass sich mit Carsharing bisher kaum Geld verdienen lässt. Multicity, Spotcar und andere Anbieter mussten bereits wieder aufgeben.

Insbesondere mit Freefloating-Modellen tun sich die Anbieter schwer. Nico Gabriel, früher Chef bei DriveNow und heute Leiter von SixtX, der neuen Mobility-Einheit der Autovermietung, glaubt sogar: Freefloating Carsharing sei nicht skalierbar, wie er im Interview mit NGIN Mobility sagte. „Zumindest, wenn es nachhaltig betrieben, also eine hohe Auslastung erreicht werden soll.“ Dafür müsse das Geschäftsmodell erweitern werden, indem beispielsweise mit den Fahrzeugen auch Fahrten ins Umland möglich sind oder eine Ausleihe übers Wochenende. Das hat Drive by nun offensichtlich auch erkannt – und verkauft dem Kunden die Suche nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell als Innovation.

Währenddessen warten die Kunden auf die neue Allianz aus DriveNow und Car2Go, die es aus eigener Kraft offenbar nicht geschafft haben, sich auf dem Markt zu behaupten. Auch aus dem Volkswagenkonzern soll nächstes Jahr ein Carsharing-Angebot kommen, der Konzern will beim Carsharing verlorenen Boden gutmachen. Unter der Marke „We Share“ will der Wolfsburger Autobauer nächstes Jahr in Berlin mit 2000 VW eGolf und E-Up einen Carsharing-Service starten, weitere Städte sollen folgen. Neben Autos sollen später auch andere elektrische Fahrzeuge in die App eingebunden werden. Ebenfalls hat die Autovermietung Sixt  angekündigt, neue Mobility-Leistungen auf den Markt zu bringen. Im Laufe von fünf Jahren sollen rund 100 Millionen Euro in das „Projekt 1″ fließen. Dessen Ziel ist es, neue Mobilitätsangebote – Autovermietung, Chauffeurservice oder Flatrate-Angebote – in einer App zu bündeln und zur Verfügung zu stellen.

Der Verbraucher darf also hoffen: Dass irgendwann vielleicht mehr kommt, als ein neues Pricing-Modell.

Bild: Drive by