Fabriken ohne Menschen – die Arbeitsplätze entstehen woanders

Eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft schreckt mit der These auf, dass durch den Wechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor bis zu 210.000 Arbeitsplätze alleine in Deutschland dauerhaft verloren gehen könnten. Die Untersuchung geht davon aus, dass bis 2030 der Anteil der Neuwagen mit einem Elektroantrieb rund 90 Prozent betrage. Diese Annahme ist dem derzeitigen Stand der Dinge nach zu urteilen eher unrealistisch. Die Hersteller schätzen, dass der Anteil der produzierten Elektrofahrzeuge 2030 höchstens bei rund 50 Prozent liegen wird.

Doch die Studie greift noch in anderer Hinsicht zu kurz. Es ist sicher richtig, dass ein Elektromotor weniger Bauteile und damit weniger Bauzeit und Arbeiter benötigt als ein Verbrennungsmotor. Dass in diesem Bereich Arbeitsplätze wegfallen werden, ist logisch. Aber der Wandel der Branche beschränkt sich ja nicht auf den reinen Technologiewandel im Bereich des Antriebs. Die gesamte Branche wird sich verändern, angetrieben durch die Digitalisierung. Autohersteller entwickeln sich vom reinen Produzenten zu einem Mobilitätsdienstleister. Das Produkt „Auto“ wird dabei immer nebensächlicher. Indes wird die Wirtschaftsleistung, die um das Thema Mobilität entsteht, für die Hersteller und ihre Konkurrenten aus der Digitalwirtschaft immer wichtiger.

Rund um die Mobilität der Zukunft entsteht eine völlig neue Industrie 

Der Aufbau einer eigenen Plattformökonomie bedeutet für die Hersteller zweierlei: Zum einen müssen sie komplett neue Konzernbereiche schaffen, für die sie wiederum neue Angestellte benötigen. Zum anderen können und wollen Konzerne nicht alle Aufgaben selber erledigen. Sie benötigen die Hilfe von hoch spezialisierten Startups. Fast alle namhaften Hersteller haben in den letzten Jahren die Unterstützung von den neuen Unternehmen gesucht. Ein gutes Beispiel dafür, ist der Aufstieg der israelischen Firma Mobileye. Zwar schon 1999 gegründet, hat das Unternehmen vor allem in den letzten fünf Jahren erheblich zugelegt und wurde im letzten Jahr für 15,3 Milliarden US-Dollar von Intel übernommen.

Rund um die Mobilität der Zukunft, zu der auch der Elektroantrieb gehört, entsteht gerade eine völlig neue Industrie, die wiederum weltweit viele Arbeitsplätze schafft. Alleine in Berlin sind durch Startups und Risikokapitalgeber zwischen 2011 und 2016 rund 17.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Da die Wirtschaft rund um die Mobilität gerade erst startet, kann man davon ausgehen, dass sich die Menge der neu geschaffenen Arbeitsplätze deutlich erhöhen wird. Ausländische Unternehmen wie Uber, Didi oder Lyft stehen erst vor einem Markteintritt in Deutschland. Gleichzeitig schaffen Autohersteller wie VW mit neuen Startups wie Moia oder HeyCar neue Märkte und damit auch Arbeitsplätze.

Die Rechnung, dass der Umstieg auf den Elektroantrieb Arbeitsplätze kosten wird, mag richtig sein, aber sie bildet nicht das gesamte Szenario ab. Am Ende können die neuen Unternehmen dafür sorgen, dass sogar mehr Menschen in der Mobilitätsindustrie beschäftigt sind, als es heute der Fall ist.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Daimler AG