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Ex-Opel-Chef Karl-Thomas Neumann

Karl-Thomas Neumann weiß, wie wirkungsvoll die Botschaften sind, die er über Twitter verbreitet. Rund 17.000 Menschen folgen dem ehemaligen Opel-Chef bei dem Kurznachrichtendienst. In den vergangenen Monaten ging es in seinen Tweets eher um Werbung für den neuen Opel Insignia, doch am Mittwochmorgen, nur wenige Stunden vor dem großen Diesel-Gipfel in Berlin, setzte Neumann einen ziemlich überraschenden Tweet ab: Um 8.31 Uhr schert er als erster Automanager Deutschlands aus der Verteidigungslinie der Industrie für den Dieselmotor aus.

Und damit auch niemand falsch verstehen kann, was Neumann damit meint, legt er eine Minute später noch einmal nach: „Und die Zukunft ist elektrisch. KTN“. Nun handelt es sich bei Neumanns Tweet nicht mehr um eine offizielle Stellungnahme des Rüsselsheimer Autobauers, weil der frühere Chef mit dem am gestrigen Dienstag vermeldeten Abschluss des Verkaufs von Opel an den französischen PSA-Konzern aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. „Insofern sind die Äußerungen von Herrn Neumann seine private Meinung“, heißt es bei Opel.

In Neumanns Biografie bei Twitter heißt es daher: „Ehemaliger CEO der Continental AG und der Adam Opel GmbH, derzeit ein privater Account, jetzt sind alle Tweets persönlich.“ Dennoch haben seine Worte in der Industrie noch immer Gewicht, zumal Neumann für verschiedene Posten in der Branche gehandelt wird – unter anderem wird er regelmäßig als möglicher Nachfolger von Audi-Chef Rupert Stadler genannt, der ausgerechnet wegen des Dieselskandals unter enormem Druck steht.

Opel könnte reine Elektromarke werden 

Dass Neumann ein Freund der Elektromobilität ist, ist nichts Neues. Kurz bevor bekannt wurde, dass der bisherige amerikanische Mutterkonzern General Motors (GM) Opel an PSA verkaufen würde, hatte Neumann mit dem Gedanken gespielt, in Zukunft nur noch auf den Elektroantrieb zu setzen. Opel sollte eine Art Mittelklasse-Tesla werden und überhaupt keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr bauen.

Ganz vom Tisch ist diese Idee auch mit dem Verkauf an die Franzosen nicht. PSA-Chef Carlos Tavares zeigte sich im Frühjahr beim Autosalon in Genf durchaus aufgeschlossen für eine reine Elektromarke. Die Strategie für die Zukunft müsse das Opel-Management in den ersten 100 Tagen nach Abschluss der Übernahme aber selbst entwickeln und vorstellen. Damit liegt der Ball nun bei Neumanns Nachfolger Michael Lohscheller. 

Der muss auch beim heutigen Diesel-Gipfel in Berlin die Position von Opel vertreten. Sie unterscheidet sich womöglich von der anderer deutscher Autobauer. Regierungskreisen zufolge wollen sich die ausländischen Hersteller, zusammengeschlossen im Verband der Importeure (VDIK), zunächst nicht zu Nachbesserungen von Dieselautos, die den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 entsprechen, verpflichten.

Die Front der Autoindustrie bröckelt

Aus Importeurskreisen hieß es im Vorfeld des Gipfels, man werde sich aller Voraussicht nach nicht auf eine feste prozentuale Reduzierung des Schadstoffausstoßes der eigenen Flotte festlegen. Sollte es so kommen, könnte das eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den deutschen Herstellern bedeuten. In Regierungskreisen hieß es, der Druck auf die Importeure mitzuziehen, werde aber letztlich doch Erfolg haben.

Daran sind zumindest Zweifel erlaubt: Mit Ford hat bereits einer der Importeure öffentlich erklärt, dass man keine Nachbesserungen an den neusten Dieselfahrzeugen mittragen werde, stattdessen wollen die Amerikaner die Halter von sehr alten Selbstzündern der Normen Euro 1, 2 und 3 mit einer Prämie von 2000 bis 8000 Euro zum Kauf eines neuen Ford bewegen.

Von einer gemeinsamen Front der Autobauer kann also keine Rede sein – auch angesichts des „Nationalen Forums Diesel“ nicht. Volvo zum Beispiel geht den Weg, den Ex-Opel-Chef Neumann gerne in Rüsselsheim gegangen wäre. Die Schweden in chinesischen Händen wollen ab 2019 nur noch neue Modelle auf die Straße bringen, bei denen ein Elektroantrieb den Verbrennungsmotor zumindest ergänzt – oder gleich ganz ersetzt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Harold Cunningham