Kam mit dem Leihrad der eigenen Flotte zum Interview: Mobike-Deutschlandchef Jimmy Cliff.

Leihräder waren nie sein Ding. Die stationsgebundenen Konzepte in Paris, New York und anderen Metropolen haben Jimmy Cliff nie überzeugt. Doch dann lud ihn das Bikesharing-Startup Mobike in seine Unternehmenszentrale nach Peking ein, wollte den Australier, der vor zehn Jahren als Rucksack-Tourist nach Berlin kam, als General Manager für Deutschland gewinnen. Zuvor hatte Cliff unter anderem die Internationalisierung der Flugsuchmaschine Kayak verantwortet.

Update: Mobike wird an die chinesische E-Commerce-Plattform Meituan Dianping verkauft, wie TechCrunch am Mittwoch berichtet. Der Kaufpreis soll bei 2,7 Milliarden US-Dollar liegen. Das mit 30 Milliarden US-Dollar bewertete Startup Meituan Dianping will den Bike-Sharing-Anbieter laut Medienberichten wohl komplett übernehmen. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Übernahme auf das Deutschland-Geschäft haben wird, äußert sich Mobike auf Nachfrage derzeit nicht.

„Auf dem Weg vom Flughafen bis zum Mobike-Büro waren die Straßen voll von Sharing-Bikes“, erinnert sich der 33-Jährige. Massig Menschen seien auf Leihrädern unterwegs gewesen. „Mobike hat die chinesische Metropole innerhalb von zwei Jahren komplett verändert.“

Die Geschichte von Mobike ist eine Erfolgsstory. Gegründet im April 2016 von einer früheren Journalistin, hat das Startup bis heute rund neun Millionen Leihräder weltweit. Über 30 Millionen Fahrten würden pro Tag mit einem der Bikes durchgeführt, gibt Mobike an. Zu den Hauptinvestoren gehört der chinesische Internetgigant Tencent, rund eine Milliarde Euro Risikokapital hat das Unternehmen bisher eingesammelt. Derzeit ist Mobike in 200 Städten und 14 Ländern weltweit vertreten, Berlin war die 200.

Cliff glaubt, in Deutschland stehen die Chancen für Bikesharing-Angebote gut: In Zeiten von Diesel-Skandal und Diskussionen über Stickoxide sieht er einen Trend hin zu emissionsfreien Fahrzeugen.

Mehrere Tausend Räder in Berlin

Innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings hat Mobike seit dem Start letzten November mehrere Tausende Leihräder verteilt. Wie viele genau, will der Deutschlandchef nicht verraten. Nur so viel: Derzeit sei man Marktführer in der Stadt, habe also mehr Räder auf der Straße als die einstigen Platzhirschen Lidl-Bike und Nextbike. Lidl-Bike gibt an, rund 3.500 Leihräder verteilt zu haben, Nextbike rund 2.000.

Cliff weiß, dass die orangefarbenen Mobikes nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen. Viele Berliner fürchten, die Masse von Bikes würden die Gehwege verstopfen und haben Angst, ihre Daten könnten an Dritte weitergegeben werden.

Im Gespräch mit NGIN Mobility versucht der Deutschland-Manager, mit Missverständnissen aufzuräumen. Er weiß, eine falsche Aussage könnte die Vorbehalte noch schlimmer machen. Ein Desaster, wie es Konkurrent oBike in München erlebt hat, will er vermeiden. Der Anbieter aus Singapur musste dort den Großteil seiner Bikes wieder einsammeln. Zu viele waren vandalierenden Bayern zum Opfer gefallen.

Mobike will die Fehler seiner Wettbewerber vermeiden – und setzt deshalb auf den Dialog. Allen Hauptstadtmedien hat Cliff bereits ein Interview gegeben, auch mit der Stadt sei man ständig im Gespräch, versichert er.

Es gehe Mobike nicht darum, wahllos Räder zu verteilen, beteuert Cliff. Man wolle nur so viele neue Fahrzeuge auf die Straße bringen, wie tatsächlich genutzt würden. In Berlin sei es erklärtes Ziel, dass jedes Rad im Schnitt mindestens ein Mal pro Tag entliehen werde.

Auch E-Bikes sollen kommen

Cliff hat auch eine Erklärung dafür, warum die Räder so klein sind: „Für den asiatischen Markt war das Modell geeigneter. Außerdem gehen die kleinen Räder nicht so schnell kaputt.“ Sie seien robuster – und würden in der Regel nur für Strecken zwischen ein und zwei Kilometer verwendet, hielten dadurch länger. Damit sich ein Fahrrad für das Unternehmen rechne, müsse es vier Jahre im Einsatz sein. Cliff kündigt  an: „Wir verteilen zusätzlich größere 26-Zoll-Modelle in Berlin“. Einige sollen mit einer Gangschaltung ausgerüstet sein, um damit auch längere Strecken zurücklegen zu können. Auch E-Bikes sollen dieses Jahr noch folgen.

Die Angst vor Datenmissbrauch hält Cliff für unbegründet. Zwar stimmen Nutzer der Mobike-App zu, dass personenbezogene Daten gespeichert und Mobike und andere Unternehmen personalisierte Werbung zuschicken dürfen. Ein Geschäftsmodell, bei dem Mobike und andere Unternehmen personalisierte Werbung über die App senden, „ist für uns aber überhaupt kein Thema“, sagt er. Mobike sei ein Mobilitätsunternehmen, kein Werbeunternehmen. Genutzt werden sollen lediglich die GPS-Daten der Fahrräder, um den eigenen Service zu verbessern und langfristig auch die Städte bei ihrer infrastrukturellen Planung zu unterstützen. Dafür hat Mobike die eigene Plattform MagicCube entwickelt. „Das ist eine künstliche Intelligenz, mit der das Startup voraussagen kann, wo die Nachfrage nach den Rädern am größten sein wird – und daraufhin die Verteilung der Räder organisieren kann.“

Unteren anderem damit will sich das Startup von seinen Wettbewerbern unterscheiden. Ob das gelingt, wird sich zeigen, auch in Berlin. Der weltweit größte Wettbewerber, Ofo, hat ebenfalls angekündigt, bald nach Berlin kommen zu wollen.

Bild: Mobike