Konux-Gründer Andreas Kunze

München: 16 Uhr, Cluj: 17 Uhr, San Francisco: 7 Uhr. Ein Blick im auf die Uhr im Konux-Büro verrät nicht nur die örtliche Zeit in der bayerischen Landeshauptstadt. Sondern zeigt auch, wie früh oder spät es in Rumänien gerade ist, wo ein Teil des Engineering-Teams sitzt – und was die Uhr an der US-Westküste anzeigt. Im Valley sitzen zwar keine Konux-Teammitglieder, aber das Geld. Die meisten VCs des 2015 gegründeten AI-Startups kommen aus den Staaten. Erst kürzlich haben unter anderem Google-Investor Andreas von Bechtolsheim und der US-amerikanischen Wagniskapitalgeber New Enterprise Associates in einer neuen Megarunde 20 Millionen US-Dollar in das Startup gesteckt.

Konux entwickelt auf künstlicher Intelligenz basierende Sensoren für die Industrie. Sie können etwa auf Eisenbahnschienen angebracht werden und sollen dort frühzeitig erkennen, ob diese gewartet werden müssen. Zu den Kunden zählt die Deutsche Bahn, mit der soeben Verträge über einen Probebetrieb an 100 Weichen im Streckennetz der DB unterzeichnet wurden.

Geld, das vor allem in die Internationalisierung fließen soll, sagt Gründer und CEO Andreas Kunze im Gespräch mit NGIN Mobility und Gründerszene. Er weiß, wie die Uhren im Valley ticken: Die Kontakte zu den Investoren hat er während seines Studiums in Stanford geknüpft. Den dort angefangenen Master brach er ab, als er sein erstes Term-Sheet in den Händen hielt, also die Absichtserklärung eines Investors, in seine Geschäftsidee zu investieren.

Im Interview hat uns CEO Andreas Kunze verraten, wonach er seine Investoren aussucht, warum er keinen Plan B hat und was es mit dem Datum des 22.02.2022 auf sich hat.

Andreas, kürzlich konntet ihr Eure dritte Finanzierungsrunde abschließen an. War das für Euch ein Grund zum Feiern?

Ja. Für die interne Ankündigung erfolgreicher Runden, wichtiger Meilensteine in der Entwicklung oder beim Einstieg einer neuen Kollegin oder eines neuen Kollegen haben wir eine große Glocke in unserem Büro, die wir läuten. Dann kommen alle zusammen und das Gründerteam erklärt, was dieser Schritt für das Unternehmen bedeutet.

… und Ihr stoßt gemeinsam an?

Nein, sowas gibt es bei uns nicht. Aber einmal im Quartal fahren wir gemeinsam weg, zuletzt waren wir auf der Skipiste. Bei diesen Ausflügen ziehen wir Bilanz: Was ist im letzten Vierteljahr gut gelaufen? Was nicht? Wie machen wir das jetzt besser? Welche Ziele haben wir im nächsten Quartal, welche im nächsten Jahr? Verfolgen wir noch unsere Mission? Läuft alles in die richtige Richtung? Ziel der gemeinsamen Ausflüge ist, auf diese Fragen Antworten zu finden.

Was lief denn gut in den vergangenen drei Monaten?

Wir haben neue Kunden gewonnen und unseren bestehenden Kunden das geliefert, was wir versprochen haben. Die Kundenzufriedenheit hat für mich oberste Priorität. Gerade, weil wir in einem Marktsegment unterwegs sind, in dem es generell nicht so viele davon gibt. In unserem Business gibt es pro Land genau einen Key-Account, nämlich das dortige Eisenbahninfrastrukturunternehmen.

Und was lief zuletzt nicht so gut?

Wir haben nicht so viele Mitarbeiter gefunden, wie wir eigentlich nach Plan neu einstellen wollten. Zwar bekommen wir enorm viele Bewerbungen, letztes Jahr waren es mehr als 2000. Aber die Bewerberinnen oder Bewerber müssen auch zu uns passen, das war in nur ganz wenigen Fällen so, wie wir im Laufe des fünfstufigen Bewerbungsprozesses festgestellt haben. Bei der Einstellungen neuer Mitarbeiter müssen wir also besser werden.

Von den Mitarbeitern zu den Zahlen: Im vergangenen Jahr habt ihr weniger als eine Million Euro umgesetzt. Wie steht ihr in diesem Jahr da?

Dazu machen wir öffentlich keine Angabe. Nur so viel: Wir haben allein im ersten Quartal 2018 einen höheren Umsatz erzielt als im gesamten letzten Jahr.

Wie viele Kunden habt ihr aktuell? In wie viele Länder wollt ihr expandieren?

Neben der Deutschen und der Schwedischen Bahn sind wir aktuell bereits in zwei weiteren Ländern unterwegs, bis Ende des Jahres sollen es sieben werden.

Nur in Europa?

Nein, auch darüber hinaus. Wir orientieren uns nach Asien. Doch generell gilt: Die Erschließung neuer Kunden benötigt Zeit. Das gilt für alle Unternehmen im B2B-Business.

