Markus Hallermann (Mitte) und ein Teil des Komoot-Teams auf Tour
Markus Hallermann (Mitte) und ein Teil des Komoot-Teams auf Tour

Beim Wandern dem nächstbesten Wegweiser folgen, war gestern: Heute navigieren Outdoor-Sportler mit dem Smartphone. Doch es lässt sich schlecht spazieren oder radfahren, wenn der Kopf gen Handy geneigt ist. Das hat auch der Gründer Markus Hellermann gemerkt. Seine App Komoot soll das Problem mit sprachgesteuerter Navigation lösen. Zudem soll der Algorithmus der App besonders schöne Wanderungen und Fahrradtouren erstellen.

Gegründet hat Hallermann sein Startup 2010 in Potsdam, inzwischen zählt seine Anwendung nach eigenen Angaben 4,5 Millionen Nutzer in aller Welt. Seit dem vorigen Jahr sei das Geschäft profitabel, heißt es von Komoot. Das letzte Investment bekam das Startup 2013. Damals stiegen unter anderem die Geldgeber KRW Schindler und Bmp Ventures mit einer siebenstelligen Summe bei dem Unternehmen ein. 

Im Interview mit Gründerszene erklärt Hallermann, was seine Routenplanungs-App besser als Google Maps macht, warum fast alle der 30 Mitarbeiter von verschiedenen Orten aus arbeiten und warum die Expansion ins Ausland schwieriger ist, als erwartet.

Markus, Du betreibst eine App für den Outdoorsport. Hast Du als Gründer selbst Zeit, Deine App zu nutzen?

Ich wünschte, es wäre mehr.

Was war Deine letzte Tour?

Eine Radtour in Bayern mit meinen Kindern. Ansonsten machen wir ab und an Touren als Startup. Im Januar waren wir zum Beispiel mit dem ganzen Team auf Teneriffa. Weil die meisten unserer Mitarbeiter aus dem Ausland arbeiten, sehen sie sich nie persönlich. Deswegen machen wir drei Mal pro Jahr gemeinsame Fahrten, bei denen wir Fahrrad fahren und wandern.

Wieso arbeitet das Team nicht gemeinsam an einem Ort?

Wir wollen den Leuten dadurch anbieten, dass sie ihr Leben leben können, wo immer sie wollen, und trotzdem für uns arbeiten können. Es möchte schließlich nicht jeder in Berlin-Mitte wohnen.

In einer Großstadt wie Berlin findet eine Outdoor-App vermutlich auch nicht oft Anwendung.

Tatsächlich sind Großstädter unsere Hauptzielgruppe. Wenn jemand in seiner Berliner Wohnung sitzt und Lust hat, am Wochenende in die Natur zu gehen, weiß er vermutlich nicht, wohin er gehen kann. In diesem Fall muss er nur Komoot auf seinem Smartphone öffnen und bekommt dann Vorschläge dazu, welche Tour er machen könnte.

Wenn man während des Wanderns oder Radfahrens ständig aufs Smartphone schaut und nach dem richtigen Weg sucht, ist das Naturerlebnis aber getrübt.

Nein – das ist der große Vorteil unserer Navigation. Die Nutzer müssen das Handy nicht ans Fahrrad montieren oder ständig aus der Tasche ziehen, weil unsere App die Nutzer über Sprachbefehle leitet. Die Navigation kann aber auch über Pfeile auf anderen Displays angezeigt werden, zum Beispiel bei E-Bikes und der Apple Watch.

Wer schon weiß, wo er wandern oder radfahren möchte, kann bei Komoot Start und Ziel eingeben und bekommt dann einen Weg vorgeschlagen. Das macht Google Maps auch.

Der Unterschied ist, dass man bei anderen Kartenanbietern so schnell wie möglich von A nach B kommt, bei Komoot dagegen so schön wie möglich.

Wer legt fest, was „schön“ ist?

Das lernen wir kontinuierlich aus den Nutzerdaten. Wir fragen die Nutzer, nachdem sie Touren gemacht haben, was der schönste Teil ihrer Route war und was sie anderen Leuten empfehlen würden. Sie können zum Beispiel sagen „Die Aussicht am See war empfehlenswert“ oder „Diese Mountainbike-Strecke war besonders schön“. Außerdem lernt unser Algorithmus aus dem, was die Leute, die die Aussicht am See genossen haben, noch gemacht haben. Das Prinzip ist so ähnlich wie die Empfehlungen bei Amazon.

Können sich Komoot-Nutzer auch gegenseitig Routen empfehlen?

Nutzer können zwar Routen, die sie gemacht haben, hochladen, sie werden aber nur von denjenigen gesehen, die ihnen folgen. Wir schlagen Nutzern Experten vor, denen sie folgen können – beispielsweise Rennradfahrer, die sich rund um Berlin sehr gut auskennen. Wir sehen uns aber keinesfalls als soziales Netzwerk. Man soll bei uns keine neuen Freunde kennenlernen oder miteinander chatten, sondern sich Inspirationen für Touren holen.

Was ist die krasseste Tour, die jemand mit Komoot gemacht hat?

Neulich hatten wir zum Beispiel einen User, der mit seinen Kindern auf dem Tandem bis nach Italien geradelt ist. Faszinierend ist auch, dass wir viele blinde Nutzer haben, die mit unserer App Outdoorsport machen können, weil sie vollständig über Sprachsteuerung bedienbar ist. Blinde können mit Komoot also tatsächlich alleine wandern gehen und somit ein Stück unabhängiger leben.

Wie verdient Ihr Geld?

Um die App nutzen zu können, müssen die Nutzer unsere Offline-Karten kaufen. Wir arbeiten dabei mit einem klassischen Freemium-Modell: Die User bekommen die erste Karte umsonst. Dann merken sie im Bestfall, dass Komoot ihnen gute Routenvorschläge liefert und kaufen anschließend Karten weiterer Regionen. Die ganze Welt gibt es für 30 Euro.

Wie viele Nutzer habt Ihr?

Wir haben 4,5 Millionen registrierte Nutzer weltweit, 3,5 Millionen davon sind jeden Monat aktiv. Gegenüber dem letzten Jahr haben wir uns knapp verdoppelt.

Aus welchem Land kommen die meisten Nutzer?

Aus Deutschland.

In einem Gespräch mit NGIN Mobility hast Du letztes Jahr gesagt, dass Ihr in die USA und Großbritannien expandieren wollt. Habt Ihr das gemacht?

Ja, und dabei sehr viel gelernt. Da wir im Ausland noch nicht so viele Nutzer haben wie in Deutschland, können wir den Usern dort keine Wochenendtipps liefern – die werden ja aus Nutzerempfehlungen generiert. Die reine Routenplanung ohne die Touren-Tipps reicht aber nicht, um neue Märkte zu erschließen. Wir investieren daher momentan sehr stark in die Community in Großbritannien, damit wir dort schnell genügend nutzergenerierten Content haben, mit dem wir den Usern Vorschläge liefern können. Das ist unser Hauptziel für dieses Jahr: Herausfinden, wie wir eine Community in neuen Ländern aufbauen können.

Bild: Komoot