Lieferroboter trifft Mensch – eine Begegnung, die lieber nur noch auf dem Land stattfinden sollte.

Es ist kein Geheimnis, dass ich der ein oder anderen Zukunftsvision nicht besonders zugetan bin. Zum Beispiel sehe ich Flugtaxis weder in München noch in Frankfurt mal abgesehen von einer kurzen, politisch motivierten Showeinlage dauerhaft im Einsatz. Der Zeitvorteil ist zu gering, die Preise zu hoch. Was nicht heißen soll, dass die Dinger in Abu Dhabi oder China nicht zum Einsatz kommen werden. Nur eben hierzulande, im dicht besiedelten Deutschland gerade nicht. Ähnlich skeptisch erachte ich den Einsatz von Lieferrobotern.

In diese kleinen rollenden Kisten wird viel Geld gesteckt, und das nicht nur von VCs. Auch Daimler hat zum Beispiel der Firma Starship vor zwei Jahren als Lead-Investor zur Seite gestanden. Die Idee ist ja auch verlockend: Mit den hauseigenen Vans könnte man Paketunternehmen ein Komplettangebot machen. Die Zukunftsvision, die Daimler damals auf der CES vorstellte, sah autonome Vans vor, in deren Laderaum sich kleine autonome Lieferroboter verstecken. Hält der Van, flitzen die Roboter wie Ameisen aus dem Lieferwagen und tragen ihre Fracht zum Empfänger.

So weit noch nach vollziehbar. Wären da nicht ein paar Details. Die kleinen Roboter mögen zwar ganz flink den bestellten Krempel an die gewünschte Adresse bugsieren, kommen aber dann nicht mehr weiter. In Vororten stehen sie entweder vor einer verschlossenen Gartentür oder vor ein paar Stufen, die sie nicht erklimmen können, da die wenigsten Haustüren ebenerdig sind. In Metropolen endet die Lieferung ebenfalls an der Haustüre, da der Roboter wohl kaum in den fünften Stock kommt. Da muss dann der Kunde herunterkommen. Aber irgendwie lag der Vorteil der Online-Bestellung ja auch darin, dass man genau das nicht mehr machen muss.

Roboter werden es nicht leicht haben

Ein weiteres Problem, das sich den kleinen Lieferfahrzeugen in den Innenstädten stellt, sind Fußgänger. Auf dem Land eine eher selten anzutreffende Spezies, beherrschen Fußgänger nun mal die Stadt. So ein Roboter muss dann entweder ausweichen oder warten, bis er passiert wurde. Da wird sich die Lieferung dann schon mal etwas hin ziehen.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem dürfte Vandalismus sein. Wenn man sich die Frage stellt, wer um Himmels willen einen harmlosen Lieferroboter mit einem beherzten Kick vom Bürgersteig treten will, der kennt wohl nicht die Geschichte vom Hitchbot. Der völlig harmlose und bewegungsunfähige Rechner war ein Experiment. Er sollte einfach per Anhalter so weit wie möglich unterwegs sein. In den USA überlebte er nur wenige Tage, seine traurigen Reste fand man am Straßenrand.

Kann sich irgendjemand vorstellen, dass auch nur ein Lieferroboter mehr als eine Stunde lang in Berlin-Kreuzberg überlebt? Und selbst wenn ihn nur ein Scherzbold auf den Rücken legt, muss sich dann jemand ins Autos setzen und den Lieferroboter aus seiner mißlichen Lage befreien?

Der Einsatzraum der kleinen Lieferroboter beschränkt sich also auf Vororte und Häuser, die man ebenerdig erreichen kann. Das schränkt den Einsatzbereich in Europa, in China und in Indien schon mal ziemlich ein. Es bleiben klassische Schachbrett-Suburbs in den USA und auf der arabischen Halbinsel. Mag sein, dass die Roboter dort ihre Lieferungen machen werden. Aber vermutlich werden die kleinen Fahrzeuge höchstens in großen Fabrikanlagen oder Büros zum Einsatz kommen. Auf der Straße wird man sie kaum zu Gesicht bekommen.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Starship