Wie lange braucht ihr, um einen neuen Markt zu erschließen?

Etwa ein Jahr. Das heißt aber nicht, dass wir den Kunden dann direkt digitalisiert haben. Dieser Prozess zieht sich nochmals über mehrere Jahre. Statistisch gesehen brauchen B2B-Startups wie wir deshalb mehr Kapital als Unternehmen im Consumer-Bereich. Dafür winkt aber auch eine höhere Marge.

Wie wichtig ist Dir schnelles Wachstum?

Wichtig, aber nur bis zu einem bestimmten Maß, vor allem mit Blick auf die Anzahl der Mitarbeiter. Wenn ein Startup innerhalb eines Jahres die Mitarbeiterzahl verdoppelt, bringt das extreme Veränderungen mit sich. Dann ist es sehr, sehr schwierig, das Wertesystem beizubehalten. Ich bin viel in den USA und kenne einige CEOs, die in kürzester Zeit von 40 auf 140 Personen gewachsen sind – und danach sind 100 Mitarbeiter gegangen. Das will ich vermeiden.

Wenn Du Dein Unternehmen schnell verkaufen willst, ist die Mitarbeiterbindung nicht so wichtig.

Das stimmt, dann investierst du an dieser Stelle nicht so viel. Doch für mich ist ein Venture wie eine Ehe: Du bist eng aneinander gebunden, in guten wie in schlechten Zeiten.

Was erwartest Du von Euren Investoren?

Mentorship und Guidance. Unsere Investoren geben uns Tipps, in welche Märkte wir überhaupt gehen sollten und wie wir an unsere ersten Kunden kommen. In jeder Phase, also vor jeder Finanzierungsrunde stehst Du als Gründer vor neuen Herausforderungen. Deswegen ist es wichtig, für jede Phase den passenden Investor zu finden. Das ist gerade am Anfang entscheidend: Hast Du zu Beginn den Falschen an Bord und die falschen Verträge, wirst du das nicht mehr los. Vor jeder Runde musst Du dir deshalb klar machen: Du triffst Entscheidungen, die auch in vier, fünf Jahren noch Einfluss haben – und deren Folgen Du mitunter noch gar nicht überblicken kannst.

Du hast ein ehrgeiziges Ziel vor Augen, wie das Datum 20.02.2022. an der Wand deines Büros zeigt.

Ja, für dann peilen wir den Börsengang in den USA an. Auch deshalb stecken wir viel Geld in das „keep and grow“ unserer Mitarbeiter, also in das Halten und die Weiterentwicklung der Kolleginnen und Kollegen. Eine Besonderheit bei Konux: Alle unsere Mitarbeiter sind an dem Unternehmen beteiligt. Insgesamt hat der Mitarbeiter-Pool mehr Anteile an dem Unternehmen als wir drei Gründer zusammen.

Was versprichst Du dir davon?

Als Google an die Börse gegangen ist, gab es 11 neue Milliardäre, 1.600 neue Millionäre. Als Facebook an die Börse gegangen ist, gab es 1.400 neue Millionäre. Von diesen Leuten gründen fast zehn Prozent neue Firmen, 80 Prozent investieren in Startups. Genau das ist der Grund, warum das Ökosystem im Valley funktioniert.

Was genau meinst Du damit?

Viele Leute haben nach dem Börsengang von jungen Unternehmen viel Kapital, das sie neu investieren. Außerdem wissen sie, was ein Startup ist und verstehen, dass es während des Wachstums Aufs und Abs gibt – und keinen geradlinigen Aufwärtstrend. Sie wissen auch, auf was es in welcher Phase ankommt, denn sie haben es selbst erlebt. Und das sind genau die Leute, die jungen Gründern helfen können. Solch ein System fehlt in Deutschland und in Europa völlig.

Du selbst hast 250.000 Dollar in dein Startup gesteckt.

Ja, ich glaube, nur wenn Du alles, was Du hast – und noch mehr – in Dein Unternehmen steckst, wirst Du Erfolg haben. Ich handle nach dem Sprichwort „Burn your ships“, halte Dir keine Hintertür auf, setzte alles auf eine Karte. Denn auf dieser Grundlage agierst du anders, fokussierst Dich auf Deine Entscheidungen – denn es gibt keinen Plan B. In meiner Generation haben die Leute so viele Möglichkeiten. Und im Endeffekt tun sie meistens gar nichts. Das ist schade.

Was willst Du beim Börsengang 20.02.2022 erreicht haben?

Wenn wir das Ziel erreichen, und davon gehe ich aus, dann haben wir genau das geschaffen, was ich eben erwähnt habe: Bestenfalls gibt es mehrere hundert Mitarbeiter, die an dem Unternehmen beteiligt waren, dann überproportional viel Geld bekommen – und dann neu gründen oder investieren. Vielleicht haben wir dann irgendwann in München Deutschlands größtes Ökosystem für Gründer – und nicht in Berlin (lacht).

Bild: Konux / Video: Marco Weimer