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Daniel Wiegand ist Mitgründer und CEO von Lilium.

Es ist eine bemerkenswerte Schlagzeile: 90 Millionen Dollar stecken der chinesische Tech-Konzern Tencent, die Liechtensteiner Privatbank LGT und der von Twitter-Mitgründer Ev Williams gestarteten VC Obvious Ventures in das Flugtaxi-Startup Lilium aus Gilching bei München. Im Gespräch mit NGIN Mobility verrät Mitgründer und CEO Daniel Wiegand, wie die Leuchtturmfinanzierung zustande kam, was das Unternehmen erreichen will und worin die Schwierigkeiten im Geschäft liegen. 

Daniel, eine Finanzierung von 90 Millionen Dollar, das ist selten in Deutschland. Wie seid Ihr an Tencent gekommen? Der chinesische Konzern ist in Deutschland bisher ja kaum aufgetreten.

Wir haben nach Investoren aus verschiedenen Regionen der Welt gesucht. Luftfahrt ist ein internationales Business. Über Atomico und unsere Berater konnten wir auf ein großes Netzwerk zurückgreifen. Dann haben wir eine ganz klassische Startup-Pitchreise gemacht und mit den Leuten gesprochen.

Kannst Du etwas zur Unternehmensbewertung sagen?

Es war eine klassische Serie-B-Runde, wir haben also nicht den Großteil der Firma weggegeben.

War es kompliziert die Investoren zu überzeugen? Bei Eurer Seed-Runde war es ja wohl nicht ganz einfach, die Geldgeber von einem fliegenden Auto zu überzeugen.

Dieses Mal war es nicht kompliziert, Investoren zu finden. Aber es müssen ja auch die richtigen sein. Wie wichtig das ist, haben wir bei Frank Thelen und Atomico gesehen.

Was macht Tencent zum richtigen Investor?

Es kommt immer auf die Menschen im Hintergrund an. Und mit denen waren wir von der Vision und der Einstellung her auf der gleichen Wellenlänge. Tencent hat sich dafür interessiert, wie wir die Welt verändern wollen. Weil der Konzern aus der eigenen Bilanz investiert, hat das Engagement einen langfristigen Hintergrund – es geht also nicht um den schnellen Exit.

Bringt Tencent auch Luftfahrt-Erfahrung mit?

Der Konzern hat zwar ein großes Portfolio mit Unternehmen aus allen möglichen Bereichen. Aber was den Flugzeugbau angeht gibt es da nichts. Das war für uns aber auch nicht ausschlaggebend.

In Teilen der deutschen Wirtschaft haben chinesische Investoren nicht unbedingt einen guten Ruf, es besteht immer noch die Befürchtung, dass Technik kopiert wird. War das bei Euch auch ein Thema?

Die Überlegungen gab es in jeder Investmentrunde mit allen nicht rein finanziellen Investoren. Tencent investiert schon lange weltweit, zum Beispiel in Tesla.

Gibt es einen Plan, wie lange das jetzige Kapital reichen soll?

Den gibt es natürlich, aber dazu kann ich nichts sagen. Wir arbeiten jetzt mit Vollgas an dem fünfsitzigen Jet. Das ist dann auch das Flugzeug, das in Serie gehen wird. Vorher werden wir sicherlich noch einmal Geld aufnehmen.

Wie viele Mitarbeiter hat Lilium derzeit?

Es sind über 70 und wir verstärken das Team monatlich so schnell es geht, wobei wir nur die besten Kandidaten nehmen.

Vor Kurzem habt Ihr eine Reihe bemerkenswerter Personalien verkündet. Sind damit alle Schlüsselpositionen besetzt?

Nein. Wir haben noch eine Menge offene Stellen, darunter für das Management oder das Engineering. Dafür suchen wir gute Leute aus aller Welt. Auch unseren Bereich Commercial bauen wir auf.

Was macht dieser Bereich?

Es geht darum, Partnerschaften aufzubauen. Und darum, ökonomische Modelle unseres Transport-Services zu entwickeln. Je weiter die Entwicklung fortschreitet, desto konkreter können wir Aussagen über die Wirtschaftlichkeit des Airtaxi-Betriebs treffen. Am Anfang ist dieser Bereich natürlich viel kleiner als das Engineering.

