Leere Straßen als Sinnbild für den Umsatzeinbruch bei Mobility-Startups.

Der Mensch ist manchmal etwas langsam, wenn es darum geht, Dinge zu verstehen, die außerhalb der gewohnten Abläufe passieren. Dass das eigene Leben sich mit einem Schlag dramatisch verändern kann, mag einem noch möglich erscheinen, weil man so etwas schon selbst erlebt hat. Aber dass die gesamte Welt stillsteht, dass die Innenstädte leer sind, ganze Länder ihre Bewohner unter Hausarrest stellen und plötzlich das wirtschaftliche Leben komplett zusammenbricht, das ist dann schon schwerer vorstellbar. Doch genau das passiert gerade.

Für die Auto- und Mobility-Industrie ist die Corona-Krise die größte anzunehmende Kombination aus Unvorstellbarkeiten. Man rechnet vielleicht in seinem Businessplan damit, dass mal ein Land wegen einer Staatskrise ausfällt, aber sicher nicht damit, dass es fast alle auf dem Planeten sind. Auch eine leichte Rezession plant man vielleicht ein, aber nicht Einbrüche, die im zweistelligen Prozentbereich liegen.

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Die Meldungen aus der Mobility-Branche sind dementsprechend düster. Uber vermeldete aus den USA einen Rückgang der gebuchten Fahrten um bis zu 20 Prozent – noch bevor mehrere Metropolen eine Ausgangssperre verhängt hatten. In China brach das Geschäft von Didi um über 50 Prozent ein, der Ridehailing-Dienst wurde in mehr als 50 Städten komplett eingestellt. Die E-Scooter-Anbieter Lime und Bird haben ihre Dienste in Städten in Europa und Deutschland komplett eingestellt, nachdem die Nutzung um bis zu 80 Prozent zurückgegangen war.

Fahrräder sind in Corona-Zeiten gefragt

Aber es gibt auch Unternehmen, die von der Krise – zumindest im Moment noch – profitieren: Anbieter von Leihfahrrädern. Erstaunlicherweise steigt die Nutzung vor allem in Metropolen sprunghaft. In China verzeichneten Startups aus diesem Segment ein Wachstum von 150 Prozent. In New York ging es um 67 Prozent nach oben. Fahrräder sind das ideale Verkehrsmittel in Zeiten von Corona, wenn man lieber nicht mit dem ÖPNV zur Arbeit pendeln will. Die steigenden Temperaturen sorgen sicher auch für eine erhöhte Nutzung.

Auch beim Carsharing deuten die ersten Anzeichen darauf hin, dass das Geschäft nicht so stark beeinträchtigt wird wie befürchtet. Zumindest in Ländern, in denen es noch keine Ausgangssperre gibt. Auch hier spielt der Verzicht auf den ÖPNV eine entscheidende Rolle. Allerdings unterscheiden sich die Zahlen je nach Stadt. Der Anbieter Share Now rechnet etwa damit, dass die Nutzung wieder sprunghaft ansteigen wird, wenn sich die strengen Regeln wieder lockern, die Menschen aus Angst aber weiterhin den ÖPNV vermeiden.

Die Taxibranche leidet zwar auch, ist aber recht gewitzt, was neue Ideen angeht. So haben die Taxizentralen in Berlin angekündigt, dass man für Hilfsbedürftige und ältere Menschen auch Einkaufsfahrten anbietet. Das kostet natürlich ein bisschen Geld, aber am Ende ist das für die Menschen sicherer, als sich in einen vollen Supermarkt zu begeben. Diese Idee hatte Uber auch schon. Der Service Uber Eats verzeichnet weltweit mehr Aufträge und federt so die Verluste ab, die im Kerngeschäft mit dem Ridehailing entstehen.

Es gibt im Moment also durchaus auch Chancen für Unternehmen im Mobilitätsbereich. Der Blick geht generell in Richtung Zukunft, denn die Krise wird irgendwann überstanden sein. Der Sommer naht, eigentlich die beste Zeit für Mobility-Anbieter. E-Scooter- und Leihfahrrad-Firmen könnten die großen Gewinner sein, wenn die Menschen sich irgendwann wieder freier bewegen dürfen.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Getty Images / SOPA Images / Kontributor