Man hat sich daran gewöhnt. Die großen deutschen Städte funktionieren nicht. Als U-Bahnfahrer wird man in der Masse der Mitfahrer eingequetscht, als Autofahrerin steht man morgens und abends im Stau, dazwischen wuseln Sharingdienste mit ihren Autos, Motorrollern und Fahrrädern herum. Die Zahl der Leihfahrräder ist in den vergangenen 12 Monaten derartig angewachsen, dass sie von vielen deutschen Städten als Plage angesehen werden. Verbote und Regulierungen sollen her.

„Wenn Leihräder zu Dutzenden Fußwege oder Zufahren versperren oder in Parks entsorgt werden, sind sie einfach nur ein Ärgernis“, sagt ADFC-Sprecherin Stephanie Krone der Deutschen Presseagentur. Das etwa sei in München der Fall und „Gift für das Image von Leihrädern“. David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband meint, dass die Anbieter für falsch abgestellte Räder sanktioniert werden müssten und dafür sorgen sollten, dass ihre Räder „geordnet platziert werden“.

Verbotszonen in der Kölner Innenstadt

Allgemein heißt es, dass sich Bürger über Vandalismus und versperrte Wege geärgert hätten. Innerhalb von wenigen Wochen wurden etwa im August 2017 rund 6.800 Räder auf Münchner Straßen gestellt – ohne enge Absprache mit der Stadt.

Lest auch

Wir lernen, dass es dort offenbar eine Stabsstelle Radverkehr gibt, die jetzt reagierte und einen Anforderungskatalog für die Anbieter entworfen hat. Danach müssen Räder so abgestellt werden, dass sie Dritte weder gefährden noch behindern. Auch wird eine maximale Anzahl von Rädern pro öffentlichem Standort empfohlen – wie hoch die Zahl aber sein soll, ist bislang offen. In München hat ein Anbieter 6.000 der 6.800 Räder mittlerweile wieder eingesammelt. Einen ähnlichen Katalog hat auch die Stadt Frankfurt am Main aufgesetzt. In der Kölner Innenstadt wurden Verbotszonen ausgesprochen. Leihräder dürfen dort nicht mehr abgestellt werden.

Auch der Fahrrad-Club ADFC hat eine Idee, wie sich versperrte Gehwege vermeiden ließen. Es sollten „Kfz-Stellplätze und Fahrbahnflächen in Abstellanlagen für die Fahrradverleihsysteme umgewandelt werden“, schlägt der Club in einem Positionspapier vor. Ein sehr guter Vorschlag, denn er bringt vielleicht ins Bewusstsein der Stadtbewohner zurück, dass sich das grundsätzliche Mobilitäts-Problem nicht auf die neuen Fahrrad-Services schieben lässt.

Eine groteske Art der Platzverschwendung

Es ist sehr wenig Platz in der Stadt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die freien Flächen komplett mit parkenden Autos besetzt sind. Eine geradezu groteske Form der Platzverschwendung. Was könnte man mit diesem Platz alles anfangen?

Es wird noch etwas dauern, bis Sharing-Dienste mit selbstfahrenden Autos kommen, die die Gefährte unsichtbar am Rande der Stadt parken, wenn sie nicht gebraucht werden. Vielleicht geht es mit einem öffentlichen Nahverkehr, der sich mit Shuttles und Elektrobussen an den Mobilitäts-Wünschen der Kunden orientiert und nicht an Fahrplänen wie vor 100 Jahren, etwas schneller.

Aber ausgerechnet Leihfahrräder, die aktuell etwas Bewegung und eine neue Idee in den festgefahrenen innerstädtischen Verkehr bringen, sollen jetzt reguliert und verboten werden? Mehr fällt den Städten nicht ein? Wirklich nicht? Wie wäre es denn mal mit einem Verkehrskonzept, das funktioniert? Das wäre echt nett. Danke!

Foto: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von donnierayjones