Die technische Konstruktion ist ein Alleinstellungsmerkmal des Lilium-Jets. Wie wichtig sind Patente für Euch? Oder ist es einfach die Geschwindigkeit der Entwicklung, die Euch die Konkurrenten vom Leib halten soll?

Wir haben natürlich eigene Patente. Ich persönlich glaube aber nicht sehr an Patente. Speziell in der Luftfahrt sind die Zeithorizonte sehr lang. Wenn wir ein Patent anmelden für eine Detaillösung, ist das in 18 Monaten öffentlich zugänglich. Ein Wettbewerber, der eine Entwicklungszeit von, sagen wir, fünf Jahren hat, könnte sich von unserem Patent im Zweifelsfall sogar inspirieren lassen und dann einen Vorteil daraus ziehen. Interessanter sind da wirklich die Entwicklungsgeschwindigkeit und vor allem die Zulassung.

Apropos Wettbewerber. Wer sind die aus Deiner Sicht?

Es gibt Unternehmen, die bemannte Drohnen bauen oder die wie wir Transitionsflugzeuge entwickeln. Der Bereich ist sehr attraktiv, es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass unser Individualtransportsystem um ein vielfaches schneller wird. Wir rechnen also noch mit weiteren Wettbewerbern.

daniel-wiegand-liliumAirbus hat ja schon angekündigt, einen autonom fliegenden Einsitzer bauen zu wollen, der ebenfalls senkrecht starten kann. Und der Konzern bringt natürlich einen bekannten Namen, viel Erfahrung und wichtige Beziehungen mit. Wie stellt Ihr Euch dagegen?

Wir haben ein neuartiges Transitionsflugzeug-Konzept entwickelt und in die Luft gebracht, das die derzeit beste eVTOL Technologie darstellt und in Wirtschaftlichkeit, Reichweite, Geschwindigkeit und geringen Lärmemissionen anderen Konzepten überlegen ist. Als Startup sind wir zudem agiler und für Mitarbeiter interessanter. Indem wir uns nun auch das selbe Level an Investment gesichert haben, können wir uns weltweit die besten Leute einstellen. Außerdem sind wir schon mit den Behörden im Zulassungsprozess.

Neben technischen Lösungen und der generellen Zulassung ist auch die Freigabe der städtischen Lufträume wichtig für das, was Ihr vorhabt. Wann wird das Deiner Meinung nach passieren? Gegenwärtig zeichnet sich da ja noch nichts ab…

Sobald wir die Zulassung haben, können wir wie jedes andere Kleinflugzeug den öffentlichen Luftraum nutzen. Gleichzeitig müssen wir in unterschiedlichen Gremien aber an der Neuregelung des Luftraums für ein automatisiertes Airtraffic-Managament-System arbeiten. Das betrifft zum Beispiel auch Hersteller von Lieferdrohnen. Wichtig sind Standards etwa zur Kollisionsvermeidung. Unsere Erfahrung ist bisher, dass alle Seiten an zügigen Ergebnissen interessiert sind.

Liegt Euer Fokus bei der Zulassung und der Lobbyarbeit auf Europa?

Nicht zwangsläufig. Die ganze Welt braucht diese Technologie. Wir werden dorthin gehen, wo wir den größten Zuspruch von Partnern und Gesetzgebern finden. Momentan sind wir noch nicht so weit, um sagen zu können, wo das sein wird.

China könnte natürlich ein großer Markt werden. War das auch ausschlaggebend bei der Wahl der Investoren?

Das war bei allen unseren Geldgebern eine Überlegung. Mit Ev Williams, dem Gründer von Twitter und Medium, haben wir einen gut vernetzten Investor im Silicon Valley gefunden. Mit LGT, Atomico und Frank Thelen haben wir in Europa gute Partner. Tencent verschafft uns natürlich ein gutes Standbein in Asien.

Euer Ziel ist es, dass der Jet irgendwann vollständig autonom fliegen kann. Wann ist das realistisch?

Das wird zirka zehn Jahre dauern. Wie im Automobilbereich wird es erst einmal bemannte Systeme geben. Dann werden immer mehr teilautonome Tests stattfinden. In diesem Zeitraum werden Daten für die Zulassung gesammelt. Wenn die autonomen Systeme sich bewiesen haben, erfolgt die Freigabe. Da Sicherheit eine sehr wichtiger Aspekt ist, sollte man da auch keine Abkürzungen nehmen.

Daniel, vielen Dank für das Gespräch!

Bild: Lilium