Zum Heulen? So sieht der Verkehrsalltag in Deutschland aus.

Deutschland bleibt Autoland, allerdings gewinnen Fahrrad, Bus und Bahn an Attraktivität. Das bedeutet: Zumindest in Ansätzen ist die Verkehrswende erkennbar. Ihre gefühlte Dynamik lässt sich allerdings mit Zahlen nur schwer belegen – trotz allgegenwärtiger Leihfahrräder,im Stadtbild immer häufiger zu sehender Carsharing-Autos und täglicher Nachrichten über immer neue Mobilitätsdienstleister. 

Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Infas im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums vergleicht nun die Mobilität in den Jahren 2002, 2008 und 2017. Im sogenannten Modalsplit (so nennen die Fachleute die Aufteilung der Hauptverkehrsmittel) entfallen 43 Prozent auf den Pkw (plus 14 Prozent Pkw-Mitfahrer). Für etwa jeden Fünften (22 Prozent) sind die eigenen Füße das Hauptverkehrsmittel, für elf Prozent das Fahrrad und für jeden Zehnten der öffentliche Nah- und Fernverkehr.

Wie in den Jahren 2002 und 2008 entfallen im bundesweiten Querschnitt trotz eines leichten Rückgangs weiterhin knapp 60 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr. Von der gemessenen täglichen Verkehrsleistung von insgesamt etwa 3.200 Millionen Personenkilometern entfallen etwa 2.400 Millionen auf den privaten Pkw.

Das Fahrrad gewinnt in Deutschland an Attraktivität. Der Radanteil steigt im Modalsplit von neun Prozent im Jahr 2002 über zehn Prozent 2008 auf jetzt elf Prozent. Bei der Verkehrsleistung, also den zurückgelegten Kilometern in der Gesamtheit, ist gegenüber 2008 ein Plus zu von einem Fünftel zu erkennen. Das bedeutet: Die Deutschen fahren nicht nur häufiger Rad, sondern auch länger. 

Bus und Bahn gewinnen an Bedeutung

Ein ähnlicher Trend beim öffentlichen Nahverkehr: Er wächst von acht über neun auf jetzt zehn Prozent. Bei der Verkehrsleistung gab es ein Plus von zehn Prozent, Beim Verkehrsaufkommen gab es gar ein Plus von einem Viertel. 

Update: Kommentar von Tom Kirschbaum, Geschäftsführer Door2Door:
„Um die Verkehrswende tatsächlich zu schaffen, brauchen wir in Deutschland mehr Mut für innovative Ideen, die den öffentlichen Verkehr individualisieren und den Individualverkehr kollektivieren, wie beispielsweise On-Demand ÖPNV. Nur so kann innerstädtisch und auf dem Land eine Gesamtdynamik des ÖPNVs entstehen, die dem Nutzer eine flexible und lückenlose Alternative zum privaten PKW bietet.“ 

Allerdings gibt es Nachhollbedarf bei der Zufriedenheit der Menschen mit Bus und Bahn: Grob lässt sich sagen, dass sich die Zufriedenheit entgegengesetzt proportional zur Größe des Wohnortes ist. Vergleicht man städtische und ländliche Regionen, verschärft sich dieser Widerspruch. Und: Im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln erhält der öffentliche Nahverkehr die kritischsten Bewertungen.

Vor allem in großen Metropolen gibt es gute Noten. Allerdings bewertet jeder dritte Metropolenbewohner den ÖPNV mit der Note Drei oder schlechter. Im dörflichen Raum dagegen hagelt es Fünfen und Sechsen auf der Schulnotenskala. Jeder dritte Befragte greift zu dieser Benotung. Für Verkehrsunternehmen und Kommunalpolitiker sollten diese Zahlen ein Weckruf sein: Die Menschen wollen hier eine bessere Dienstleistung. 

Carsharing mit marginalen Effekten

Egal ob Uber, Lyft, Moia, Via oder wie sie alle heißen – Carsharing gerierte sich in den vergangenen Jahren gerne als Heilslehre für allerlei Verkehrsprobleme und gab sich mit dem Claim „Ökonomie des Teilens“ gerne einen altruistischen Anstrich. Doch der Blick auf die Zahlen dämpft diese Euphorie. Das motorisierte Verkehrsaufkommen hat sich im Analysezeitraum nur unwesentlich verändert. Vier Prozent der Haushalte waren 2017 bei einem oder mehreren Anbietern regisitriert, allerdings nutze mehr als ein Viertel der Registrierten die Angebote nie.

Zudem belegt die Studie die gelegentlich geäußerte These, dass das Carsharing-Auto für viele Nutzer nur ein optionaler Zweitwagen ist. Denn etwa die Hälfte der Carsharing nutzenden Haushalte besitzt ein eigenes Auto. Und: In ländlichen Regionen, wo alternative Verkehrskonzepte dringend benötigt werden, spielt Carsharing keine nennenswerte Rolle.

Fazit: Das Auto bestimmt nach wie vor den Verkehrsalltag. Allerdings gewinnt der öffentliche und der Fahrradverkehr in urbanen Räumen an Bedeutung. Wo diese Systeme gut ausgebaut sind, werden sie auch von den Menschen angenommen. „Neue Mobilitätsangebote wie etwa das Car- und das Bikesharing erzielen inzwischen (…) eine beachtliche Durchdringung“, heißt es im Report. Doch ihr absoluter Beitrag zu einem umweltverträglichen Verkehr sei gegenwärtig sehr klein.   

Bild: Getty Images / Adam Berry