Auf der Berliner Friedrichstraße Rad zu fahren ist gefährlich. Das Berliner Mobilitätsgesetz soll die Sicherheit von Radfahrern erhöhen.
Auf der Berliner Friedrichstraße Rad zu fahren, ist gefährlich. Das Berliner Mobilitätsgesetz soll die Sicherheit der Radfahrer erhöhen.

Berlin ist das erste Bundesland mit einem Mobilitätsgesetz. Es stärkt die Rechte der Radfahrer und des öffentlichen Nahverkehrs. Das Berliner Mobilitätsgesetz ist am Donnerstag vom Abgeordnetenhaus der Bundeshauptstadt verabschiedet worden und soll 2020 in Kraft treten. Das Gesetz soll mehr Menschen zum Radfahren und zum Verzicht auf das eigene Auto motivieren.

Ein künftiger zweiter Teil des Gesetzes soll den Fußgängerverkehr und die intelligente Mobilität thematisieren – also Carsharing und autonom fahrende Autos. Ferner könnte bei Bedarf auch der Wirtschaftsverkehr geregelt werden. Diese Gesetzgebung will das Berliner Parlament in diesem Jahr in Angriff nehmen.

Der Berliner Senat verfolgt mit dem Gesetz das Ziel, spätestens im Jahr 2050 den motorisierten Verkehr in Berlin klimaneutral zu gestalten sowie die Zahl der Unfalltoten und Verletzten auf ein Minimum zu reduzieren. Das sind die Grundzüge des neuen Gesetzes:

Vorfahrt für Radfahrer

Das Gesetz fordert ein Radverkehrsnetz auf Haupt- und Nebenstraßen, das lückenlose Verbindungen ermöglicht. Es soll aus sicheren Radwegen an Hauptstraßen bestehen, die breit genug zum Überholen sind. Falls möglich und sinnvoll, sollen geschützte Radstreifen geschaffen werden. Das Radverkehrsnetz soll bis zum Jahr 2030 realisiert sein. 
Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen geplant:

  • Es sollen mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen gebaut werden, die jeweils mindestens fünf Kilometer lang sind. Sie verlaufen getrennt von Fußgänger- und Autoverkehr – idealerweise auf getrennten Fahrbahnen.
  • Auf Einbahnstraßen soll nach Prüfung das Radfahren in Gegenrichtung erlaubt werden.
  • Mehr Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sollen Fahrradstraßen werden.
  • Radwege an Hauptverkehrsstraßen sollen so breit sein, dass Radfahrer sich gegenseitig überholen können und in sicherem Abstand zu parkenden Autos verlaufen.
  • 50.000 Fahrradstellplätze an Haltestellen sowie weitere 50.000 Fahrradstellplätze im öffentlichen Raum werden bis zum Jahr 2025 eingerichtet.
  • Es soll diebstahlsichere Fahrradboxen im öffentlichen Raum geben.

Vorrang für Busse und Bahnen

Das sogenannte Vorrangnetz für den öffentlichen Personennahverkehr umfasst die Strecken, auf denen besonders viele Menschen mit Bus oder Bahn unterwegs sind. Es muss bei der Planung jeglicher Verkehrsinfrastruktur angemessen berücksichtigt werden, zum Beispiel durch Vorrangschaltungen an Kreuzungen oder Busspuren.

Im Einzelnen bedeutet das:

  • Bus und Bahn erhalten Vorrang auf starkfrequentierten Strecken.
  • Verkehrsunternehmen dürfen Falschparker auf Busspuren direkt und ohne Polizei abschleppen lassen.
  • Carsharing- und Elektroautos sollen keine Busspuren benutzen.
  • Tram- und Bushaltestellen sollen barrierefrei werden.
  • Von 2030 an sollen Busse und Bahnen vollständig emissionsfrei und klimaneutral fahren.

Barrierefreiheit an allen Haltestellen

Busse und Bahnen sollen barrierefrei werden. Falls bis 2022 nicht überall im ÖPNV die Barrierefreiheit erreicht wird, muss diese über barrierefreie Beförderungsangebote sichergestellt werden, die im Nahverkehrsplan konkretisiert werden.

Trendwende in der Stadtplanung

Wenn künftig geplant oder gebaut wird, müssen die Belange der Radfahrer, Fußgänger und des öffentlichen Nahverkehrs von Anfang an mit berücksichtigt werden. Der Radverkehrsplan, das integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept und die Fußverkehrsstrategie sowie der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr gelten als übergeordnetes Planwerk. Deshalb müssen diese Pläne bei allen übergeordneten Stadtplanungsverfahren berücksichtigt werden. Bislang hatte nur der Nahverkehr dieses vorrangige Recht.

Autoverkehr „unter ferner liefen…“

Einen speziellen Teil für den individuellen Autoverkehr soll es nicht geben. Die SPD hatte das im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses gefordert und damit die Grünen provoziert. Schließlich fand man den Kompromiss, die Bedeutung des stadtverträglichen Autoverkehrs in die Präambel zu schreiben, ihm aber kein eigenes Kapitel zu widmen.

Nicht durchsetzen konnten sich die Berliner Grünen mit ihrem Vorhaben, in dem Gesetz ein Verbandsklagerecht zu verankern. Das hätte Organisationen ermöglich, im Interesse der Allgemeinheit die Umsetzung des Gesetzes oder seiner Teile einzuklagen. Kritisiert wird das Gesetz von den Berliner Oppositionsparteien (CDU, AFD, FDP) und vom Autoclub ADAC.

Mammutaufgabe für Verkehrsunternehmen

Das neue Mobilitätsgesetz stellt das Berliner Verkehrsunternehmen BVG vor eine Mammutaufgabe. Derzeit sind in Berlin 1400 Busse im Einsatz, die meisten mit Dieselantrieb. „Unsere Hochlaufphase für die Umstellung der Busflotte auf E-Antrieb hat bereits mit der Bestellung der ersten 30 Busse begonnen“, erklärt die BVG. Weitere Ausschreibungen seien schon in Vorbereitung. Für die betriebliche Stabilität seien Dieselbusse derzeit noch unabdingbar. „Wir gehen aber davon aus, dass die Technik und Verfügbarkeit von E-Bussen sich bis 2030 so entwickelt, dass das Ziel erreicht werden kann. Und unsere Beschaffungsstrategie sowie die Rahmenverträge mit Herstellern sind so ausgelegt, dass wir bei entsprechender Entwicklung in den kommenden Jahren jederzeit den Anteil von E-Bussen erhöhen können.“

Bild: Getty Images / Adam Berry / Kontributor